# taz.de -- Flüchtlingsunterkünfte in Quarantäne: „Sie fühlen sich abgesc… | |
> In einer Flüchtlingsunterkunft in Baden-Württemberg wurde die Hälfte der | |
> Insassen positiv auf Corona getestet. Es ist eine Katastrophe mit Ansage. | |
Bild: Ausgangssperre und Kontaktverbot für Infizierte in der Landeserstaufnahm… | |
Karlsruhe taz | Berthold Weiß, der sonst recht zugängliche Leiter der | |
Erstaufnahmestelle in Ellwangen, lehnt ein Interview ab, „Das ist eine | |
Sondersituation“, sagt er. Rex Osa von der Geflüchteteninitiative spricht | |
von „Chaos“ auf dem ehemaligen Kasernengelände in Ellwangen. Seit dem | |
Wochenende ist bekannt, dass in einer der vier Landeserstaufnahmestellen | |
(LEA) in Baden-Württemberg über die Hälfte der Bewohner [1][corona]positiv | |
getestet worden sind. Eine Zahl, die nur eine Momentaufnahme darstellt, | |
weil sich die Bewohner, bis das Testergebnis vorlag, weiter untereinander | |
anstecken konnten. | |
Ellwangen, eine Unterkunft, die wegen eines Polizeieinsatzes schon | |
bundesweit [2][für Schlagzeilen gesorgt hat], zeigt besonders deutlich, | |
dass die Flüchtlingsunterkünfte ideale Bedingungen für die Verbreitung des | |
Virus bieten, schließlich leben hier [3][bis zu sechs Menschen in einem | |
Zimmer] mit Gemeinschaftsduschen und Toiletten. Es war eine Entwicklung mit | |
Ansage. | |
Dabei räumt selbst Sean McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ein, | |
die Maßnahmen, die das Land zu Beginn der Pandemie ergriffen habe, „seien | |
gar nicht so schlecht gewesen“. | |
Routinemäßig werden alle ankommenden Geflüchteten in der zentralen | |
Aufnahmestelle getestet und in den Heimen zwei Wochen unter Quarantäne | |
gestellt. Außerdem habe das Innenministerium in den letzten Wochen zum Teil | |
gegen das Murren von Landräten und Bürgermeistern vermehrt Geflüchtete aus | |
den vier Landeserstaufnahmestellen ausquartiert und dezentral untergebracht | |
und so die Lage in den LEAs entzerrt. | |
## Chaotische Zustände | |
Nach ersten Corona-Fällen in Ellwangen war das Gelände der ehemaligen | |
Reinhard-Kaserne bereits seit dem 5. April unter Quarantäne gestellt | |
worden. Das Land hatte dazu ein Freizeitheim im benachbarten | |
Rems-Murr-Kreis angemietet und für die Unterkunft von bis zu 60 Infizierten | |
Flüchtlingen vorgesehen. | |
„Aber die Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge gingen offenbar nicht weit | |
genug“, sagt McGinley. Der Flüchtlingsrat hatte gefordert, Geflüchtete in | |
derzeit ohnehin geschlossenen Pensionen unterzubringen. | |
Das geschah nicht und die Planungen des Regierungspräsidiums wurden vom | |
Virus eingeholt. In der Vergangenen Woche waren alle 500 Geflüchteten auf | |
Corona getestet worden, am Osterwochenende lag dann das erschütternde | |
Ergebnis vor. | |
Deshalb wurde am Wochenende bereits versucht auf dem Gelände | |
Quarantäne-Bereiche zu schaffen, um die 251 positiv getesteten Insassen so | |
gut es geht zu isolieren. Nach Berichten der Geflüchteteninitiative | |
Refugees4Refugees sei diese Aktion zum Teil chaotisch verlaufen. So seien | |
einzelne Gebäudeblocks zu Quarantänestationen erklärt worden. Die Bewohner | |
dieser Blocks hätten aber oft nur per Zufall vom Sicherheitspersonal | |
erfahren, dass sie unter Quarantäne stehen und nicht mehr in der Kantine | |
essen dürfen, obwohl sie ihr Testergebnis noch gar nicht kannten. | |
## Gerüchte machen sich breit | |
Insgesamt seien die positiv Getesteten zunächst nur schleppend und mündlich | |
und oft auch unzuverlässig über ihre Krankheit informiert worden. Ein | |
Erkrankter sei beispielsweise negativ getestet worden, aber dennoch wieder | |
im Quarantäne-Gebäude untergebracht worden. | |
„Das schürt das Misstrauen unter den Bewohnern der LEA“, sagt Rex Osa von | |
Refugees4Refugees. Vor allem bei den traumatisierten Geflüchteten gebe es | |
Vorstellungen, dass die Behörden es gern in Kauf nähmen, dass sich die | |
Insassen infizieren. „Die wollen, dass wir krank werden“, sagten manche. | |
Besonders seit die Infizierten nicht mehr in den Bereich des Geländes | |
gelangen können, wo ein stabiles WLAN erreichbar ist, wucherten die | |
Gerüchte. „Sie fühlen sich abgeschnitten“, sagt Osa, der persönliche | |
Kontakte in die LEA per Telefon pflegt. Am Freitag protestierte eine | |
Abordnung der Geflüchteten bei der Heimleitung über die unstrukturierten | |
Maßnahmen. | |
Immerhin, nach Angaben des Regierungspräsidiums, wurden nach den Feiertagen | |
alle betroffenen Heimbewohner schriftlich und in mehreren Sprachen darüber | |
informiert, wie ihr Testergebnis ausgefallen ist. Die WLAN-Abdeckung sei | |
inzwischen auch im Quarantänebereich gesichert. Nur die dezentrale | |
Unterbringung ist aufgrund der schieren Zahl an Krankheitsfällen nicht | |
möglich. In das dafür vorgesehene Freizeitheim sind bislang nur vier | |
Erwachsene und fünf Kinder eingezogen | |
15 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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