| # taz.de -- Pläne zum Einsperren von Kindern: Nach Haasenburg kommt Phasen-Burg | |
| > Bremen legt ehrgeizigen Zeitplan für gemeinsames geschlossenes Heim mit | |
| > Hamburg vor: Im Herbst 2017 soll die „Burg“ auf altem Knastgelände gebaut | |
| > sein. Straßenkinder protestieren. | |
| Bild: Abtauchen: Die „Burg“ soll anstelle des alten JVA-Gabäudes im Bremer… | |
| Hamburg taz | Nein, die Pläne für ein gemeinsames geschlossenes Heim waren | |
| kein Wahlkampfbluff. Der rot-grüne Bremer Senat macht nun ernst und legte | |
| Mitte April ein Grob-Konzept vor. Mit 32 Plätzen größer als bisher gedacht, | |
| soll das Heim schon im Herbst 2017 in Betrieb gehen. Der Bremer Senat lud | |
| am 12. April zur Pressekonferenz. Die Hamburger Seite war daran nicht | |
| beteiligt. | |
| „Die Senatsvorlage aus Bremen gibt einen Sachstandsbericht aus Bremer Sicht | |
| wieder“, sagt Hamburgs Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer. Aber es | |
| gab Treffen der Staatsräte, im Dezember, im Februar, im März. Dabei einigte | |
| man sich auf die Platzzahl 24, plus acht „Notplätze“, die für den | |
| reibungslosen Wechsel zwischen drei Betreuungsphasen notwendig seien. Die | |
| Hälfte, 16 Plätze, soll Hamburg belegen. | |
| Das ist viel. Im Hamburger Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen ist | |
| nur von Beteiligung an so einer Einrichtung als „ultima ratio“ mit „klein… | |
| einstelliger Platzzahl“ die Rede, also fünf oder weniger. Für die Hamburger | |
| Grünen war schon das eine eklige Kröte, mancher hoffte gar, dies sei eine | |
| Art Vorratsbeschluss. | |
| Bremen plant das Heim insbesondere für eine auffällige Gruppe von 35 bis 50 | |
| Jugendliche aus den Magreb-Staaten, die durch „Antanzdiebstähle“ bekannt | |
| wurden und „die Sicherheitslage im Stadtgebiet“ beeinträchtigten. Viele von | |
| ihnen sind in Haft. Hamburg hat für diese Gruppe eine andere | |
| Jugend-Einrichtung am Bullerdeich geschaffen. Die ist zwar nicht | |
| unumstritten, aber offen. | |
| Die Zahlen, räumt der Bremer Senat ein, schwankten stark. Seit November | |
| werden die minderjährige Flüchtlingen bundesweit umverteilt. Dennoch soll | |
| auf dem Gelände des früheren Jugendknasts Blockland jetzt ein | |
| 2.000-Quadratmeter-Neubau entstehen. | |
| Bremen stellt das Grundstück und bezahlt den Bau. Den mietet dann die | |
| „Pädagogisch Therapeutische Jugendhilfe“, ein Träger, den Hamburg extra | |
| 2014 gegründet hat und an dem die Stadt zu zehn Prozent beteiligt ist. „Es | |
| wird sich um einen langfristigen Mietvertrag handeln“, sagt Schweitzer. Das | |
| Heim wird zunächst für sechs bis zwölf Monate pauschal finanziert, später | |
| über Tagessätze pro Bewohner. Spätestens dann, warnen Experten, entsteht | |
| ein Druck, die Plätze auch zu belegen, um die Kosten zu finanzieren. | |
| Das Heim soll als „geschlossener Gebäudering (‚Burg‘) mit eigener | |
| Innengrünfläche errichtet werden“, schreiben die Bremer. In der Burg sollen | |
| für die drei Phasen „verschiedene Gebäude mit unterschiedlichen | |
| Ausstattungsstandards“ enthalten sein. Geplant ist offenbar ein Modell mit | |
| Eingangs-, Verstetigungs- und Ausgangsphase, wie es in den Haasenburg- und | |
| Friesenhof-Heimen angewandt wurde. Die Jugendlichen sollen im Heim ärztlich | |
| versorgt werden und dort auch zur Schule gehen. Der Träger soll die Arbeit | |
| umfangreich dokumentieren. „Dies gilt auch für Regelverstöße“, heißt es… | |
