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# taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: Neue Waffen-Wünsche der Ukraine
> Der Krieg dominiert die Sicherheitskonferenz. Es werden tausende
> Demonstrierende erwartet. Baerbock verteidigt die militärische Hilfe für
> die Ukraine.
Bild: Außenministerin Annalena Baerbock und ihr US-amerikanischer Amtskollege …
München taz/dpa/afp | Neue Waffen-Wünsche aus der Ukraine: Nach Artillerie,
Flugabwehrsystemen, Schützen- und Kampfpanzern, sowie Kampfjets setzen
ukrainische Vertreter:innen nun Streumunition und Phosphor-Brandwaffen
auf die Wunschliste an die Verbündeten.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz forderte der ukrainische
Vizeregierungschef Olexander Kubrakow am Freitagabend eine Zusage für
dieses völkerrechtlich teils geächtete Kriegsgerät. Kubrakow begründete
seinen Wunsch damit, dass auch Russland solche Waffen im Kampf gegen die
Ukraine einsetze. „Warum können wir sie nicht nutzen?“ fragte der
ukrainische Vizeregierungschef.
Auf heftigen Widerspruch stießen die Äußerungen Kubrakows bei der
Linkspartei-Vorsitzenden Janine Wissler. „Die Forderung der Ukraine muss
scharf zurückgewiesen werden“, sagte sie. „Man bekämpft einen
Völkerrechtsbruch nicht mit einem Völkerrechtsbruch.“ Der Einsatz von
Streumunition sei nicht nur „umstritten“, sondern zurecht völkerrechtlich
geächtet. Wer solche Waffen liefere, könne niemals beanspruchen, damit das
Völkerrecht zu verteidigen oder legitime Hilfe zur Landesverteidigung zu
leisten.
Streumunition, auch Clustermunition genannt, sind Raketen und Bomben, die
über dem Ziel explodieren und zahlreiche kleinere Sprengkörper freisetzen.
Durch diese Streuung gilt sie – rein militärisch betrachtet – als eine der
effektivsten Munitionsformen. Phospor-Brandwaffen sind besonders gefährlich
und perfide, da sie zu schwersten Verbrennungen und Vergiftungen führen. In
der sogenannten Oslo-Konvention, einem Abkommen über Streumunition, haben
sich bisher 110 Staaten dazu bekannt, solches Kriegsgerät weder
herzustellen und zu lagern noch einzusetzen. Weder die Ukraine noch
Russland zählen zu diesem Staatenkreis.
Aufrüstung, die Ausstattung mit Kriegsgerät und gemeinsame Anstrengungen
der westlichen Verbündeten, auch in Zukunft militärisch besser ausgestattet
zu sein, dominieren die Gespräche bei der Münchner Sicherheitskonferenz,
die noch bis Sonntag tagt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Freitag in
seiner Rede vor Staats- und Regierungschef:innen sowie Expert:innen
für Sicherheitspolitik nachdrücklich an die Staaten appelliert, die der
Ukraine weiteres schweres Kriegsgerät wie Kampfpanzer zugesagt hatten.
Alle, die liefern könnten, müssten „dies nun auch wirklich tun“, so Schol…
Der Kanzler sieht Deutschland in einer „Führungsrolle“ bei Logistik oder
Ausbildung.
## Selenskyj: Davon hängt unser Leben ab
Nach langem Zögern hatte [1][Scholz Ende Januar die Lieferung von 14
Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine zugesagt]. Gemeinsam mit Verbündeten
sollten zwei Panzerbataillone aufgestellt werden. Außer Portugal haben
keine weiteren Staaten konkrete Zusagen gemacht. Damit kann das Vorhaben
derzeit nicht umgesetzt werden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einer emotionalen
Videoansprache die Staatenvertreter:innen am Freitag aufgefordert
unmittelbar und schnell weitere militärische Hilfe zu leisten. „Davon hängt
unser Leben ab“, bekräftigte Selenskyj. „Es gibt keine Alternative zu einem
Sieg der Ukraine.“ Und: Auch ein Beitritt sowohl zur EU als auch zur Nato
seien für ihn alternativlos. Er wünsche sich eine
Post-Kriegs-Sicherheitskonferenz im kommenden Jahr, mit einer „freien
Ukraine, einem freien Europa, einer freien Welt“.
