# taz.de -- Obdachlosigkeit: Take it easy, altes Haus | |
> Die zwei bei der Räumung zerstörten Tiny Houses auf dem Mariannenplatz in | |
> Kreuzberg sollen andernorts wieder aufgebaut werden. | |
Bild: Tiny House am Mariannenplatz, am Tag des Abrisses | |
Nach dem [1][Wirbel] um zwei Tiny Houses auf dem Mariannenplatz, die im | |
Vorfeld der 1.-Mai-Feierlichkeiten zerstört wurden, ist nun klar: Für die | |
beiden Obdachlosen, die darin gewohnt hatten, sollen zwei neue Häuschen | |
gebaut werden. Das Geld dafür hat die Linke-Fraktion von | |
Friedrichshain-Kreuzberg privat gesammelt. Im Bezirk wird nun generell nach | |
einem Standort für Tiny Houses gesucht. Die Aktion sei „keine Glanzleistung | |
aller Beteiligten“ gewesen, resümiert Bezirksbürgermeisterin Monika | |
Herrmann (Grüne). | |
Die zwei 3,2 Quadratmeter kleinen Mini-Häuser waren von obdachlosen | |
Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem Kölner Verein „Little Home“ im | |
Rahmen des Bundeskongresses der Straßenkinder im vergangenen Herbst gebaut | |
worden. Mitorganisator des Kongresses war der Berliner Verein Karuna. | |
Anschließend wurden die Tiny Houses zwei Obdachlosen übereignet, die darin | |
bis Ende April bewohnten. | |
Am 30. April aber, einen Tag vor dem Myfest, wurden die Tiny Houses vom | |
Mariannenplatz geräumt und dabei zerstört. Es folgten Vorwürfe gegen den | |
für die Grünfläche zuständigen grünen Baustadtrat von | |
Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt – vor allem von Linkspolitikern | |
des Bezirks. Auch die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben aufgrund einer | |
Anzeige wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung. | |
Ein paar Tage nach dem Vorfall stellt Bezirksbürgermeisterin Herrmann die | |
Sache so dar: Es habe im Januar einen gültigen Beschluss der | |
Bezirksverordnetenversammlung gegeben, der die auf einer öffentlichen | |
Grünfläche nicht zulässigen Tiny Houses noch bis zum Ende der Kälteperiode, | |
also bis Ende März, duldete. Diese Frist sei nochmals bis 30. April | |
verlängert worden, bevor das Ordnungsamt räumen ließ. Warum die | |
Obdachlosenbehausungen dabei zerstört wurden, darüber gebe es | |
unterschiedliche Darstellungen. Jedenfalls habe sie den Vorgang jetzt auf | |
dem Tisch und Stellungnahmen aller Beteiligten angefordert. | |
## Die Obdachlosen sind nicht überrascht worden | |
Der soziale Träger [2][Karuna] steht wohl seit Herbst in Kontakt zu den | |
beiden nun wieder obdachlosen Männern. „Wir haben dafür keinen offiziellen | |
Auftrag, waren aber bei der Errichtung der Tiny Houses dabei und sehen uns | |
in der Verantwortung“, sagt Vorsitzender Jörg Richert der taz. Richert | |
widerspricht der Darstellung diverser Medien, dass die Obdachlosen von der | |
Räumung überrascht worden seien und keine Chance gehabt hätten, ihre | |
persönliche Habe aus den Häusern zu holen. | |
Vielmehr habe es immer wieder Angebote für alternative Standorte gegeben – | |
etwa auf dem Gelände einer angrenzenden Gemeinde. Die beiden Bewohner | |
hätten das aber kategorisch abgelehnt. „Wir haben diese Entscheidung | |
natürlich respektiert, aber es war eben auch klar, dass das Konsequenzen | |
hat.“ Richert legt dar, dass es schwierig gewesen wäre, die Behausungen | |
heil abzutransportieren, da sie wegen ihres Gewichts eingesunken wären. Er | |
habe mit der beauftragten Firma gesprochen: Die Häuser seien beim Versuch, | |
diese anzuheben, zerstört worden. | |
Laut Richert ist aber nun eine Neuerrichtung der Häuschen in Sicht: Die | |
Friedrichshain-Kreuzberger Linke habe privat die nötigen 2.100 Euro | |
gesammelt, um zwei neue Tiny Houses zu errichten. Nun müsse nur noch ein | |
sicherer Standort her. | |
Damit dürfte er auch bei Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) auf | |
offene Ohren stoßen. Tatsächlich werde sowohl im Senat als auch in den | |
Bezirken die Etablierung von Tiny Houses als eine ergänzende Strategie im | |
Umgang mit Obdachlosigkeit diskutiert, wie Bezirksbürgermeisterin Herrmann | |
bestätigt. Die Bezirke seien aufgerufen, dafür mögliche Standorte zu finden | |
und vor allem auch eine adäquate soziale und psychologische Betreuung zu | |
erarbeiten. | |
Auch Richert von Karuna ist überzeugt, dass die Tiny Houses eine Lücke | |
schließen könnten, die derzeit zwischen der Straße und den | |
institutionalisierten Angeboten der Obdachlosenhilfe klaffe. Zusammen mit | |
der Universität der Künste arbeite sein Verein bereits an einer neuen | |
Generation der Minimal-Behausungen, die man im Herbst der Öffentlichkeit | |
vorstellen wolle. | |
5 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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