| der Senatsvorlage. | |
| Das wirft Fragen auf. Etwa, welche Regeln es gibt, gegen die nicht | |
| verstoßen werden darf? Und ob diese Verstöße sanktioniert werden. Bekannt | |
| aus anderen Heimen ist, dass es als Strafe Rückstufungen von der freieren | |
| Phase in die strengere, geschlossenere Phase gibt und dies Insassen | |
| verzweifeln ließ. | |
| Die taz wollte wissen, ob Rückstufungen geplant sind, ob ein isolierender | |
| Time-Out-Raum geplant ist, und ob – wie einst im umstrittenen Heim | |
| Feuerbergstraße – ein externer Sicherheitsdienst eingesetzt wird. „Diese | |
| Fragen sind Gegenstand von Erörterungen“, sagt Schweitzer. Das vorläufig | |
| erstellte Konzept könne man nicht rausgeben, „da fortlaufend an ihm | |
| gearbeitet wird“. Sicher sei, dass es einen „strukturierten Tagesablauf“ | |
| gibt. | |
| Mit Argusaugen gucken Patrizia Baron (20) und Lucas ter Veen (20) auf diese | |
| Pläne. Sie arbeiten in dem neu eröffneten Büro der „ständigen Vertretung | |
| der Straßen- und Flüchtlingskinder“ am Hamburger Hauptbahnhof, und sehen | |
| sich als Sprachrohr in die Politik. „Viele von uns haben in solchen Heimen | |
| gelebt“, sagt Lucas ter Veen. „Wir wissen, dass das absolut nicht | |
| förderlich ist, schon gar nicht für Flüchtlinge“, ergänzt Patricia Baron. | |
| „Was in so einem Heim an Machtmissbrauch passiert, ist von Außen nicht zu | |
| kontrollieren.“ | |
| Sie selber lebte in einem Phasen-Heim in Mecklenburg, und wird schon | |
| hellhörig, wenn sie hört, dass es verschiedene Ausstattungen gibt. „Heißt | |
| das, in der einen Phase werden die weggesperrt, mit angeschraubten Betten | |
| und Stühlen?“ | |
| Doch auch zur Ausstattung erfährt man nichts Konkretes. Hamburg verweist | |
| auf Bremen. Dessen Sozialbehördensprecher Jens Schneider erklärt, | |
| verschiedene Ausstattungen seien bei Drei-Phasen-Einrichtungen die Regel. | |
| „Je größer die Freiheit der Jugendlichen, desto mehr Angebote stehen zur | |
| Verfügung.“ Konkreter wisse er es nicht: „Das Ganze ist am wachsen.“ | |
| Angeblich sollen sich nun die Jugendhilfeausschüsse beider Städte in einer | |
| Fachveranstaltung damit befassen. Das sei „initiiert“, schreiben die | |
| Bremer. Mitglieder des Hamburger Jugendhilfeausschusses berichten, davon | |
| sei ihnen noch nichts bekannt. | |
| Baron und ter Veen fordern Transparenz und die Offenlegung der Pläne. | |
| Ronald Priess, Mitarbeiter der Linksfraktion, unterstützt ihr Anliegen als | |
| „Botschafter der Straßenkinder“. Er merkt an, dass die Grünen sich kritis… | |
| fragen müssten, ob sie ein Heim mit 32 Plätzen mittragen können. | |
| Schließlich habe Hamburg mit einer „Koordinierungsstelle“ für schwierige | |
| Fälle längst Alternativen aufgebaut. Priess: „Geschlossene Unterbringung | |
| gehört gar nicht in die Jugendhilfe.“ | |
| Der frühere Hamburger Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer findet | |
| zudem die Definition der Zielgruppe fraglich: „Das klingt nach Vorhof der | |
| Abschiebung“, sagt er. Jugendhilfe könne nur „pädagogisch und präventiv�… | |
| auf abweichendes Verhalten und Delinquenz einwirken, sagt Hammer. In | |
| Verbindung mit Strafe und Grundrechtseinschränkungen sei dies | |
| „ausschließlich Aufgabe der Justiz“. | |
| 2 May 2016 | |
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| Kaija Kutter | |
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