# taz.de -- Nicht krankenversichert in Coronakrise: Hunderttausende ohne Schutz | |
> Illegalisierte Geflüchtete und andere Menschen ohne Krankenversicherung | |
> haben es derzeit besonders schwer. Die Medibüros schlagen Alarm. | |
Bild: Für Menschen ohne Krankenversicherung ist die Pandemie besonders gefähr… | |
BERLIN taz | Hunderttausende Menschen in Deutschland haben derzeit keine | |
Möglichkeit, sich auf das [1][Coronavirus] testen und behandeln zu lassen | |
oder in Quarantäne zu gehen. Denn Geflüchtete, Migrant*innen, | |
[2][Wohnungslose] sowie Menschen ohne Krankenversicherung haben keinen oder | |
nur beschränkten Zugang zum Gesundheitssystem und zu medizinischer | |
Versorgung. | |
Die bundesweiten Medibüros und Medinetze, die sich für das Recht auf | |
Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen einsetzen, fordern nun in einem | |
offenen Brief an Bundesgesundheits-, Innen- und Arbeitsministerium sowie an | |
die Gesundheitsministerkonferenz eine schnelle, bundesweite Lösung für die | |
Versorgungssituation ebendieser unversicherten Menschen. | |
Bereits Anfang April hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angesichts | |
der Coronapandemie Regierungen weltweit dazu aufgefordert, Geflüchteten, | |
Migrant*innen, Obdachlosen sowie Menschen ohne Krankenversicherung Zugang | |
zu Coronatests und Behandlung zu geben und finanzielle Barrieren abzubauen. | |
Denn illegalisierte Migrant*innen sind von der Pandemie besonders | |
bedroht. Laut Asylbewerberleistungsgesetz haben diese Menschen Anspruch auf | |
medizinische Behandlung bei akuten oder schmerzhaften Krankheitszuständen. | |
Die Kosten übernimmt in diesem Fall das Sozialamt, welches wiederum gemäß | |
Aufenthaltsgesetz zur Weitergabe der Daten an die Ausländerbehörde | |
verpflichtet ist. „Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung droht somit eine | |
Abschiebung“, erklärt Maria Hummel, die den offenen Brief mitverfasst hat. | |
## Frankreich macht es besser | |
„Viele Menschen, die sich derzeit bei uns melden, sind extrem | |
verunsichert“, berichtet Hummel. In den meisten Fällen könnten die | |
Berater*innen jedoch nicht weiterhelfen, da bis heute weder | |
Kostenübernahmen, Zuständigkeit noch Verfahrensweise für unversicherte | |
Menschen verbindlich geregelt seien. „Die Gesundheitsämter sind zudem | |
überlaufen und nicht auf diese Zielgruppe vorbereitet“, bemängelt Hummel, | |
die Aktivistin beim Medibüro Berlin ist. | |
Die Medibüros fordern nun die sofortige, ausnahmslose und dauerhafte | |
Eingliederung von allen unversicherten Menschen in das reguläre gesetzliche | |
Krankenversicherungssystem, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, sowie die | |
vollständige Abschaffung der Übermittlungspflicht gemäß Aufenthaltsgesetz. | |
Anders ist die Situation zum Beispiel in Frankreich: Dort gibt es eine | |
kostenlose Krankenversicherung für illegalisierte Menschen. Die Aide | |
médicale d’Etat (AME) bietet rund 300.000 Menschen einen Zugang zur | |
Regelversorgung ohne die Gefahr einer drohenden Abschiebung. Grund hierfür: | |
Krankenversicherung und Innenministerium sind klarer voneinander getrennt, | |
eine Übermittlungspflicht existiert nicht | |
Trotzdem: Die Pandemie verschärfe lediglich den Normalzustand und spitze | |
die tägliche Ausgrenzung und Entrechtung zu und mache bereits bestehende | |
strukturelle Defizite von medizinischen Parallelsystemen sichtbar, | |
kritisiert die Organisation. „Wir brauchen nun bundesweit einheitliche | |
Lösungen, um allen das Menschenrecht auf eine sichere gesundheitliche | |
Versorgung gewährleisten zu können“, sagt Hummel. | |
Und das Gesundheitsministerium? Auf taz-Anfrage verweist es auf das | |
Asylbewerberleistungsgesetz, das die Gesundheitsfinanzierung für | |
Asylbewerber*innen bis zum Asylentscheid regelt. Zum offenen Brief will es | |
sich nicht äußern. | |
15 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Luisa Kuhn | |
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