# taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: „Wir müssen Goliath besiegen“ | |
> Mit großer Symbolik und nahezu unbegrenzter Solidarität für die Ukraine | |
> startet die Münchner Sicherheitskonferenz. An Abrüstung ist nicht zu | |
> denken. | |
Bild: Live zugeschaltet aus der Ukraine war Wolodymyr Selenskyj | |
MÜNCHEN taz | Mit einer Livezuschaltung von Wolodimir Selenski startete am | |
Freitagmittag die [1][diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)]. | |
Eindringlich appellierte der ukrainische Präsident von Kyjiw aus an die in | |
der bayrischen Landeshauptstadt versammelten Staats- und Regierungschefs, | |
die militärische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken. „Goliath da… | |
keine Chance haben“, sagte Selenski. „Die Steinschleuder muss noch stärker | |
werden, und zwar jetzt.“ | |
Das Russland Putins als Goliath und die Ukraine als David – das war das | |
biblische Bild, das sich durch die gesamte Rede Selenskis zog. Seine | |
Kernbotschaft: „Wir müssen Goliath besiegen!“ Zuversichtlich äußerte er | |
sich über die Erfolgsaussichten. „Der russische Goliath hat bereits | |
angefangen, zu verlieren“ und werde „in jedem Fall in diesem Jahr fallen“, | |
sagte Selenski. „Wir können es schaffen.“ Zu einem Sieg der Ukraine gebe es | |
„keine Alternative“. Das gelte auch für die von der Ukraine angestrebte EU- | |
und Nato-Mitgliedschaft. | |
Ohne Zweifel an ihrer Unterstützung der Ukraine zu lassen, zeigten sich | |
sowohl der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz als auch der französische | |
Präsident Emmanuel Macron, die auf Selenski folgten, weniger | |
zuversichtlich. Beide machten sehr deutlich, dass sie von einer längeren | |
Kriegsdauer ausgehen. Und beide vermieden es, von einem möglichen Sieg der | |
Ukraine zu sprechen. Stattdessen betonten Scholz wie Macron, dass Russland | |
nicht gewinnen dürfe. | |
„Putins Revisionismus wird nicht siegen“, zeigte sich Scholz überzeugt. | |
Unter großen Opfern und mit absolut beeindruckender Entschlossenheit | |
verteidigten die Ukrainer:innen ihre Freiheit. „Und wir unterstützen sie | |
dabei – so umfangreich und solange wie nötig“, bekräftigte er. So habe si… | |
alleine die Hilfe Deutschlands im vergangenen Jahr auf mehr als 12 | |
Milliarden Euro belaufen. | |
## Scholz: Sorgfalt vor Schnellschuss | |
„[2][Wir liefern hochmoderne Waffen], Munition und andere militärische | |
Güter – mehr als jedes andere Land in Kontinentaleuropa“, so der Kanzler. | |
Bei den Waffenlieferungen gelte der Grundsatz Sorgfalt vor Schnellschuss. | |
Außerdem sei die Unterstützung „so anzulegen, dass wir sie lange | |
durchhalten“. Auch gelte der Grundsatz „Zusammenhalt vor Solo-Vorstellung�… | |
Damit bleibt der Kanzler bei seiner bisherigen Linie. | |
Mit Blick auf die bundesdeutsche Bevölkerung sagte Scholz, er verstehe, | |
„wenn einige bei uns in Deutschland Sorgen haben und unsere Entscheidungen | |
hinterfragen“. Aber die Waffenlieferungen an die Ukraine würden nicht den | |
Krieg in der Ukraine verlängern, sondern dienten dem Gegenteil: „Je früher | |
Präsident Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht | |
erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende, auf | |
Rückzug russischer Eroberungstruppen“, sagte Scholz. | |
Er räumte ein, dass der von den westlichen Staaten gemeinsam eingeschlagene | |
Weg durch „unkartiertes Gelände“ führe. „Wir tun gut daran, alle | |
Konsequenzen unseres Handels sorgfältig abzuwägen und alle wichtigen | |
Schritte eng abzustimmen unter Bündnispartnern“, sagte Scholz. Zu einem | |
Krieg zwischen der Nato und Russland dürfe es nicht kommen. | |
„Die Balance zwischen bestmöglicher Unterstützung der Ukraine und der | |
Vermeidung einer ungewollten Eskalation werden wir auch weiterhin wahren“, | |
versprach der Kanzler. Er sei froh, dass sich der chinesische Präsident Xi | |
Jinping bei seinem Besuch im vergangenen Herbst in Peking „klar gegen jede | |
Drohung mit Atomwaffen oder gar deren Einsatz im Krieg Russlands gegen die | |
Ukraine“ gestellt habe. | |
## Angriffskrieg hat sämtliche Tabus gebrochen | |
Die Lage sei „sehr ernst“, bekräftigte auch Emmanuel Macron. Russland habe | |
mit seinem neoimperialistischen und -kolonialen Angriffskrieg „sämtliche | |
