| # taz.de -- Netflix-Serie „Wellmania“: So viel Doppelkinn war nie | |
| > Die in Australien sehr berühmte Komikerin Celeste Barber kämpft in der | |
| > Netflix-Serie „Wellmania“ gegen die Pfunde und den Self-Care-Wahn. | |
| Bild: Lauf, Celeste Barber, lauf! | |
| Leute, wer kennt das nicht – wenn wir uns zwischen einer spontanen | |
| Einladung zum Cremant um die Ecke und einer Runde Yoga am Abend entscheiden | |
| müssen, ist das Fleisch schwach, dampfen sich die guten Vorsätze binnen | |
| Minuten auf ein kümmerliches Häuflein ein. So tickt der Mensch (bis auf | |
| wenige Ausnahmen) nun mal und bei Chips und Bier auf dem heimischen Sofa | |
| werden trotzdem ständig Selbstoptimierungspläne geschmiedet. Ab einem | |
| gewissen Alter nicht nur der eigenen Attraktivität, sondern der Gesundheit | |
| wegen. | |
| Die [1][Themen „Wellness“ und „Self care“ touchieren also früher oder | |
| später jeden] und daher war es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Komplex | |
| auch in Serien verhandelt wird. | |
| Seit dem 29. 3. ist auf Netflix die erste Staffel von „Wellmania“ zu sehen. | |
| Die australische Produktion besetzte die Hauptrolle mit der Schauspielerin | |
| und Autorin Celeste Barber, die in ihrer Heimat bereits ein Star ist. | |
| Hierzulande dürfte sie vielen durch Instagram bekannt sein. [2][Auf ihrem | |
| Account stellt sie schonungslos hyperästhetische, bearbeitete Fotos und | |
| Videos von weiblichen Stars nach], indem sie deren unrealistische Posen | |
| übernimmt und der Lächerlichkeit preisgibt. Sollte die Kollegin am | |
| Schreibtisch neben ihnen manchmal aus dem Nichts heraus kichern – gehen | |
| auch sie auf Barbers Insta-Kanal und sie werden es ihr nachtun. Über 9 | |
| Millionen Follower:innen hat sie dort bereits und weiß ihre Popularität | |
| zu nutzen. Bestseller, ausverkaufte Comedytourneen und ein ergiebiger | |
| Spendenaufruf für die Buschfeuer bekämpfende Feuerwehr in Australien (der | |
| leider durch chaotische und undurchsichtige Planung in die Kritik geriet) | |
| sprechen für sich. | |
| Als Schauspielerin über Jahre nur so semibekannt, da eher in Nebenrollen zu | |
| sehen, beweist sie nun, dass sie eine ganze Serie tragen kann. Liv (Celeste | |
| Barber) ist Journalistin mit Spezialgebiet „Food“ und lebt in New York. | |
| Dort führt sie ein Leben außer Rand und Band. Partys, Alkohol, Kokain und | |
| sexuelle Ausschweifungen gehören zu ihrer Tagesroutine. Immer mit großer | |
| Klappe, immer mäandernd zwischen Hot und Schrott, taumelt sie gutgelaunt | |
| und kalauernd durch die Stadt und will eigentlich nur kurz wegen der | |
| Hochzeit ihres Bruders zurück in ihre australische Heimat fliegen, denn ein | |
| wichtiger TV-Job winkt im Big Apple. | |
| Dort angekommen, wird ihr allerdings ihr ungesunder Lebenswandel zum | |
| Verhängnis, als sie ihre Greencard verliert und beim Neuantrag nicht durch | |
| den Gesundheitscheck kommt. Zu hoher Blutdruck, schlechter | |
| Allgemeinzustand. Verzweifelt versucht sie, binnen 4 Wochen wieder in Form | |
| zu kommen, um schnell nach New York zurückfliegen zu können. Dieses | |
| Vorhaben erweist sich natürlich als genauso aussichtslos wie der vielen | |
| bekannte Versuch, 10 Kilo in 5 Tagen wegen eines bevorstehenden Dates | |
| abzunehmen. | |
| Einläufe, Fitnessstudios, Jogginghölle, Pilates – wir sind dabei und leiden | |
| mit ihr, wenn sie immer wieder an ihrer mangelnden Disziplin scheitert. In | |
| wurstpellenartige Sportoutfits gezwängt, wütet sich die Gestresste durch | |
| Down Under. Barber zeigt ihren Körper in allen erdenklichen | |
| Verrenkungszuständen. Sie ist umwerfend, weil ihr für heutige Verhältnisse | |
| ungewöhnlich bewegliches Gesicht Gemütszustände perfekt zu spiegeln vermag. | |
| Mit Doppelkinn und schludriger Frisur steht Liv auf verlorenem Posten, wenn | |
| das pralle, unbezähmbare Leben über sie hinwegrollt. | |
| Erzählt werden aber auch eine durchaus tragische Familiengeschichte, eine | |
| Frauenfreundschaft und eine aufkeimende Liebe. Hier wird es manchmal | |
| mühsam, da Gefühlsduseligkeit und plumpe Albernheiten ins Spiel kommen. | |
| Leider. Trotzdem – die mit jeweils 30 Minuten angenehm kurzen Episoden sind | |
| hochamüsantes Comedy-Gold und ein Plädoyer gegen Optimierungswahn und | |
| Schönheitskult. Wenn Barber als Liv beim Sporteln ein T-Shirt mit der | |
| Aufschrift „Linguini and Clams“ trägt, ist sie fleischgewordene | |
| Entlastungsfantasie für Genussmenschen jenseits der 38. Darauf einen | |
| [3][Grünalgen-Mimosa!] | |
| 4 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rebecca Spilker | |
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