# taz.de -- Politikerinnen streiten übers Parité-Gesetz: „Das ist total ide… | |
> Die CSU-Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger und die grüne | |
> Co-Fraktionschefin Katharina Schulze streiten über den Weg zu mehr Frauen | |
> im Parlament. | |
Bild: Petra Guttenberger (links) und Katharina Schulze | |
Frau Guttenberger, Frau Schulze hat in ihrer Fraktion einen Frauenanteil | |
von 47 Prozent. Ihre Fraktion, die CSU, bringt es dagegen gerade mal auf 21 | |
Prozent. Beneiden Sie die Kollegin ein bisschen? | |
Petra Guttenberger: Neidisch bin ich nicht, aber ich denke mir: Wir haben | |
noch gut Luft nach oben. Und die werden wir nutzen. Markus Söder hat nach | |
der Wahl sehr viele Frauen ins Kabinett berufen, und Vorbilder sind noch | |
immer die beste Werbung. | |
Katharina Schulze: Dann sollten Sie unbedingt unser Hälfte-der-Macht-Gesetz | |
unterstützen. Da fordern wir genau das: dass künftig 50 Prozent im Kabinett | |
von Frauen besetzt werden sollen. Das mit der Luft nach oben höre ich oft | |
von CSU-Frauen. Dabei ist im Bundestag und im Landtag der Anteil der Frauen | |
gesunken. Was wollen Sie dagegen unternehmen, außer zu sagen: Wir machen | |
das fünfzehnte Mentoring-Programm? | |
Guttenberger: Das brauchen Sie gar nicht so herablassend sagen, | |
Mentoring-Programme sind wichtig. Wir wollen auch mehr Frauen. Aber dafür | |
müssen wir Frauen gewinnen, sich zur Wahl zu stellen. Und wir amtierenden | |
Frauen müssen diese Frauen auch stärken. Aufs Pferd steigen müssen sie dann | |
aber selber. Bei den Direktmandaten haben wir jetzt übrigens schon eines | |
mehr in weiblicher Hand. Ein kleiner Schritt – aber auch ein kleiner | |
Schritt ist ein erster Schritt. Außerdem zeigt die Änderung unserer | |
Parteisatzung Wirkung. In der heißt es jetzt, dass Frauen 40 Prozent der | |
Parteiämter innehaben sollen. | |
Schulze: Da sehen Sie’s doch: Die Quote wirkt – sogar in der CSU. | |
Guttenberger: Ja, aber auf freiwilliger Basis. Wenn in einem Bezirksverband | |
keine einzige Frau kandidiert, fällt die Welt nicht zusammen. Mich erinnern | |
Quoten an das Ständewahlrecht. Da gab’s die Quoten für die Ritter, die | |
Bauern, die Handwerker … | |
Schulze: Aber keine für die Frauen. Vor hundert Jahren haben wir das | |
Wahlrecht für Frauen erkämpft. Wenn wir jetzt, 100 Jahre später, sehen, | |
dass es noch immer keine gleiche Verteilung der Macht, keine gleichwertige | |
Bezahlung von Frauen und Männern gibt … | |
Guttenberger: Das würde ich so pauschal nie sagen. | |
Schulze: Dann machen wir es ganz konkret: Im bayerischen Landtag sitzen | |
26,8 Prozent Frauen. In der Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz steht | |
jedoch: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Und dass der Staat aktiv | |
diese Gleichberechtigung fördern muss. Wenn alle Selbstverpflichtungen und | |
Appelle nicht das gewünschte Ergebnis erzielt haben, muss sich der | |
Gesetzgeber doch etwas einfallen lassen. | |
In dem Gesetzentwurf, den die Grünen jüngst in den Landtag eingebracht | |
haben geht es vor allem um die Besetzung des Landtags. Sie wollen nicht nur | |
wie in Brandenburg für die Listen das Reißverschlussverfahren einführen … | |
Schulze: … sondern auch an die Direktmandate gehen. Dazu wollen wir die | |
Zahl der Direktmandate insgesamt behalten, aber die Stimmkreise so | |
anpassen, dass in jedem Stimmkreis zwei Abgeordnete gewählt werden können: | |
eine Frau und einen Mann. So können wir verhindern, dass von 91 | |
Direktmandaten nur 19 Frauen sind, wie es momentan der Fall ist. | |
Sie wollen auch die Verfassung ändern und darin vorschreiben, dass im | |
Landtag mindestens die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein muss. Warum | |
eigentlich „mindestens“? | |
Schulze: Weil wir’s unter der Hälfte nicht mehr machen. Grundlage sind das | |
Grundgesetz und die Bayerische Verfassung, in der die Gleichberechtigung | |
von Männern und Frauen steht. | |
Gleichberechtigung wäre aber nicht mindestens, sondern genau 50 Prozent. | |
Schulze: Es werden ja nicht auf einmal 80 Prozent Frauen in den Parlamenten | |
sitzen. Wenn wir bei 50 Prozent ankommen, ist das gut, schließlich sind | |
