# taz.de -- OMASGEGENRECHTS über Rechtspopulismus: „Für eine bunte Gesellsc… | |
> Renate Christians und Marion Geisler von OMASGEGENRECHTS über Demos | |
> früher und heute, ihre Sozialisation, das Verhältnis zu jungen | |
> Aktivist:innen. | |
Bild: Zwei OMASGEGENRECHTS: Renate Christians und Marion Geisler (links) am Teg… | |
taz: Frau Christians, Frau Geisler, wann waren Sie das letzte Mal | |
demonstrieren? | |
Renate Christians: Das war letzte Woche, am 5. April, bei einer Kundgebung | |
zum Gedenken an den gewaltsamen Tod von Burak Bektaş vor neun Jahren in | |
Neukölln. Gemeinsam mit seiner Familie und seinen Freunden haben wir uns | |
gefragt, warum dieser rassistisch motivierte Mord noch immer nicht | |
aufgeklärt wurde. | |
Marion Geisler: Meine letzte Demo war am 31. März gegen den Austritt der | |
Türkei aus der Istanbul-Konvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zum | |
Schutz von Frauen vor Gewalt. Dort haben wir unsere Internationale | |
Solidarität mit den türkischen Frauen vor die türkische Botschaft getragen. | |
Sie beide sind Mitgliederinnen der OMASGEGENRECHTS.Berlin. Worum geht es | |
der Initiative? | |
R. C.: Vor allem geht es gegen den Rechtspopulismus. Wir stehen für eine | |
bunte Gesellschaft ein, für Meinungsfreiheit und ganz viel Toleranz. Eben | |
für die Werte einer offenen Gesellschaft. | |
M. G.: Mir ist wichtig, dass wir nicht nur „gegen“, sondern vor allem „f�… | |
sind: Für ein offenes und friedliches Europa. Insbesondere gehört hier eine | |
gute Flüchtlingspolitik dazu. | |
Muss man eigentlich eine echte Oma sein, um bei den Omas mitzumachen? | |
R. C.: Nein. Wir fragen nicht nach Geburtsurkunden der Enkelkinder. (Lacht) | |
Einzige Voraussetzung ist, sich mit dem Begriff OMASGEGENRECHTS zu | |
identifizieren. Es können ja auch Männer zu den Omas. | |
Es sind auch Opas in der Gruppe aktiv? | |
M. G.: Die Opas sind herzlich eingeladen beizutreten. Die meisten haben | |
aber ein Problem mit der Bezeichnung. Ich glaube, Männer in unserem Alter | |
sind es nicht gewohnt, sich in eine Gruppe einzubringen, ohne eine | |
übergeordnete Rolle zu spielen. | |
R. C.: Die wollen immer gleich die Bestimmer sein! (Beide lachen) | |
Die Opas können also mitmachen, müssen sich aber als Omas bezeichnen. | |
M. G.: Sie müssen ganz tapfer den Oma-Button tragen, ja. Das machen auch | |
einige. Vielleicht gelingt es uns ja in Zukunft noch besser, die Opas zu | |
überzeugen. | |
Sind Sie durch Ihre Familien politisch sozialisiert worden? | |
R. C.: Mein Elternhaus war so was von unpolitisch. Zuerst habe ich gegen | |
meine Eltern rebelliert, später war ich dann in der Studentenbewegung | |
aktiv. Ich folgte meinem Gefühl, dass in der Welt etwas nicht richtig | |
läuft: Tschernobyl, Vietnamkrieg, egal wo man hinsah, alles konnte einfach | |
nicht wahr sein. | |
M. G.: Meine Mutter war begeistertes BDM-Mädchen und mein sehr viel älterer | |
Vater ein arisierter Deutschjude und CDU-Mitglied. Mein Opa und mein Onkel | |
dagegen waren glühende Sozialdemokraten. Da wurde sich in Diskussionen | |
nichts geschenkt; manchmal sind Stühle geflogen. Die Auseinandersetzungen | |
fand ich schon als Kind spannend. Mit 16 begann ich mithilfe meines Vaters | |
eine Hotellehre und geriet so ins Berliner Studentenleben. Dort waren wir | |
sofort im Bannkreis um Rudi Dutschke und mittendrin in den | |
Anti-Vietnam-Demos. Da lernten wir auch Polizeiaufgebote und Wasserwerfer | |
kennen. (Lacht) | |
R. C.: In dem Sinne war das mit dem Demos für uns kein Neuland: Manche der | |
neuen Omas zucken ja schon, wenn sie einen Polizeihubschrauber sehen. Uns | |
