| # taz.de -- Ehemalige Ministerin Gerda Hasselfeldt: „Nach dreißig Jahren ist… | |
| > Gerda Hasselfeldt war Ministerin und leitete die CSU-Landesgruppe. Nun | |
| > ist sie DRK-Vorsitzende. Ein Gespräch über Parité, Frauen und warum | |
| > Politik nicht alles ist. | |
| Bild: Gerda Hasselfeldt | |
| taz: Frau Hasselfeldt, Sie waren dreißig Jahre Bundespolitikerin, zuletzt | |
| Chefin der CSU-Landesgruppe. 2017 haben Sie nicht wieder für den Bundestag | |
| kandidiert. Wie geht es Ihnen ohne die Politik? | |
| Gerda Hasselfeldt: Mir geht’s gut. Ich kann meine Erfahrungen und Kontakte | |
| einbringen in eine neue, diesmal rein ehrenamtliche Aufgabe. Ich bin | |
| mittlerweile Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes. | |
| Was unterscheidet Ihre Arbeit von der im Bundestag? | |
| Für mich stehen nicht mehr politische Entscheidungen im Vordergrund, | |
| sondern die Anliegen des Roten Kreuzes. Meine Tage sind jetzt bestimmt von | |
| Begegnungen mit den vielen ehren- und hauptamtlichen Helfern des DRK, | |
| Gespräche mit politisch Verantwortlichen oder auch Repräsentationsaufgaben | |
| – kurzum, die Führung eines sehr großen, vielfältigen Wohlfahrtsverbandes | |
| und einer nationalen Hilfsorganisation, die auch im Ausland tätig ist. | |
| Haben Sie sich um dieses Amt beworben? | |
| Ich wurde gefragt und gebeten zu kandidieren. Ich war aber auch die einzige | |
| Kandidatin. | |
| Nach dreißig Jahren in der Bundespolitik – warum machen Sie nicht einfach | |
| mal nichts? | |
| Das Leben muss doch auch nach einer aktiven Berufstätigkeit noch einen Sinn | |
| haben. Als ich entschieden habe aufzuhören, hatte ich die Tätigkeit beim | |
| Roten Kreuz nicht im Blick. Das kam erst später. Ich fand nur, dass es nach | |
| dreißig Jahren mal gut ist mit der politischen Arbeit. Schön ist, dass ich | |
| mich jetzt mehr um meine Enkel kümmern kann, als ich das seinerzeit für | |
| meine Kinder tun konnte. Und ich habe meine Liebe zur Musik wieder | |
| entdeckt. | |
| Sie spielen Klavier? | |
| Ja, zwar auf niedrigem Niveau, aber für mich reicht es. Die Tätigkeit für | |
| das Rote Kreuz erfüllt mich und ist sehr sinnvoll. Ich kann hier einiges | |
| von dem, was ich in meiner Zeit als aktive Politikerin erlebt habe, der | |
| Gesellschaft zurückgeben. | |
| Bei allem Respekt, aber warum übernehmen nicht Jüngere diese Aufgabe? | |
| Das ist eine gute Frage. Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn das | |
| jemand Jüngeres übernehmen würde. Aber das ist ja ein Ehrenamt, und ganz | |
| ehrlich, das können Sie in diesem Umfang und dieser Form kaum von | |
| Berufstätigen erwarten. Und bei manchen Funktionen geht es schon auch um | |
| Erfahrungen in politischen Entscheidungsprozessen. | |
| Sie waren die erste CSU-Landesgruppenchefin und sind jetzt die erste | |
| weibliche DRK-Präsidentin. Wie sieht es dort mit der Präsenz von Frauen | |
| aus? | |
| Unter den ehrenamtlichen Helfern haben wir wesentlich mehr Frauen als | |
| Männer. In den Führungsgremien ist es umgekehrt: Ich bin seit mehr als 150 | |
| Jahren die erste Frau an der Spitze des Deutschen Roten Kreuzes. | |
| Das scheint ein Markenzeichen von Ihnen zu sein. | |
| (Lacht) Immerhin, bei den Landesverbänden haben wir seit einigen Monaten | |
| zwei neue Präsidentinnen. Aber in den Führungspositionen bei Landes- und | |
| Kreisverbänden dominieren insgesamt die männlichen Kollegen. Die Gründe | |
| sind immer wieder dieselben. Als Stellvertreterinnen haben wir viele | |
| Frauen, das ist sogar satzungsrechtlich verankert, auch auf Bundesebene | |
