# taz.de -- Parteitag der Berliner Linken: Abrechnung mit Schwarz-Rot | |
> Auf ihrem Landesparteitag präsentiert sich die Linke attackenfreudig. Die | |
> innerparteiliche Debatte zum Gaza-Krieg endet gleichwohl mit | |
> Nichtbefassung. | |
Bild: Die Schnauze voll: Linken-Landeschef Maximilian Schirmer | |
BERLIN taz | Pünktlich zum einjährigen Jubiläum der Wahl von CDU-Chef Kai | |
Wegner zum Regierenden Bürgermeister hat sich die Berliner Linke am Samstag | |
ausführlich Zeit genommen für [1][eine Abrechnung mit Schwarz-Rot]. „Die | |
Berliner:innen haben nichts zu feiern“, sagte Landeschefin Franziska | |
Brychcy beim Linke-Parteitag in einem Tagungshotel in Lichtenberg. Viele | |
Menschen in der Stadt hätten jetzt schon „die Schnauze voll“ vom Senat, | |
befand ihr Co-Vorsitzender Maximilian Schirmer. | |
CDU und SPD, so der Tenor, machten konsequent [2][Politik auf dem Rücken | |
der Mieter:innen], Beschäftigten und Geflüchteten. Der Senat betreibe | |
„Klassenpolitik von oben“, trete die direkte Demokratie mit Füßen, spalte | |
die Gesellschaft, [3][verschleudere Geld für Nonsensprojekte wie eine | |
Olympiabewerbung] und betreibe den Ausverkauf der Stadt – ein besser | |
verdienendes Klientel fest im Blick. | |
„Wir sind die soziale Opposition, wir sind der Gegenpol zur CDU“, gab | |
Linken-Parteichef Schirmer vor den gut 140 Delegierten die nicht so ganz | |
überraschende Linie am Samstag vor. Mit der SPD hielt man sich nicht lange | |
auf. | |
Konkret gefordert wurde die Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen | |
& Co enteignen“, eine Erhöhung des Landes- und Vergabemindestlohns von 13 | |
auf 15 Euro brutto, [4][die Hauptstadtzulage für Beschäftigte freier | |
Träger], die Ausweitung des Wohnberechtigungsscheins auf Geflüchtete, die | |
Abschaffung des Konzepts „kriminalitätsbelasteter Orte“ und Zahlreiches | |
mehr –allein im Leitantrag des Landesvorstands. | |
## In der Wiederholung liegt die Kraft | |
Vieles davon ist nicht neu. Vermutlich nichts davon dürfte von CDU und SPD | |
in dieser Legislaturperiode aufgegriffen werden. Es ging augenscheinlich | |
darum, die unterschiedlichen Forderungen knackig zusammenzufassen oder – | |
wie es so schön im Parteideutsch heißt – „zusammenzudenken“. | |
Doch in der Wiederholung liegt die Kraft: Der nächste Wahlkampf ums | |
Abgeordnetenhaus beginnt voraussichtlich in gut zwei Jahren. Mit den Worten | |
von Landeschef Schirmer: „Wir wollen natürlich 2026 in der Position sein, | |
dass niemand an uns vorbeikommt, und legen dafür jetzt die ersten | |
programmatischen Weichen.“ | |
Tatsächlich steht die Linke im Stadtstaat Berlin passabel da. Nicht nur die | |
Mitgliederzahl ist seit Herbst ordentlich gestiegen. Auch liegt die Partei | |
in einer [5][aktuellen Umfrage des RBB] stabil bei 10 Prozent. Kein Grund | |
zum Jubeln, aber angesichts des Umstands, dass die auf 2 bis 4 Prozent | |
Zustimmung taxierte Linke im Bund faktisch am Boden liegt, eben doch | |
beachtlich, wie ein führendes Parteimitglied am Rand des Parteitags zur taz | |
sagte. | |
Umso wichtiger ist es für Schirmer und Brychcy, den Laden zusammenzuhalten. | |
Es komme jetzt auch darauf an, „ob wir geschlossen bleiben und solidarisch | |
diskutieren oder uns öffentlich und persönlich angreifen und demontieren“, | |
appellierte Schirmer an den Parteitag. Und mit Selbstdemontage hat die | |
Partei Erfahrung. Die migrationsfeindliche und russlandfreundliche | |
[6][Abspaltung „Bündnis Sahra Wagenknecht“] lässt grüßen. | |
## Der große Knall blieb aus | |
Auch der Linken-Parteitag ließ größeres Selbstdemontagepotenzial vermuten. | |
Für Nervosität hatten im Vorfeld zwei Anträge aus Neukölln und Mitte | |
gesorgt, [7][die eine propalästinensische Positionierung des Landesverbands | |
zum Krieg im Gazastreifen einforderten], das umstrittene Reizwort | |
„Völkermord“ inklusive. | |
Dezidiert israelsolidarischen Kräften in der Partei trieb das den Puls | |
hoch. Auch der Parteispitze gingen die Formulierungen zu weit. Zusammen mit | |
den Vorsitzenden von acht Bezirksverbänden suchten Franziska Brychcy und | |
Maximilian Schirmer dann auch den Kompromiss und brachten einen eigenen | |
Antrag ein, der die anderen beiden ersetzen sollte. Auch hier wurde ein | |
Ende der Kriegshandlungen verlangt, von einem israelischen „Völkermord“ an | |
den Palästinenser:innen war indes keine Rede. | |
Doch der große Knall blieb aus. Keiner der Anträge wurde am Ende des | |
Parteitags beschlossen oder abgelehnt. Dafür setzte sich ein weiterer | |
Antrag auf Nichtbefassung mit dem Thema mit 68 zu 49 Stimmen durch. | |
„Beschlüsse des Landesverbands Berlin werden nichts an der Situation in | |
Gaza ändern“, plädierte Antonio Leonhardt vom Bezirksverband Lichtenberg | |
für den Nichtbefassungsantrag. Hinzu komme, dass konstruktive Diskussionen | |
zu einem derart emotional aufgeladenen Thema bei einer Redezeitbegrenzung | |
von vier Minuten kaum möglich seien. | |
Die Anträge zu Gaza seien einfach „abgebügelt“ worden, beschwerte sich am | |
Ende der Parteitagsdebatte Ellen Brombacher von der Kommunistischen | |
Plattform in einer persönlichen Erklärung. „So etwas hat negative Folgen,“ | |
drohte die 77-Jährige, die zuvor den Gaza-Antrag aus Mitte begründet hatte. | |
Die Delegierten aus Neukölln und Mitte applaudierten fleißig. | |
28 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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