# taz.de -- Nachfolger von 9-Euro-Ticket: Wissing kündigt Günstig-ÖPNV an | |
> Der Verkehrsminister spricht sich für eine Fortführung der Flatrate für | |
> Busse und Bahnen aus – wenn die Länder zahlen. | |
Bild: Vorbei: 9-Euro-Ticket | |
BERLIN taz | Das 9-Euro-Ticket ist Geschichte, die Leute von der Letzten | |
Generation fahren dennoch weiter ultrabillig Bus und Bahn: Mit dem | |
Auslaufen der günstigen Monatsfahrkarte ab dem heutigen 1. September wollen | |
die [1][UmweltschützerInnen] ohne gültige Tickets den öffentlichen | |
Nahverkehr nutzen – und dabei mit Vorträgen, Schildern und Flyern „auf die | |
Klimakatastrophe und den Irrsinn horrender Preise im Nah- und Fernverkehr“ | |
aufmerksam machen, kündigten sie am Mittwoch an. | |
Tatsächlich könnte ihr Protest bereits gewirkt haben, bevor er losging: | |
Wenige Stunden vorher versprach Bundesverkehrsminister Volker Wissing | |
nämlich nach langem Zögern eine [2][Fortsetzung des 9-Euro-Tickets]. | |
Zunächst müssten Struktur und Finanzierung des Tickets geklärt werden – und | |
anschließend der Preis. Nur dann sei der Bund auch bereit, einen Beitrag | |
zur Finanzierung zu leisten, sagte der FDP-Politiker im Deutschlandfunk. | |
Die dreimonatige Aktion hatte 2,5 Milliarden Euro gekostet. „Man kann nicht | |
vom Bund erwarten, dass er einfach Geld auf den Tisch legt, wenn die Länder | |
selbst keine Vorschläge haben, wie das neue Ticket aussehen soll“, betonte | |
Wissing. Sein Parteifreund habe ihn „überzeugt“, [3][twitterte derweil | |
Finanzminister Christian Lindner von der Kabinettsklausur in Meseberg]. | |
Wenn die Länder mitwirkten, könne Wissing „mit einem Bruchteil der | |
Finanzmittel des 9-Euro-Tickets ein bundesweit nutzbares, digital buchbares | |
Ticket realisieren“, schrieb Lindner – mit dem Hashtag #WissingWirkt. | |
Für die Liberalen entscheidend ist auch das Ende der Tarifvielfalt in den | |
Verkehrsverbünden. Durch den Verkauf von 52 Millionen 9-Euro-Tickets in den | |
vergangenen 3 Monaten hätten die Menschen „darüber abgestimmt, dass es so | |
nicht bleiben soll“, sagte Wissing. Deshalb werde er sich „dafür einsetzen, | |
dass es nicht wieder zum Rückfall in die alten Tarifstrukturen kommt so wie | |
jetzt kurzfristig ab dem 1. September.“ | |
## Bescheidene Bilanz beim Spritrabatt | |
Am Mittwoch endete mit dem 9-Euro-Ticket und mit der Rabattierung von | |
Benzin und Diesel ein dreimonatiger deutschlandweiter Feldversuch, mit dem | |
die Bundesregierung die Inflation ausgleichen wollte. Während die günstigen | |
Monatsfahrkarten laut ersten Untersuchungen Menschen mit wenig Geld mehr | |
Bewegungsfreiheit ermöglichten und viele Autofahrten überflüssig machten, | |
fällt die Bilanz beim Steuerspritrabatt trotz Kosten in Höhe von über 3 | |
Milliarden Euro bescheiden aus. Laut einer Studie des RWI Leibniz-Instituts | |
für Wirtschaftsforschung kassierten die Mineralölkonzerne zunehmend große | |
Teile der Steuerreduzierung ein. So seien „die preisdämpfenden Effekte des | |
Tankrabatts durch preistreibende Faktoren geschmälert“ worden. | |
Ab Donnerstag werden die Verkehrverbünde versuchen, die in den vergangenen | |
drei Monaten gewonnenen KundInnen bei der Stange zu halten – aber sie haben | |
keine Preiskracher mehr im Angebot: So gibt es in Hamburg für 29,50 Euro | |
eine neue 5er-Tageskarte, die binnen 30 Tagen genutzt werden kann und 3,50 | |
Euro spart. Anderswo sind bereits Tariferhöhungen beschlossen. In und um | |
Stuttgart ziehen die Preise zum Jahreswechsel durchschnittlich um 4,9 | |
Prozent, im Großraum Nürnberg um 3 Prozent an. | |
Derweil geht nun der Poker um das Günstig-Ticket 2.0 los. Die Bundes-SPD | |
hat bereits ein bundesweites 49-Euro-Ticket ins Spiel gebracht, die Grünen | |
wollen ein regionales Monatsticket für 29 Euro. Aus Sicht der Länder ist | |
klar: Einfach eine weitere billige ÖPNV-Fahrkarte darf es nicht geben, auch | |
das Angebot im Nahverkehr muss verbessert werden: bessere Infrastruktur, | |
mehr Personal, mehr Fahrzeuge. | |
## 2022 wohl kein neues Ticket mehr | |
Sie fordern deshalb bereits, dass die Regierung die sogenannten | |
Regionalisierungsmittel deutlich aufstockt, mit denen der Bund den ÖPNV in | |
Ländern und Kommunen mitfinanziert. Zusätzlich zu einer bereits geforderten | |
Erhöhung um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verlangen die | |
VerkehrsministerInnen der Länder wegen der hohen Energiepreise für die | |
Jahre 2022 und 2023 jeweils 1,65 Milliarden Euro mehr. Andernfalls müssten | |
die Unternehmen die Preise im ÖPNV bald weiter erhöhen – anstatt eines | |
günstigeren Angebots für Busse und Bahnen würde alles teurer. | |
Im laufenden Jahr wird es mit dem neuen Ticket wohl nichts mehr werden. | |
Allein für die technische Umsetzung einer dauerhaften Anschlusslösung für | |
das 9-Euro-Ticket benötigen die Verkehrsunternehmen laut ihrem | |
Branchenverband VDV etwa drei Monate. Sollte die Ampel mit den Ländern also | |
ein neues Angebot zum Januar 2023 starten wollen, müssten die politischen | |
Entscheidungsprozesse „idealerweise“ bis Anfang Oktober abgeschlossen sein, | |
sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. | |
31 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /9-Euro-Fonds/!5878562 | |
[2] /Bilanz-nach-drei-Monaten-OePNV-Flatrate/!5874897 | |
[3] https://twitter.com/c_lindner/status/1564891766230237184 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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