Tabus“ gebrochen. „Der russische Angriff muss scheitern“, sagte der | |
französische Präsident. „Die Frage ist, wie kann die Ukraine widerstehen?“ | |
Erforderlich sei eine dauerhafte Unterstützung. Die Lieferung von Waffen | |
müsse intensiviert und die ukrainischen Streitkräfte müssten in die Lage | |
versetzt werden, eine Gegenoffensive zu starten. Erst diese Basis eröffne | |
die Möglichkeit für Verhandlungen – und zwar „zu Bedingungen, die die | |
Ukraine auswählt“. | |
Gleichwohl rief Macron dazu auf, in die Zukunft zu schauen: „Bereiten wir | |
auch den Frieden vor“, forderte er. „Keiner von uns wird die Geografie von | |
Russland verändern, es wird immer auf europäischem Boden liegen.“ Er glaube | |
nicht an einen Regimewechsel in Moskau. Das bedeute, es werde „keinen | |
dauerhaften und vollständigen Frieden auf unserem Kontinent geben, wenn es | |
uns nicht gelingt, uns der Frage Russlands zu stellen, mit klarem Verstand | |
und ohne jede Selbstgefälligkeit.“ | |
Darüberhinaus rief Macron die EU-Länder zu kräftigen Investitionen bei der | |
Verteidigung auf. „Wenn wir Europäer den Frieden wollen, müssen wir uns die | |
Mittel dazu geben“, sagte er. „Wenn Europa Europa verteidigen will, muss es | |
sich auch bewaffnen.“ Dazu gehöre die Fähigkeit voranzutreiben, „auf | |
europäischem Boden zu produzieren“. | |
Zuvor hatte auch der deutsche Kanzler bekräftigt, dass Deutschland seine | |
Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts | |
anheben werde. „Um diese Mittel sinnvoll und nachhaltig zu investieren, | |
brauchen wir eine leistungs- und wettbewerbsfähige Rüstungsindustrie – in | |
Deutschland und in ganz Europa“, sagte er ganz auf der Linie Macrons. | |
## Harris, Sunak und Wang Yi mit Spannung erwartet | |
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sind rund 40 Staats- und | |
Regierungschefs sowie fast 100 Minister:innen versammelt. Unter den | |
knapp 700 Kongressteilnehmer:innen aus 96 Ländern befinden sich auch | |
zahlreiche Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen. Mit dabei | |
sind ebenfalls [3][Mitglieder der russischen] und [4][der iranischen | |
Exilopposition]. Hinzukommen noch etliche Repräsentant:innen der | |
deutschen und internationalen Rüstungsindustrie. | |
Mit großer Spannung erwartet werden die Auftritte von US-Vizepräsidentin | |
Kamala Harris, des britischen Premierministers Rishi Sunak und besonders | |
von Wang Yi, dem obersten Außenpolitiker Chinas. Sie stehen allesamt am | |
Samstag auf dem Programm. | |
Auch wenn der Fokus der Berichterstattung aus nachvollziehbaren Gründen auf | |
dem scheinwerferumfluteten Treiben im Bayerischen Hof liegt, soll nicht | |
unerwähnt bleiben, dass es auch dieses Jahr eine weitere, wenn auch | |
wesentlich kleinere und öffentlich weniger beachtete Veranstaltung gibt, | |
die sich mit den gleichen Themen wie die Münchner Sicherheitskonferenz | |
auseinandersetzt – nur mit einem anderen Blickwinkel: die „Internationale | |
Münchner Friedenskonferenz“, die unter anderem von der DFG-VK, Pax Christi, | |
Greenpeace und der Ärzt:inneninitiative IPPNW organisiert wird. | |
## Parallele Friedenskonferenz will Zivilgesellschaft stärken | |
„Bei der diesjährigen Friedenskonferenz geht es nicht um den Ukraine-Krieg | |
als solchen, sondern um die Auswirkungen des Krieges auf deutsche Politik | |
und Medien und somit auf die Zivilgesellschaft in Deutschland“, sagte | |
Mitorganisator Julian Mühlfellner. „Gefragt sind also Perspektiven der | |
Zivilgesellschaft in Deutschland.“ Unter anderem steht ein Workshop | |
„Wehrhaft ohne Waffen? Wie kann das gehen?“ auf dem Programm. | |
Auf der Hauptveranstaltung mit dem Titel „Kriegsinteressen und | |
Kriegsnarrative: Afghanistan, Ukraine“ referieren am Samstagabend die | |
Münchner Medienethikprofessorin Claudia Paganini, der Wiener Philosoph | |
Fahim Amir und der langjährige taz-Korrespondent Andreas Zumach. Zumachs | |
Referatsthema: Liegt die Friedensbewegung beim Ukraine-Krieg falsch und | |
gehören Pazifismus und ‚Frieden schaffen ohne Waffen‘ auf den Müllhaufen | |
der Geschichte? | |
17 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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