dagegen macht keine martialisch bewaffnete Polizeibrigade Angst. (Beide | |
lachen) | |
Sie blicken auf ein politisches Leben zurück. | |
R. C.: Zuerst war ich Umweltschutzbeauftrage in der Propsteisynode, einer | |
evangelischen Kirche in Helmstedt. Später war ich in den Friedensgruppen | |
und in der Anti-Atomkraft-Bewegung aktiv. Irgendwann gibt es natürlich eine | |
Phase im Leben, in der man beruflich eingespannt ist. Mit der Rente habe | |
ich wieder angefangen, auf Demos zu gehen. | |
M. G.: Schon mit 16 bin ich in die Jung-Gewerkschaft eingetreten, war | |
Schülersprecherin, später Elternvertreterin, Wahlhelferin, | |
Flüchtlingshelferin und noch so vieles mehr. Mein politisches Engagement | |
zieht sich durch mein ganzes Leben. In den 1990er Jahren wurde ich dann in | |
der Spandauer Bürgerbewegung gegen rechts aktiv. Das war wegen der | |
Rudolf-Heß-Aufmärsche. Zu Hitlers Geburtstag zogen NPD und Republikaner vor | |
das Gefängnis, wo Heß sich das Leben genommen hat. Schließlich hat unser | |
Protest bewirkt, dass das Gefängnis abgerissen und der Platz nach der | |
NS-Widerstandsgruppe Weiße Rose benannt wurde. | |
Wann wurde Ihnen klar, dass es jetzt gilt, sich gegen rechts zu | |
positionieren? | |
R. C.: Für mich ist das einfach eine Grundvoraussetzung politischen | |
Denkens. Jeder müsste gegen rechts sein, da reicht ein Blick darauf, was | |
die Nazis geschaffen haben oder was die AfD an Sprüchen loslässt. | |
M. G.: Ein wirklicher Wachrüttler war für mich der NSU-Nagelbombenanschlag | |
in der Keupstraße in Köln. Schon damals gab es ja das Gerede, dass das | |
Familienclans gewesen seien. Ich war am nächsten Tag vor Ort, und mir war | |
sofort klar: Das waren Nazis. In Hoyerswerda brannten ja schon die | |
Flüchtlingsheime. Da war klar: Die Gesellschaft muss sich auflehnen. | |
Es gibt die extreme Rechte in Deutschland nicht erst seit der AfD. 1968 | |
erhielt die NPD in Baden-Württemberg fast 10 Prozent, 1989 die Republikaner | |
in Westberlin über 7 Prozent. | |
M. G.: Stimmt. Ich habe einmal Franz Schönhuber, dem Bundesvorsitzenden der | |
Republikaner, einen Leserbrief geschrieben. Da bekam ich ein Schreiben | |
zurück mit einem Galgen und dem Schriftzug „Du hängst“. Ich dachte damals, | |
die gehen bald unter. Sind sie aber nicht. | |
Gibt es heute eine neue Qualität beim Rechtsextremismus der AfD? | |
R. C.: Die Salonfähigkeit. Dass Menschen anderer Nationalitäten derartig | |
diskriminiert werden können, noch dazu im bürgerlichen Mantel. | |
M. G.: Und das Selbstbewusstsein. Dass sie sich mitsamt ihren Fahnen und | |
Tätowierungen auf die Straße trauen. Wohlwissend, welchen Schrecken sie | |
verbreiten. | |
Vonseiten der extremen Rechten wird immer wieder das Bild der durch | |
Migrant:innen bedrohten Rentner:innen gezeichnet. Was entgegnen die | |
Omas dem? | |
R. C.: Wenn wir für die Rechte von Geflüchteten demonstrieren, heißt es von | |
denen, wir sollten uns doch einen nach Hause nehmen, damit wir was für | |
zwischen die Beine haben. So bedroht sehen die uns also gar nicht. Sie | |
„gönnen“ uns ja sogar noch was. (Beide lachen) | |
M. G.: Genau, da braucht’s Humor. In Halle (Saale) gibt es einen | |
stadtbekannten Rechtsextremisten, Sven Liebich, der einige Omas bedrohte. | |
Da sind wir mit 80 Omas aus ganz Deutschland auf einer Veranstaltung von | |
ihm aufgetaucht. „Jetzt komm her!“, haben wir gerufen und dabei getrommelt | |
und gepfiffen. Das war toll, die mussten rennen, als sie uns gesehen haben. | |
Die Polizei hat die Nazis dann mit mehreren Wannen vor uns Omas beschützt. | |