Auch am Samstag wird der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine
und die globalen Folgen im Mittelpunkt der Konferenz stehen. Erwartet
werden Beiträge von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, dem britischen
Premier Rishi Sunak, sowie des obersten Außenpolitikers Chinas Wang Yi.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte in ihrem
Redebeitrag am Samstag, dass man nicht akzeptieren werde, dass man einfach
Panzer über eine Grenze schickt, ohne Konsequenezn zu befürchten.
Und sie betonte, dass die Ukraine auch weiterhin wirtschaftlich
stabilisiert werden müsse. Auch dies sei ein starker Teil der Unterstützung
für das angegriffene Land. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin
erneuerte bei einem gemeinsamen Panel mit von der Leyen ihr festes Vorhaben
gemeinsam mit Schweden der Nato beizutreten.
## Tausende zu Demos in München erwartet
Vertreter:innen aus rund 100 Staaten nehmen an der Münchner
Sicherheitskonferenz teil. Aus Russland ist kein Vertreter der politischen
Führungsebene eingeladen. Am Samstagabend werden der russische Kremlgegner
Michail Chodorkowski vom Russian Action Committee und der frühere
Schachweltmeister Garry Kasparow an einer Podiumsdiskussion teilnehmen.
Parallel zu den politischen Gesprächen werden [2][tausende
Demonstrant:innen in München erwartet]. Angemeldet sind rund 20
Protestaufzüge. Auch hier steht der russische Angriffskrieg auf die Ukraine
im Mittelpunkt, allerdings in sehr unterschiedlichen Schattierungen.
Traditionell findet das linke „Aktionsbündnis gegen die
Nato-Sicherheitskonferenz“ statt.
In seinem Aufruf wird eine Verurteilung des völkerrechtswidrigen russischen
Angriffskriegs und der damit verbundenen Annexion ukrainischen Territoriums
gefordert. Bei einer weiteren Demonstration fehlt allerdings eine kritische
Haltung gegenüber Russland. Sie wird von Putin-Unterstützer:innen aus dem
extrem rechten Spektrum organisiert. Dabei sein wollen diverse
AfD-Bundestagsabgeordnete sowie Jürgen Elsässer, der Chefredakteur des
Rechtsaußenmagazins Compact. Zudem will ein Bündnis von
Corona-Leugner:innen sowie dem Spektrum der Querdenker:innen-Szene
demonstrieren.
Das Bündnis „Ukrainer in München“ setzt dagegen einen komplett anderen
Fokus und spricht sich für absolute Solidarität mit der Ukraine aus. Zu
dieser Kundgebung werden unter anderem die FDP-Verteidigungsexpertin
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sowie
die ukrainische Nobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk erwartet.
## Baerbock: Putins Waffen müssen schweigen
Wie lange der Krieg in der Ukraine andauern wird, dafür gibt es keine
seriösen Prognosen. Aber:' Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat bei
der Münchner Sicherheitskonferenz unmissverständlich klar gemacht, dass er
enden muss. „So schnell wie möglich“, sagte Baerbock am Samstag in Münche…
„Dafür müssen Putins Waffen schweigen.“ Genauso unmissverständlich machte
sie deutlich, dass bis dahin auch die militärische Unterstützung nicht
enden dürfe: „Wenn die Ukraine aufhört sich zu verteidigen, dann ist die
Ukraine am Ende“, bekräftigte Baerbock.