| gibt es eine Vizepräsidentin. Aber wenn es um die Verantwortung als | |
| Vorsitzende geht, sind Frauen vielleicht nicht die, die sofort „Hier!“ | |
| schreien. Viele begnügen sich mit Tätigkeiten als Vize. | |
| Können Sie das als Chefin beeinflussen? | |
| Nein, die Wahlen werden bei den Landes- und Kreisverbänden durchgeführt. | |
| Man kann eigentlich nur immer wieder an Frauen appellieren, sich der | |
| Verantwortung an der Spitze zur Verfügung zu stellen, zu kandidieren. | |
| Aktuell wird über [1][Parité, Gleichheit, diskutiert]. Was halten Sie als | |
| CSU-Frau davon? | |
| Ich glaube, dass wir über alle möglichen Alternativen nachdenken müssen, um | |
| mehr Frauen in die politische Verantwortung zu bekommen. Das gilt für das | |
| Wahlrecht wie für parteiinterne Vorschläge. Das Erstere wird schwierig | |
| sein. Innerhalb meiner eigenen Partei empfehle ich, darüber nachzudenken, | |
| ob wir nicht bei Kreisvorständen sagen können: Ihr müsst nicht, aber ihr | |
| könnt den Vorsitz einer Frau und einem Mann parallel geben. | |
| Also die Doppelspitze. | |
| Ja, das Amt des oder der Kreisvorsitzenden ist einflussreich. Wir haben | |
| nicht nur tüchtige Männer, sondern auch tüchtige Frauen. Die sollten wir | |
| nicht als stellvertretende Vorsitzende in den Schatten stellen. | |
| Aber in der CSU-Landesgruppe gibt es so wenig Frauen wie lange nicht mehr. | |
| Das hängt damit zusammen, dass in den entscheidenden Gremien auf Kreis- und | |
| Bezirksebene, wo die Vorentscheidungen für Direktmandate getroffen werden, | |
| meistens die Frauen Stellvertreter sind und gar nicht die Möglichkeit | |
| haben, sich als Vorsitzende zu profilieren. Erst als Vorsitzende hätten sie | |
| ganz andere Möglichkeiten der Profilierung, sie könnten zeigen, dass sie es | |
| können. | |
| Sie waren sechs Jahre lang Landesgruppenvorsitzende in Berlin. Beim | |
| weißblauen Stammtisch, der Presseunterrichtung in der Bayerischen | |
| Vertretung, gab es Saft und Kaffee. Jetzt steht jetzt wieder Bier auf den | |
| Tischen. Was sagt uns das? | |
| Ich hoffe, das ist alkoholfreies. Für mich wäre das sonst etwas | |
| befremdlich, aber vielleicht bin ich da noch vom alten Schlag. Zu | |
| Arbeitsterminen gehört für mich kein Alkohol. | |
| Der Anteil der CSU-Abgeordneten beträgt in dieser Wahlperiode 6,5 Prozent; | |
| noch niedriger war er nur 1949. Was muss passieren, damit das besser wird? | |
| Die letzte Bundestagswahl war für die CSU wirklich nicht erfolgreich, das | |
| ist ja kein Geheimnis. Ich habe allerdings den Eindruck, dass alle daraus | |
| gelernt haben. Unsere Wählerklientel möchte, da bin ich mir ganz sicher, | |
| eine geschlossene Union. Nicht die Beschäftigung mit uns selbst, sondern | |
| mit den anstehenden Problemen. Ich habe den Eindruck, jetzt sind wir auf | |
| einem guten Weg. | |
| Mal ehrlich, fehlt Ihnen der Berliner Betrieb manchmal? | |
| Ich denke wirklich gerne an die parlamentarische Zeit zurück, insbesondere | |
| an meine letzten sechs Jahre. Das war eine äußerst spannende, | |
| einflussreiche, schöne Aufgabe, auch wenn sie mich manchmal sehr stark | |
| beansprucht hat. Allerdings hat alles seine Zeit. Und ich habe keine | |
| Sekunde bereut, dass ich die Entscheidung getroffen habe, nach dreißig | |
| Jahren aufzuhören. Das Leben besteht nicht nur aus Politik. Ich bin dankbar | |
| dafür, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, an anderer Stelle auch | |
| Sinnvolles für unsere Gesellschaft zu leisten. | |
| 8 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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