# taz.de -- Neonazi-Angriff in Bad Freienwalde: Nur antifaschistische Selbstver… | |
> Nach einem rechten Überfall auf ein Straßenfest erheben Veranstalter | |
> Vorwürfe gegenüber der Polizei. Diese habe die Gefahr von rechts nicht | |
> ernst genommen. | |
Bild: In Bad Freienwalde ist es zu einem Angriff von mit Schlagwerkzeugen bewaf… | |
Berlin taz | Es ist [1][Sonntagmittag um kurz vor zwölf, als die Angreifer | |
losschlagen]. Eigentlich geht das Straßenfest in Bad Freienwalde erst in | |
ein paar Minuten offiziell los, aber zahlreiche Besucher*innen tummeln | |
sich schon auf dem Marktplatz, vielleicht 50 Leute oder mehr, auch mehrere | |
Familien mit Kindern. Alles ist vorbereitet, an den Ständen mit Kaffee und | |
Kuchen und dem internationalen Essen, für den Graffitiworkshop und das | |
Kinderschminken. Es hätte ein entspannter Sonntagnachmittag werden können, | |
an dem das Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“ mit dem Fest ein Zeichen | |
setzen wollte für eine vielfältige Gesellschaft und gegen | |
Queerfeindlichkeit, Hass und den Rechtsruck in der Region. | |
Doch um kurz vor zwölf Uhr stürmen rund ein Dutzend Vermummte auf den | |
Platz. Sie rennen zwischen den Ständen hindurch, vorbei an der Kinderecke, | |
reißen eine Fahne am Stand der Grünen nieder und greifen Umstehende auf dem | |
Marktplatz an. Mindestens zwei Menschen bekommen einen Schlag ins Gesicht. | |
So berichten es drei Augenzeugen unabhängig voneinander der taz. [2][Auch | |
in einem Video des Senders RBB ist zu sehen], wie einer der Angreifer mit | |
Trainingshose und Sturmhaube einem Mann mit der Faust heftig ins Gesicht | |
schlägt. | |
Nicht alle Anwesenden haben alles überblickt und sofort begriffen, was da | |
passierte. Tom Kurz, Mitarbeiter der Beratungsstelle für Opfer rechter | |
Gewalt in Märkisch-Oderland, war selbst vor Ort. Er sagte der taz, | |
mindestens einer der Angreifer habe eine schwarz-weiß-rote Sturmhaube | |
getragen. Einige der Täter hätten sich Quarzsandhandschuhe übergezogen, die | |
beim Zuschlagen die Wirkung gefährlich verstärken. Samuel Signer, der | |
Versammlungsleiter des Straßenfests, erklärte, die Täter hätten organisiert | |
gewirkt und sich mit dem Kommando „Abbruch“ untereinander darauf | |
verständigt, den Angriff irgendwann abzublasen. „Sie waren sportlich | |
unterwegs“, sagt er. Einem Ordner sei sogar bis auf die Höhe des Brustkorbs | |
getreten worden. | |
## Gewaltbereite rechtsextreme Jugendgruppen sind im Ort bekannt | |
Die Polizei erklärte noch am Sonntagnachmittag, nach ersten Erkenntnissen | |
seien Holzstöcke oder andere Schlagwerkzeuge eingesetzt worden. Es werde | |
wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das | |
Versammlungsgesetz ermittelt, die für politisch motivierte Straftaten | |
zuständige Staatsschutz-Abteilung werde übernehmen. | |
Daran, dass es sich um eine neonazistische Attacke handelt, haben | |
Beobachter*innen keinen Zweifel. Wer aber genau hinter dem Angriff | |
steckt, ist bislang nicht klar. Der Rechtsextremismus-Experte Tom Kurz | |
erklärte der taz: Die AfD sei mittlerweile die mit Abstand stärkste Kraft | |
im Ort. Sie kam hier bei der Bundestagswahl im Februar auf über 40 Prozent. | |
„In Bad Freienwalde gibt es eine klare rechte Jugendkultur, die in den | |
vergangenen rund zwei Jahren noch stärker geworden ist“, so Kurz. Kader von | |
„Deutsche Jugend Voran“, einer gewaltbereiten rechtsextremistischen | |
Jugendgruppe, sowie der neonazistischen Partei „III.Weg“ und deren | |
Nachwuchsorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend“ seien in Bad | |
Freienwalde aktiv. Deren Mitglieder stehen immer wieder im Verdacht | |
politischer Gewalttaten. | |
Erst im Februar hatte die Jugendorganisation der Partei „III. Weg“ eine | |
Veranstaltung des Bündnisses „Bad Freienwalde ist bunt“ im Visier. Auf | |
ihrer Webseite berichtet die Partei, Mitglieder der Jugendorganisation | |
seien bei einer Demo des Bündnisses ebenfalls auf dem Marktplatz anwesend | |
gewesen und hätten Flyer verteilt. Dazu schreiben die Rechtsextremisten: | |
„Genau diesem antideutschen Milieu muss das Handwerk gelegt werden“. Und | |
weiter: „Wo sich die Möglichkeit ergibt, werden wir die unsäglichen | |
Verhältnisse bekämpfen und für ein neues Deutschland streiten.“ | |
Die Partei „III. Weg“ antwortete zunächst nicht auf eine Anfrage der taz | |