(Beide lachen) | |
Wie hat sich der antifaschistische Widerstand im Vergleich zu etwa den | |
68er-Protesten verändert? | |
M. G.: 1968 ging es darum, die Nazi-Vergangenheiten ins Tageslicht zu | |
rücken. In der bleiernen Adenauer-Zeit ist ja alles unter den Teppich | |
gekehrt worden. Bis heute wurde zu wenig aufgedeckt, etwa in Hinblick auf | |
die Nazivermögen. Auch die von den Nazis benannten Straßen müssen endlich | |
umbenannt werden. | |
R. C.: Die 68er-Proteste richteten sich gegen andere Sachen: Den | |
Vietnamkrieg, die autoritären Regierungen, Tschernobyl. Das waren linke | |
Proteste gegen starre gesellschaftliche Formen. Das lässt sich nicht | |
vergleichen. | |
M. G.: 1968 ist auch nicht der richtige Bezugspunkt. Wir müssen aufpassen, | |
dass sich 1933 nicht wiederholt! Das ist die Gefahr: Wieder haben wir ein | |
Vielparteiensystem, wieder wird die europäische Frage neu gestellt. Das | |
verängstigt viele Menschen. Da müssen wir peinlichst aufpassen, dass die | |
Nazis nicht alles zerstören, was wir erkämpft haben. | |
Also keine Entwarnung, trotz der kürzlichen Wahlverluste der AfD? | |
R. C.: Nein. Auch weil nicht nur die AfD, sondern überall in Europa die | |
rechten Parteien Anhänger:innen haben. Eigentlich bin ich ein echter | |
Fan der europäischen Idee. Aber viele osteuropäische Länder werden | |
autoritär regiert. Da werden Pressefreiheit und Frauenrechte eingeschränkt. | |
Dazu die unerträgliche Situation in den griechischen Flüchtlingslagern oder | |
in denen an den Außengrenzen. Wenn ich an Frontex denke, diese europäische | |
Wehrmacht gegen die Flucht, dann wird mir schlecht. | |
Wie haben Sie beide die Coronademos erlebt? | |
M. G.: Ich war auf dem Aufmarsch im August in Mitte, wo später die | |
Reichstagstreppen gestürmt wurden. Das war für mich ein einziger | |
Karnevalszug: Gandhi-, Jesus- und „John Lennon lebt“-Schilder. Daneben die | |
„Heil Hitler!“-schreienden Reichsflaggenträger. Wir haben uns nur | |
angebrüllt, für mich war das die Hölle. Und dieser Begriff, Querdenken, mit | |
dem habe ich Probleme. Als wir die Notstandsgesetze infrage gestellt haben, | |
war das auch Querdenken. Doch heute wird ja nicht gesagt, wofür oder | |
wogegen quergedacht wird. Würden sie das sagen, wäre schon viel gewonnen. | |
R. C.: Bei den Coronademos fühlte ich mich deplatziert. Viele wollten | |
einfach nur reden. Da bringt es nichts zu rufen: „Ihr marschiert mit | |
Rechten“. Da muss man zuhören und fragen: „Wo drückt der Schuh?“ | |
Aber wenn doch NPD- und AfD-Kader mitmarschieren? | |
M. G.: Ja, das muss man laut sagen, das geht nicht. Und die Nazikader sind | |
ja offensichtlich anwesend. Die Organisatoren müssten sich da klar | |
distanzieren und Nazis eindeutig ausschließen … | |
… was nicht passiert. | |
R. C.: Bei dem „Wir müssen reden“-Marsch in Steglitz, da hat sich der | |
Veranstalter schon distanziert. Er sagte auch, dass er nicht jeden fragt, | |
welche politische Richtung er hat. Aber da gab es niemanden mit rechten | |
Bannern oder Buttons. Ich glaube, die muss man von den mit Nazis | |
durchsetzten Querdenkern unterscheiden. | |
Hier war der Gegenprotest also nicht gerechtfertigt? | |
R. C.: Ich wollte zumindest kein Teil davon sein. Das kann ja jeder selbst | |
entscheiden. | |
M. G.: Ich habe weiter teilgenommen. Ich habe das so empfunden, dass ich | |
nicht gegen die Demonstration als solche demonstriere, sondern zeige, dass | |
ich eine Oma gegen rechts bin. Dass ich genau hinsehe, wer da läuft. Dafür | |
wurde mir auch aus der Demo Sympathie gezeigt. | |
