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# taz.de -- AfD und ESN-Fraktion: Offen antisemitisch im EU-Parlament
> Vor einem Jahr versprach die AfD, in Brüssel keine gemeinsame Sache mit
> Antisemiten zu machen. Nun zeigt sich: So genau nimmt es die extrem
> rechte Partei nicht.
Bild: Sitzt mit der AfD zusammen in der ESN-Fraktion und beschäftigt offene An…
Berlin taz | AfD-Parteichefin Alice Weidel hat vor gut einem Jahr eine
Bedingung für die Gründung einer gemeinsamen ESN-Fraktion zusammen mit
offen extrem rechten Kleinparteien im Europäischen Parlament gestellt, und
die lautete: [1][„Keine Antisemiten“]. Im AfD-Kontext heißt das:
Antisemitismus in verschwörungsideologischen Erzählungen über
„Globalisten“, „Kulturmarxisten“ oder den Philanthropen George Soros ist
selbstverständlich erlaubt. Offen vorgetragene Judenfeindlichkeit oder
NS-Verehrung hingegen ist nicht so gerne gesehen.
Die einzelnen Mitglieder der ESN-Fraktion (Europa der Souveränen Nationen)
scheren sich aber offenbar wenig drum: Zuletzt stellte der Abgeordnete
Marcin Sypniewski der rechtsextremen polnischen Partei Konfederacja den für
Antisemitismus berüchtigten Verleger und Parteifunktionär Tomasz Grzegorz
Stala als Assistenten ein. Der verlegt in seinem rechtsextremen Verlag 3DOM
gleich eine Reihe antisemitischer Bücher zu Ritualmorden und einer
angeblichen jüdischen Weltverschwörung und sogar Holocaustleugnung in
Buchform – unter anderem von dem verstorbenen und gerichtlich verurteilten
Holocaustleugner Dariusz Ratajczak.
Der nun für den ESN-Abgeordneten arbeitende Verleger hat mit seinem Verlag
sogar die „Turner Tagebücher“ veröffentlicht – eine Blaupause für den
Rassenkrieg gegen Schwarze und Juden, die nicht nur beim NSU eine Rolle
gespielt hat und sogar Bombenbauanleitungen enthält. Ebenso hat Stalas
Verlag Hitlers „Tischgespräche“ veröffentlicht. Zwischenzeitlich war der
Mitarbeiter selbst aufgrund der Neuauflage der Ratajczak-Bücher wegen
Holocaust-Leugnung angeklagt, die Staatsanwaltschaft sprach ihn zwar frei,
weil er selbst nicht Verfasser der Bücher ist. Sie warf ihm laut polnischen
Medienberichten aber [2][trotzdem weiter Antisemitismus vor] und legte
zudem Berufung ein. Ebenso wird noch wegen Anstiftung zu Hass und
rassistischen Äußerungen gegen ihn ermittelt.
In den von Stala verlegten Schriften wird der deutsche Massenmord an Juden
und Jüdinnen in den KZs Auschwitz-Birkenau und Majdanek bestritten. Sein
Verlag hatte die Bücher unter anderem am Holocaust-Gedenktag mit folgenden
Worten beworben: „Heute feiern wir den Internationalen Tag des Gedenkens an
den Holocaust. Zu diesem Anlass empfehlen wir Ihnen entsprechende Lektüre!“
Polnischen Medien erklärten Vertreter der Konfederacja zu seiner
Einstellung, dass man nur an Stalas Kompetenzen, nicht an dessen
politischen Überzeugungen interessiert sei.
## AfD sieht keinen Handlungsbedarf
Auf taz-Anfrage leitet der Co-Fraktionsvorsitzende und Delegationsleiter
der AfD, René Aust, eine Erklärung des Konfederacja-Abgeordneten Sypniewski
weiter: Stala sei sein lokaler Assistent und habe als Buchverleger 250
teils „kontroverse“ Titel veröffentlicht, alle seien aber „mit einer
kritischen Einleitung versehen“. Seine verlegerische Tätigkeit sei nicht
„antisemitisch“, er sei in dem Verfahren wegen Holocaustleugnung
freigesprochen worden. Auch „Turner Tagebücher“ seien frei im Handel
erhältlich, etwa bei Amazon – was allerdings zumindest für Deutschland
nicht stimmt. Am Ende seines Statements heißt es dann noch, Stala sei seit
dem 1. Juni nicht mehr Geschäftsführer des 3DOM-Verlags aufgrund
„begrenzter Kapazitäten“, beim Registergericht laufe derzeit die
Umschreibung.
Antisemitische Bücher und Filme sind bis heute bei seinem Verlag bestellbar
– inklusive die des EU-Abgeordneten Grzegorz Braun (ebenfalls
Konfederacja), der erst gar nicht in die ESN-Fraktion aufgenommen worden
ist. Braun hatte 2023 eine Lesung über den Holocaust gestürmt, dabei
Einrichtungsgegenstände zerstört und herabwürdigende Kommentare über Juden
geäußert. Später im Jahr hat er im polnischen Parlament einen
Chanukkahleuchter mit einem Feuerlöscher „gelöscht“ und sagte: „Leute, …
bei diesem satanischen Kult teilnehmen, sollten sich schämen.“ Er wurde
daraufhin von der Parlamentssitzung ausgeschlossen – auch Brauns Werke sind
bis heute bei Stalas Verlag bestellbar.
Trotz all dem sieh René Aust keine Verantwortung bei sich oder der AfD:
„Die Einstellung einzelner persönlicher Mitarbeiter obliegt allein den
jeweiligen Abgeordneten. Die AfD ist weder in diese Prozesse involviert,
noch kann sie die Einstellung dieser Mitarbeiter verhindern.“ Echte
Distanzierung? Fehlanzeige! Allerdings sagt Aust: „Mit den von Ihnen
beschriebenen Positionen macht sich die AfD nicht gemein.“
Der Sprecher von Alice Weidel äußert sich auf taz-Anfrage wortgleich. Auf
die Rückfrage, ob der Grundsatz „Keine Antisemiten“ denn trotzdem noch
gelte, antwortete der Sprecher: „Grundsätzlich schon.“ Aber das gilt dann
wohl eher [3][im juristischen Wortsinne von grundsätzlich]: Ausnahmen sind
möglich. Denn Konsequenzen zieht die Personalie zumindest zunächst keine
nach sich.
26 Jun 2025
## LINKS
[1] /Neue-AfD-Fraktion-in-Bruessel/!6022937
[2] https://czestochowa.wyborcza.pl/czestochowa/7,48725,31710284,prawicowy-wyda…
[3] https://groeschler.jura.uni-mainz.de/files/2020/05/DfJ-02-Grundsatzliches.p…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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Nancy Faeser
Antisemitismus
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