vom Sonntagabend bezüglich des Angriffs in Bad Freienwalde. | |
## Polizei war während des Angriffes nicht vor Ort, trotz voriger Hinweise | |
Für alle Augenzeugen, mit der die taz gesprochen hat, ist klar: Dass an | |
diesem Sonntag nicht noch Schlimmeres in Bad Freienwalde passiert ist, | |
liegt vor allem daran, dass sich die Anwesenden selbst zu verteidigen | |
vermochten. Ordner*innen stellten sich den Angreifenden entschlossen | |
entgegen. Sie seien auf die Vermummten zugelaufen, hätten sie angebrüllt, | |
dass sie abhauen sollen, und sich gewehrt. Mindestens einer der Täter sei | |
kurz festgehalten worden, habe dann aber fliehen können. | |
Die Polizei war im Moment des Angriffs jedenfalls nicht auf dem Marktplatz. | |
Das bestätigen alle Augenzeugen unabhängig voneinander der taz. Ein | |
Sprecher der Polizei gab gegenüber dem RBB zu, Einsatzkräfte seien zwar vor | |
Ort gewesen, „allerdings waren zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt | |
unsere Kräfte nicht so dicht am Geschehen dran, dass wir die | |
Auseinandersetzung verhindern konnten.“ | |
Samuel Signer, der Versammlungsleiter des Straßenfests, macht der Polizei | |
deshalb Vorwürfe. Es sei noch nie zu so einem massiven Angriff gekommen, | |
aber auch bei den vergangenen Veranstaltungen des Bündnisses habe es | |
Vorkommnisse und Stress mit Neonazis gegeben. „Jedes Mal kam die Polizei zu | |
spät“, sagt Signer. „Wir hatten der Polizei auch diesmal im Vorfeld gesagt: | |
Wir brauchen Leute vor Ort.“ Dennoch seien die Beamten am Sonntagvormittag | |
nach einem ersten Gespräch wieder abgezogen. Dabei hatte es Vorzeichen | |
gegeben: Plakate des Events waren im Vorfeld abgerissen und rund um den | |
Marktplatz rechte Sticker verklebt worden. | |
## Vermehrt rechtsextreme Angriffe und schwere Gewalttaten durch besonders | |
junge Täter | |
Auch Christian Göritz-Vorhof, Kreissprecher der Grünen in | |
Märkisch-Oderland, wurde am Sonntag Zeuge des Angriffs, er zeigt | |
Unverständnis für das Verhalten der Polizei: „Es wundert mich, dass | |
angesichts der Zuspitzungen der letzten Zeit eine durchgängige Absicherung | |
nicht vorhanden war“, sagte er der taz. Er hofft, dass sich viele Menschen | |
solidarisch zeigen und nicht weggucken. Immerhin sei der Innenminister | |
direkt nach Bad Freienwalde gereist. Das müsse man anerkennen, sagte | |
Göritz-Vorhof. | |
Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos, ehemals Die Linke) hatte | |
die Stadt am Sonntagnachmittag besucht und die Gewalttat verurteilt. „Wer | |
Menschen attackiert, die ein Familien- und Kinderfest organisieren oder | |
daran teilnehmen, bewegt sich weit außerhalb dessen, was wir als | |
Gesellschaft akzeptieren können und dürfen“, sagte Wilke. | |
In den vergangenen zwölf Monaten war es deutschlandweit [3][vermehrt zu | |
rechtsextremen Angriffen und schweren Gewalttaten durch besonders junge | |
Täter gekommen]. Erst Ende Mai ließ die Bundesanwaltschaft fünf | |
Minderjährige der Organisation [4][„Letzte Verteidigungswelle“ festnehmen, | |
die Anschläge geplant haben sollen]. Immer wieder kam es auch auf Angriffe | |
und versuchten Attacken auf queere CSD-Pride-Demonstrationen. | |
Das Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“ hatte sich 2021 gegründet. Das Fest | |
am Sonntag fand zum fünften Mal statt. Beteiligt waren Gruppen wie die Omas | |
gegen Rechts, der VVN BdA, das örtliche Bertolt-Brecht-Gymnasium, die | |
Stephanus-Stiftung, das Jugendtheater Theater am Rand und andere. [5][Laut | |
dem Bündnis nahmen trotz des Angriffs am Sonntag noch rund 400 Menschen | |
teil]: Queere Menschen, Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung und | |
Menschen mit Behinderung hätten generationenübergreifend gefeiert und sich | |
von dem Angriff nicht einschüchtern lassen. „Wir werden uns auch weiterhin | |
für eine vielfältige, solidarische Gesellschaft einsetzen.“ | |
16 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Rechter-Angriff-in-Brandenburg-/!6094093 | |
[2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/06/brandenburg-bad-freienwalde-bu… | |
[3] /Rechtsextreme-Jugendszene/!6076353 | |
[4] /Bundesanwaltschaft-laesst-Mitglieder-der-Letzte-Verteidigungswelle-festneh… | |
[5] https://freienwalde-ist-bunt.de/2025/06/15/statement-von-bad-freienwalde-is… | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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