Sie tragen beide sogenannte „Pussyhats“, also selbst gestrickte Wollmützen, | |
die im Rahmen US-amerikanischer Proteste für Frauenrechte entstanden sind. | |
Die Omas sind also auch Feministinnen? | |
R. C.: Alle. Durch die Reihe. Alle Feministinnen. | |
Dazu passt, dass sich die Omas dem Aktionsjahr gegen den Paragrafen 218 | |
StGB angeschlossen haben, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. | |
Wie hängt der Kampf gegen rechts mit dem Kampf für Frauenrechte zusammen? | |
R. C.: Da muss man sich nur die AfD-Äußerungen anhören. Für die AfD gehören | |
Frauen an den Herd. Sie sollen Kinder bekommen und dem Mann ein nettes | |
Zuhause bieten. Das ist eine antifeministische, patriarchale Partei. | |
M. G.: Schon 1968 haben wir gegen Paragraf 218 protestiert, auch gegen | |
Paragraf 175, der Homosexualität unter Strafe stellte. Das Frausein und der | |
Kampf für die eigenen Rechte wird alle Generationen verfolgen. Und Erdoğan, | |
Orbán und Co. zeigen: Frauenrechte werden wieder beschnitten! Die | |
polnischen Frauen kämpfen um ihre körperliche Autonomie. Wenn Frauen nicht | |
mehr entscheiden dürfen, ob sie ihre Kinder austragen, wird ihnen alles | |
genommen. | |
Laut Grundsatzpapier der Omas geht es auch darum, die „ältere Frau als | |
öffentliche politische Kraft“ ins „kollektive Bewusstsein“ zu bringen. W… | |
ist damit gemeint? | |
R. C.: Wir wollen nicht als Oma mit Kopftuch und Schürze, sondern als | |
agierende Frauen wahrgenommen werden. Anders als unsere Mütter werden wir | |
auch so gesehen: Egal wo wir sind, junge Menschen sind von uns begeistert. | |
Politischer Protest ist Sache aller Generationen. | |
M. G.: Wir sind einfach lebendige Omas am Puls der Zeit. Wir haben ja auch | |
noch Sex! (Lacht) Wir wollen laut und bunt sein, einfach nicht zu | |
übersehen! | |
Besonders präsent sind die Omas auch auf Demos von Fridays for Future. | |
Welche Entwicklung hat die Klima- und Umweltbewegung durchgemacht? | |
M. G.: Wir haben großartige Erfolge erzielt. Vor 30 Jahren demonstrierten | |
wir gegen Atomkraftwerke – und die werden jetzt abgeschaltet. Sich auf die | |
Gleise zu legen, hat sich also gelohnt. | |
R. C.: In meiner Zeit als kirchliche Umweltbeauftragte habe ich mich dafür | |
eingesetzt, dass die Müllverbrennungsanlagen verboten werden. Wurden sie | |
nicht – aber ein neuer Filter wurde eingebaut. Das sind kleine Gedanken, | |
die wirklich wichtig sind. All das ist aber nichts gegen die For | |
Future-Bewegung. | |
Die Omas stoßen sicher auf viel Zustimmung, wenn sie auf FFF-Demos | |
unterwegs sind. Hat man Ihnen dort schon mal vorgeworfen, Teil der | |
umweltsündigen Generation zu sein? | |
R. C.: Natürlich machen wir uns Gedanken darüber, was wir früher nicht | |
richtig gemacht haben. Ich war Raucherin. Im Auto, mit den Kindern drin. | |
Das war völlig egal. | |
M. G.: Wir sind auch ohne Kindersitze in den Urlaub gefahren – und haben | |
gequalmt! | |
R. C.: Und die haben überlebt! (Beide lachen) | |
M. G.: Mein Sohn sagt heute: Mama, davon können noch Spätschäden kommen. | |
Der ist jetzt 50, verliert gerade alle Haare und sagt nun, das wäre mein | |
Nikotin. (Beide lachen) | |
In der Hymne der Österreicher OMAS heißt es: „Die Neoliberalen/ bereiten | |
uns ein Grab./ Das Grab heißt Märkte, Märkte!/ und wir saufen derweil ab.“ | |
Gibt es auch bei den Berliner Omas einen kapitalismuskritischen | |
Grundkonsens? | |
R. C.: Nein, ich denke nicht. Das ist auch nicht unser Anliegen, da | |
irgendwem etwas vorzuschreiben. Wir würden dann auch weniger Omas sein. | |
M. G.: Wir sind ja ganz unterschiedliche Charaktere und aus allen sozialen | |
