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# taz.de -- Neue SPD-Chefs auf dem Parteitag: An die Spitze balanciert
> Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind neue SPD-Chefs. Ihr Ergebnis
> ist mehr als ordentlich – dank kluger Bewerbungsreden.
Bild: Siegestaumel: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sind die neuen Vors…
Die neuen SPD-Vorsitzenden mussten auf dem SPD-Parteitag die Erwartungen
derer dämpfen, die auf ein schnelles Aus der Großen Koalition hofften. Sie
mussten aber auch den Eindruck vermeiden, als Tiger gestartet und als
Bettvorleger des regierungswilligen Parteiestablisments gelandet zu sein.
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans balancierten auf diesem schmalen
Grat recht gekonnt.
Esken hielt eine mit wenige Esprit vorgetragene, aber inhaltlich gute Rede,
die Aufbruch, aber auch Kontinuität versprach. Sie, die den Sprung von der
Paketbotin zur Softwareentwicklerin und Politikerin schaffte, wies
natürlich auf ihre Aufstiegsbiografie hin. Sie lobte mit warmen Worten das
von Andrea Nahles entwickelte Sozialstaatskonzept und versprach, den
Niedriglohnsektor auszutrocknen.
Der zentrale Satz lautete: Mit dem Leitantrag gebe die SPD der Großen
Koalition „eine realistische Chance“ auf eine Fortsetzung. Das ist der
Plan. Kein überstürzter Ausstieg, aber auch keine Bestandsgarantie. Eskens
ruhiger Ton war gut gewählt.
Die SPD ist tief im Herzen eine strukturkonservative Partei. Sie mag keine
Revolutionen, Realismus aber umso mehr. Das weiß auch [1][Juso-Chef Kevin
Kühnert]. Die Groko jetzt platzen zu lassen, wäre keine gute Idee für eine
13-Prozent-Partei, die auf das Danach nicht vorbereitet ist. Neue,
unerfahrene ChefInnen, keinE KanzlerkandidatIn, große Unsicherheit in der
Basis und ein geschwächter Vizekanzler. Ein Groko-Aus zu Nikolaus, von dem
manche Jusos träumten, wäre ein Himmelfahrtskommando.
## Signale der Abrüstung
Auch ihr Co-Chef Walter-Borjans machte seine Sache gut. Er kritisierte die
CDU-Vorsitzende für ihre Idee, die Bundeswehr in mehr weltweite Einsätze zu
schicken. Und erwähnte ausdrücklich wichtige Stützen der Regierung. Den
unterlegenene Olaf Scholz, Außenminister Heiko Maas und Fraktionschef Rolf
Mützenich. Beide, so Walter-Borjans, schärften das Profil der SPD als
„Kraft der Friedenssicherung“. Lob für die regierenden Parteifreunde, auch
das sind Signale der Abrüstung. Die Delegierten drückten ihre Wertschätzung
dafür auf. Esken bekam mit 75,9 Prozent ein ordentliches Ergebnis,
Walter-Borjans mit 89,2 Prozent ein sehr gutes.
In dem Leitantrag dimmen die Vorsitzenden die Forderungen herunter, mit
denen sie Wahlkampf vor der Basis gemacht haben. Nichts anderes war zu
erwarten. Beispiel Mindestlohn: Die SPD fordert nicht die sofortige
Anhebung auf 12 Euro, die mit der Union nicht zu machen wäre. Stattdessen
steht im Leitantrag ein weicher Satz: „Unser klares Ziel ist dabei
perspektivisch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro.“
Perspektivisch – das öffnet einen Verhandlungskorridor für die neue
Parteispitze in der Großen Koalition. Die oft gehörte These, dass mit den
Neuen das Bündnis enden müsse, könnte sich als falsch erweisen.
## Kampfabstimmung abgeblasen
Störendes wurde beim Parteitag klug weggebügelt. Eine erwartete
Kampfabstimmung [2][zwischen Hubertus Heil und Kevin Kühnert] um einen
Vizeposten wurde von der Parteispitze abgeblasen. Der Arbeitsminister steht
wie kaum ein anderer für die Groko, der Juso-Chef dagegen. Ein Votum des
Parteitages wäre in die eine oder andere Richtung gelesen worden.
Die SPD-Spitze schaffte lieber neue Posten, als diesen Showdown zuzulassen.
Statt wie geplant drei wird es in Zukunft fünf Vizes geben. Ob dies den
Telefonkonferenzen des Vorstands gut tut, sei dahin gestellt. Aber die
versöhnliche Geste ist wichtiger. Es gilt, eine verunsicherte, gespaltene
Partei zu einen.
Den meisten Applaus bekam Walter-Borjans, als er sich an dem „Linksruck“
abarbeitete, den viele Leitmedien witterten. Wenn es links sei, mehr für
Menschen mit wenig Geld zu tun, wenn es links sei, auf sozialen Wohnungsbau
zu setzen, dann „sind wir links“. Das könnte ein zukunftstaugliches
Versprechen sein.
6 Dec 2019
## LINKS
[1] /Gesine-Schwan-ueber-Kevin-Kuehnert/!5647806
[2] /SPD-und-neue-Vorsitzende/!5643841
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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