# taz.de -- Neue Leitung der Gemäldegalerie Berlin: Zur Expansion verdammte Ru… | |
> Die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist mehr oder minder | |
> gescheitert. Was bleibt, sind kleine Reparataturen im Detail. | |
Bild: Leidet unter „Dysfunktionalität“ der Verwaltung: Das Kulturforum am … | |
Die gute Nachricht ist die schlechte: Der Totalumbau der | |
bundesunmittelbaren Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), den ein im | |
letzten Sommer veröffentlichtes [1][Gutachten des Wissenschaftsrats] | |
empfohlen hatte, ist vom Tisch. Aus der Pressemeldung der | |
Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters, klingt | |
fast ein bisschen Stolz. | |
Die Reformkommission unter ihrer Leitung hätte nur sechs „mehrstündige | |
Sitzungen“ gebraucht, um die „Eckpunkte einer Strukturreform“ zu setzen. | |
So, dass die Empfehlungen der WR-Gutachter weitgehend folgenlos bleiben. | |
Der dringende Befreiungsschlag, mit dem sich die Stiftung wieder | |
flottmachen ließe, steht weiter aus. | |
Schade. Denn bei der von Grütters 2018 bestellten Evaluation waren keine | |
Museumsstürmer am Werk, die der schon dem Namen nach traditionsverkrusteten | |
Preußenstiftung aus Prinzip an den Kragen wollten. Im Gegenteil hob der | |
Wissenschaftsrat die Fachkompetenz einzelner Einrichtungen – etwa | |
Staatsbibliothek und Staatsarchiv – hervor. Im Argen lägen aber die als | |
Staatliche Museen zu Berlin (SMB) mit eigener Generaldirektion | |
organisierten Häuser. Das war selbst für wohlmeinende Besucher längst | |
unübersehbar. | |
Die Probleme sind bekannt. Ein Knackpunkt ist hierbei die Finanzierung. | |
2020 standen für 19 Häuser gerade mal 4,6 Millionen Euro Ausstellungsetat | |
zur Verfügung, pro Haus rechnerisch rund 240.000 Euro. Ein Nichts, wenn man | |
an die Nationalgalerien, die Touristenattraktion Museumsinsel, allen voran | |
das Pergamonmuseum denkt – oder den Hamburger Bahnhof, dessen Zukunft als | |
Museumsstandort ungewiss ist. Aber nicht nur im Inhalt, auch beim Unterhalt | |
ihrer Einrichtungen kommt die SPK nicht mehr hinterher, bemängelt auch der | |
Bundesrechnungshof. | |
## Dysfunktionalität der Verwaltungs- und Führungsstruktur | |
Schwer wiegt die sprichwörtliche, im Gutachten umfassend belegte | |
„Dysfunktionalität“ der Verwaltungs- und Führungsstruktur der SPK mit rund | |
2.000 Beschäftigten – unter Aufsicht eines mit Bund- und Ländervertretern | |
praxisfern besetzten Stiftungsrats. Kompliziert ist zudem die von Bund und | |
Ländern gemeinsam getragene Finanzierung. | |
Mit Ausnahme Berlins als Sitzland sind die Länderbeiträge zum SPK-Betrieb | |
seit Mitte der 1990er Jahre auf Kleinbeträge gedeckelt (derzeit gesamt rund | |
49,3 Millionen), der Bund trägt aktuell 148 Millionen. Den Bauetat, weitere | |
131,2 Millionen im laufenden Jahr, finanziert er allein. Trotz | |
Sanierungsstaus wächst die SPK gleichwohl kräftig weiter. | |
Gerade unter Grütters’ Ägide tut sich der Bund mit der Unterstützung | |
ambitionierter Neubauten wie der 2019 eröffneten James-Simon-„Garderobe“ | |
(134 Millionen) oder dem [2][Neubau des Museums des 20. Jahrhunderts] | |
hervor (prognostiziert sind von 360 Millionen). | |
Kein Wunder, dass die SPK als zum Expansionskurs verdammte Ruine ein | |
zwiespältiges Bild nach außen abgibt. Im Inneren ist verantwortungsvolle | |
Museumsarbeit zugleich nicht zu leisten. Die von den Reformern nun | |
erarbeitete „ehrgeizige Roadmap“, Wortlaut Staatsministerin, sieht | |
angesichts der Riesenmisere aber nur ein schmales – vom Stiftungsrat | |
seither gebilligtes, von den Museumsdirektionen begrüßtes – Maßnahmenpaket | |
vor. | |
## Der Wegfall einer Hierarchieebene | |
Oberstes Reformziel sei es demnach, die „Autonomie“ der Einrichtungen | |
„deutlich zu stärken“ und dabei einen „echten Mehrwert“ festzustellen. | |
Dieser läge „im breiten Fächerspektrum mit inter- und transdiszplinären | |
(sic) Perspektiven“. Das klingt, holprig, nach einem wohlfeilen Argument | |
für den SPK-Erhalt. | |
Organisatorisch soll der Abbau einer Hierarchieebene – die | |
SMB-Generaldirektion – Spielraum bringen. Neu komme ein leitendes | |
„Kollegialorgan“ mit wechselnden Vertretern aus den Einrichtungen. Und für | |
Verwaltung, IT und Bau wäre künftig ein „Servicezentrum“ zuständig. Es s… | |
„hierarchisch nicht über den Einrichtungen“ stehen, „sondern neben ihnen… | |
Wer beim Blick auf diese dick mit neoliberalem Reform-Sprech markierte | |
„Roadmap“ misstrauisch wird, hört besser nicht hin, wenn Grütters, im | |
Tagesspiegel kürzlich auf die Unterfinanzierung der Museen angesprochen, | |
diese ermuntert, doch mehr Drittmittel zu akquirieren: Andere Museen seien | |
damit „sehr erfolgreich“. | |
Nicht, dass man bei den SMB nie auf die Idee gekommen wäre. Schade nur, | |
dass man ohne Budgethoheit der Häuser bisher Löcher im Betriebshaushalt | |
stopfen musste und, so ganz nebenbei, immer mehr von den Interessen Dritter | |
abhängig wurde – Privatsammlern zum Beispiel. Die politische Konstruktion | |
der SPK ist das Problem. Doch wo die Reform am dringendsten ist, schaut man | |
gar nicht erst hin. | |
Auch die neue Personalie passt ins Bild. [3][Dagmar Hirschfelder], die auf | |
den scheidenden SMB-Generaldirektor Michael Eissenhauer – nur noch – als | |
Direktorin der Gemäldegalerie folgt, liegt, so ist zu lesen, ganz besonders | |
die „interdisziplinäre, gattungsübergreifende Kooperation mit den | |
verschiedenen Institutionen der SPK“ am Herzen. Dann kann das 21. | |
Jahrhundert ja langsam kommen. | |
8 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Zukunft-der-Preussen-Stiftung/!5694938 | |
[2] /Werke-von-Gerhard-Richter-fuer-Berlin/!5758397 | |
[3] https://www.smb.museum/nachrichten/detail/dagmar-hirschfelder-wird-direktor… | |
## AUTOREN | |
Hans-Jürgen Hafner | |
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