Schichten. Bei uns protestiert die Putzfrau neben der | |
Wirtschaftswissenschaftlerin. Das gefällt mir an der Initiative so gut, | |
dass keine Unterschiede gemacht werden. Uns eint die Ablehnung von | |
Faschismus und Rechtsextremismus. Das steht drauf, und das ist auch drin. | |
Kapitalismuskritik sparen wir uns fürs Private auf. | |
Über die sozioökonomischen Ursachen von Xenophobie könnten die Omas schon | |
sprechen, oder? | |
M. G.: Sicher. In den 1930er Jahren war es die große Arbeitslosigkeit, | |
heute ist es die Angst vor solchen Verwerfungen. Aber die Ursachen zu | |
analysieren ist für uns kein vorrangiges Thema. Uns geht es darum, dass | |
sich diese mörderische Ideologie nicht ausbreitet. | |
Können jüngere Aktivist:innen etwas von den Älteren lernen? | |
R. C.: Nein, die Jungen sollen uns nicht kopieren, sondern rausgehen und | |
machen. Sie sollen wild und laut sein und auf ihre Weise protestieren. Wir | |
machen einiges anders, auch weil wir manches nicht mehr können. | |
M. G.: Ich erinnere mich an die Blockade des „Dritten Wegs“ in | |
Hohenschönhausen. Da hat die Jugend fünf Stunden lang die Straße blockiert! | |
Und wie der Schwarze Block aus allen Büschen rauskam: Das war fantastisch! | |
Wir wollen unterstützen, nicht fordern. Wir würden auch Brote schmieren | |
oder Suppe kochen. | |
Wo sind für Sie die Grenzen des politischen Protests? | |
R. C.: Gewalt, ganz klar. Jeder darf laut und radikal sein, aber | |
körperliche Angriffe überschreiten die Grenze. Ein Beispiel sind die | |
Querdenkerproteste in Kassel, wo Journalisten und Polizisten angegriffen | |
wurden. Dass es aus ist, wenn einer auf dem Boden liegt, nennt sich | |
Demonstrationskultur. | |
Wie ist Ihr Verhältnis zur Polizei? | |
R. C.: Persönlich? Gut. Kürzlich hatte ich einen Begleitpolizisten neben | |
mir, das war ein fescher Mann, wir haben uns gut verstanden. (Lacht) | |
Letztlich muss die Polizei uns und die Demo, gegen die wir protestieren, | |
schützen. Doch es gibt immer wieder nicht tolerierbare Übergriffe. Das | |
beobachte ich. Und sage klar: Nicht alle Polizisten machen ihre Aufgabe | |
neutral. Vielleicht lernt die Polizei durch die Querdenkerproteste, die | |
rechte Gefahr ernst zu nehmen. Ich hoffe, dass da ausgemistet wird. Dass | |
die Rechtsradikalen in Polizei, Militär und Ausländerbehörden keine Zukunft | |
haben. Wir werden darauf achten. | |
Es kann also eine Polizei ohne Rechte geben? | |
M. G.: Ich denke schon. Die Zivilgesellschaft schaut ja genau hin. Auch die | |
Journalisten, die immer wieder den Finger in die Wunde legen. | |
Letzte Frage, bitte ergänzen: Ich höre mit dem Demonstrieren auf, wenn … | |
M. G.: … die AfD unter 5 Prozent ist? Nein, eigentlich auch dann nicht. | |
R. C.: Unsere Oma Elisabeth kommt im Elektrorollstuhl zu den Demos. Ich | |
denke, den schaffe ich mir dann auch an, wenn die zweite Hüfte ebenfalls | |
kaputt ist. (Beide lachen) | |
Korrektur: Im ursprünglichen Interviewtext hieß es: „In Halle (Saale) gibt | |
es einen stadtbekannten Rechtsextremisten, Sven Liebich, der einer Oma | |
einmal drohte, sie zu vergewaltigen.“ | |
Tatsächlich hat Liebich aber nach eigenen Angaben den Omas vorgeschlagen: | |
„So fordern wir Sie, liebe Omas, auf in das nächstgelegene Flüchtlingsheim | |
zu gehen und eure drei, möglicherweise schon vertrockneten Löcher, | |
hinzugeben. Auf, dass es weniger Vergewaltigungen in Deutschland gibt.“ | |
Darauf reagierten die Demonstrantinnen. Die Redaktion | |
18 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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