Frauen die Hälfte der Bevölkerung und keine Minderheit. | |
Da man in Bayern auch mit der Zweitstimme eine Kandidatin oder einen | |
Kandidaten wählt, könnte es aber wieder passieren, dass im Parlament die | |
Männer in der Mehrheit sind. | |
Schulze: Das stimmt. Wir haben ja keine starren Listen, denn wir wollen die | |
Besonderheit des bayerischen Wahlrechts erhalten. Die Leute können weiter | |
auf der Liste auswählen, ob sie den Heinz Meier oder die Liesl Müller haben | |
wollen. | |
Ein Männerüberschuss würde dann aber der Verfassung widersprechen. | |
Schulze: In der Verfassung schreiben wir eine Zielvorgabe fest. Mit unserem | |
Modell kommen wir dann der Fifty-fifty-Regelung so nahe wie möglich. | |
Guttenberger: Wenn wir schon bei der Verfassung sind: Im Grundgesetz ist | |
ganz klar die Funktion der Parteien festgelegt. Nur sie haben das Recht, | |
Wahllisten aufzustellen. Und Sie wollen den Parteien jetzt vorschreiben, in | |
jedem Stimmkreis immer einen Mann und eine Frau aufzustellen. | |
Schulze: Dieses Recht bleibt bestehen. Das Duo kann jede Partei immer noch | |
aus ihren Mitgliedern auswählen. | |
Guttenberger: Es ist trotzdem eine Einschränkung. Wenn ich beispielsweise | |
in einem Stimmkreis vier großartige Frauen habe und ein paar Männer, die | |
man sich nicht unbedingt in den Landtag wünschen würde, dann muss ich mit | |
Gewalt irgendeinen Mann suchen, obwohl ich viel lieber zwei Frauen | |
aufstellen würde. | |
Frau Schulze, in der Debatte haben Sie gesagt, Ihr Gesetz würde dazu | |
führen, dass Parteien attraktiver für Frauen werden müssten. Was macht sie | |
denn so unattraktiv? | |
Schulze: Zum Beispiel die langen abendlichen Sitzungen, wenn man Kinder ins | |
Bett bringen muss. Auch dass es bei Parteiveranstaltungen oft keine | |
Kinderbetreuung gibt. | |
Guttenberger: Bei uns gibt es das. | |
Schulze: Das freut mich. So etwas ist wichtig. Auch die Sitzungskultur | |
würde sich mit mehr Frauen bestimmt ändern. Die ehemalige CSU-Politikerin | |
Christine Haderthauer hat neulich in einem Interview mit der Zeit | |
Interessantes aus dem Innenleben der CSU berichtet: wie beispielsweise der | |
Geräuschpegel sofort steigt, wenn eine Frau sich zu Wort meldet. So was | |
ändern wir nur, wenn wir eine kritische Masse an Frauen haben. | |
Guttenberger: Ich erlebe das nicht so. Ich würde mir eine solche Behandlung | |
auch gar nicht gefallen lassen. Frauen müssen schon auch für ihre Meinung | |
einstehen und sich notfalls Gehör verschaffen. Wenn eine Frau das nicht | |
will, sollte sie sich vielleicht auch keinen Wahlkampf zumuten. | |
Schulze: Aber ich will auch Leute mit leisen Tönen im Parlament haben. Es | |
müssen sich doch nicht die Frauen ändern, sondern die Strukturen. Die | |
Frauen sollen ruhig so bleiben, wie sie sind. Das gefällt natürlich nicht | |
jedem: Nicht alle Männer geben gerne Macht ab. Da fällt es leichter, im | |
Parteihaushalt Mittel für ein Frauen-Mentoring bereitzustellen oder | |
Frauenfrühstücke auszurichten. | |
Guttenberger: Das ist doch total ideologisch. Die Realität sieht völlig | |
anders aus. Bei uns bestimmt jeder Stimmkreis, wen er nominiert. Da gibt es | |
keinen Männerbund, der die Macht nicht abgeben will: Es erschreckt mich, | |
wie Sie sich die CSU vorstellen. | |
Schulze: Bisher konnten Sie mich noch nicht vom Gegenteil überzeugen. | |
Außerdem wollte ich erklären, warum der Widerstand gegen dieses Gesetz so | |
groß ist. | |
Guttenberger: Das stimmt aber nicht. Akzeptieren Sie doch, dass wir aus | |
Überzeugung heraus starre Quoten ablehnen – nicht, weil dann ein paar | |
Männer ihre Macht verlieren würden. Wenn Sie eine starre Quote für Frauen | |
machen, müssen Sie auch eine für Senioren machen. Und für alle anderen. | |
Bedeutet Gleichberechtigung auch gleiche Teilhabe an der Macht? | |
Guttenberger: Nein, das bedeutet Chancengleichheit. Die gibt es. Wir wollen | |
auch mehr Frauen, aber ohne Bevormundung. | |
Frau Schulze, warum wollen Sie die CSU-Frauen denn dann zu ihrem Glück | |
zwingen? | |
Schulze: Weil ich eine überzeugte Feministin bin. Gleichberechtigung wird | |
uns allen gut tun. | |
1 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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