Forderungen der Ukraine an die Verbündeten auch Streumunition oder
Phosphor-Brandwaffen im Kampf gegen die russische Armee zu liefern,
begegnete Baerbock ausweichend. „Die Ukraine verteidigt ihre Freiheit, sie
verteidigt unsere EU-Friedensordnung.“ Dabei unterstütze man sie. Grundlage
sei das humanitäre Völkerrecht. „Wir stehen an der Seite der Opfer“, sagte
die Bundesaußenministerin. Sie warb in diesem Zusammenhang für eine
UN-Resolution anlässlich des Jahrestag des russischen Angriffskriegs auf
die Ukraine, die in New York Ende der kommenden Woche verabschiedet werden
soll. Wenn man nicht wolle, dass diese Aggression Nachahmer fände, dürfe
man diese nicht belohnen. Allen Forderungen nach der Abtretung von
besetzten Gebieten oder gar einer Kapitulation der Ukraine erteilte
Baerbock eine eindeutige Absage.
Vorsichtig zeigte sie sich gegenüber Chinas Ankündigung einen Friedensplan
für die Ukraine vorzulegen. „Wenn man das ganze Jahr für Frieden arbeitet,
muss man jede Chance nutzen“, sagte die Bundesaußenministerin. Es sei gut,
dass China seine Verantwortung für den Frieden in der Welt sehe. Am
Nachmittag wird Baerbock gemeinsam mit US-Außenminister Antony Blinken und
dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba an einer Podiumsrunde
teilnehmen. Die deutsche Außenministerin traf auf der Konferenz zudem mit
zahlreichen Staatenvertreter:innen zu bilateralen Gesprächen
zusammen. Darunter auch mit Chinas oberstem Außenpolitiker Wang Yi.
## Kamala Harris: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
Ebenfalls am Samstag hatte die US-amerikanische Vizepräsidentin Kamal
Harris einen Auftritt bei der Sicherheitskonferenz. Dabei warf sie Russland
Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine war. Harris betonte, den
Tätern müsse Gerechtigkeit widerfahren. Die internationale Gemeinschaft
habe ein moralisches und strategisches Interesse daran, diese Verbrechen zu
verfolgen.
„Die russischen Streitkräfte haben einen weit verbreiteten und
systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung ausgeführt – grausame
Akte von Mord, Folter, Vergewaltigung und Deportation“, so Harris. Sie
nannte auch Hinrichtungen, Schläge und Elektroschocks als Beispiele. Die
russischen Behörden hätten Hunderttausende Menschen, darunter auch Kinder,
aus der Ukraine nach Russland verschleppt. „Sie haben Kinder auf grausame
Weise von ihren Familien getrennt.“
Harris sagte, als ehemalige Staatsanwältin und frühere Chefin des
kalifornischen Justizministeriums wisse sie, wie wichtig es sei, Fakten zu
sammeln. „Im Fall der russischen Handlungen in der Ukraine haben wir die
Beweise geprüft, wir kennen die rechtlichen Standards, und es gibt keinen
Zweifel“, sagte sie. „Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
An China appelliert Harris, Russland nicht mit Waffenlieferungen für den
Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Alle Schritte Chinas in diese
Richtung würden „Aggression belohnen, das Töten fortsetzen und eine
regelbasierte Ordnung weiter untergraben“, so Harris. „Wir sind besorgt
darüber, dass Peking seine Beziehungen zu Moskau seit Beginn des Krieges
vertieft hat.“
Darüber hinaus verteidigte die US-Vizepräsidentin umstrittene
Subventionspläne für in den USA produzierenden Unternehmen. Die Freunde in
Europa hätten seit Jahren gefordert, dass die USA in der Klimakrise mehr
tun müssten, sagte in einer Fragerunde. Mit dem neuen Investitionsprogramm
würden nun genau dazu rund 370 Milliarden Dollar (347 Milliarden Euro)
bereitgestellt. Ziel sei es, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und
Innovationen zu fördern.
Die USA seien derzeit leider noch einer der größten Emittenten der Welt,
sagte Harris. Bei dem Programm gehe es deswegen nicht nur um die Gesundheit
und das Wohlergehen der Menschen in den USA, sondern um die ganze Welt.
18 Feb 2023
## LINKS
[1] /Debatte-um-Leopard-2-Panzer/!5910242
[2] /Muenchner-Sicherheitskonferenz-beginnt/!5916657
## AUTOREN
Tanja Tricarico
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