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# taz.de -- Generationenbashing in der Politik: Alter? Ist doch ganz egal
> Erst der Youtuber Rezo, nun Kevin Kühnert: Warum das Geburtsdatum in
> politischen Debatten keine Rolle spielen sollte.
Bild: Sein Video „Zerstörung der CDU“ ist der Youtube-Hit des Jahres: Rezo
Junge Leute haben gemeinsam, dass sie jung sind, und das ist weder eine
tolle Eigenschaft noch eine schlechte. Überzogene Hoffnungen, die Ältere
oft mit ihnen allein wegen des Geburtsdatums verbinden, sind vor allem
eines: Kitsch. Während Kritik an ihrer mangelnden Erfahrung meist ohne
weitere Argumente auskommt, sondern sich lediglich nörglerisch und schlecht
gelaunt präsentiert.
Thomas Mann war etwas jünger als Rezo, der erfolgreichste deutsche YouTuber
dieses Jahres, als er die „Buddenbrooks“ veröffentlichte. Gerade das
Bildungsbürgertum sollte nicht panisch reagieren, wenn sich Leute mit Mitte
20 oder Anfang 30 zu Wort melden und gehört werden. Sonst ist es mit der
Bildung offenbar nicht weit her.
Das Video „Die Zerstörung der CDU“, mit dem Rezo die Union in Not brachte,
ist inzwischen mehr als 16 Millionen Mal geklickt worden. Damit lässt sich
kein Nobelpreis gewinnen. Aber durchaus der Anspruch ableiten, ernst
genommen zu werden.
Sebastian Kurz wurde im Alter von 31 Jahren österreichischer Bundeskanzler.
Gegen seine Politik fällt mir vieles ein. Sein Alter ist mir egal. Übrigens
hat er sein ganzes bisheriges Leben als Erwachsener in der Politik
verbracht und sein Studium nie abgeschlossen. Genau wie der deutsche
Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, 30.
Viele der Argumente, die in den letzten Tagen gegen diesen ins Feld geführt
wurden, sagen mehr über die – meist männlichen – Leserbriefschreiber und
Nutzer sozialer Medien aus als über ihn. Der hat doch noch nie gearbeitet,
der soll mal früh um sechs auf den Bau gehen müssen.
Ich wünsche all denen, die so etwas schreiben, dass sie einmal mit der
Führung einer Organisation betraut werden, die etwa 80.000 Mitglieder hat.
Wie die Jusos. Kevin Kühnert hat es nicht nur geschafft, den Laden
zusammenzuhalten, sondern sogar, ihn wieder zu einer wichtigen politischen
Kraft zu machen. Kompliment.
Das ändert allerdings nichts daran, dass seine Öffentlichkeitsarbeit in den
letzten Tagen überraschend dämlich war. Wer sich mit ihm solidarisieren
wollte, hatte es nicht leicht. Zwei Saltos rückwärts, einige
Ausfallschritte und ein Purzelbaum nach vorne lösten Ratlosigkeit aus. Was
will er denn nun? Groko ja, Groko nein – oder hat er in diesem Zusammenhang
niemals eine Forderung gestellt? Auch nicht die, den Koalitionsvertrag neu
verhandeln zu wollen?
Kühnert selbst erklärte sich auf Twitter. „Was ich tatsächlich empfohlen
habe: Entscheidungen vom Ende her durchdenken und dabei keine Angst zu
haben. War wohl schon wieder zu komplex.“ Das Publikum ist also zu blöd, um
ihn zu verstehen. Dabei gebe ich mir doch solche Mühe.
Borniertheit ist kein Alleinstellungsmerkmal von Älteren. Rezo schreibt
eine [1][Kolumne bei Zeit Online]. Kürzlich hat er sich dort mit der
Generation der Babyboomer, also der Jahrgänge zwischen 1955 und 1969,
beschäftigt: „Es ist völlig okay, wenn Leute irrationale und respektlose
Statements von Euch mit ‚OK, Boomer‘ abqualifizieren.“ Das sei „heilsam…
wichtig“ angesichts dessen, was „die mächtige und privilegierte
Boomergeneration, Eure Generation, den Jüngeren ständig vor den Kopf
knallt.“
Kennt Rezo tatsächlich Leute, die so reden? Also im wirklichen Leben, nicht
wenn er auf der Suche nach einem Kolumnenthema ist? Dann lebt er in einer
doch sehr kleinen Blase.
Dieser Pseudokonflikt zwischen den Generationen ist vor allem eines:
unfassbar langweilig. Das Geburtsdatum ist keine Begründung für oder gegen
irgendetwas, und es ist auch kein Klassenstandpunkt. Zurück zur Sache.
Bitte.
7 Dec 2019
## LINKS
[1] /Neuer-Kolumnist-bei-Zeit-Online/!5633485
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kolumne Macht
Kevin Kühnert
Rezo
Norbert Walter-Borjans
Gesine Schwan
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