# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Im Jahr eins der Zeitenwende | |
> Die Welt kann im Kampf gegen Russland nicht einlenken. Auf der | |
> Sicherheitskonferenz geht es darum, möglichst wenig Fehler zu machen. | |
Bild: Der Angriff auf die Ukraine war eine Zäsur, von der es kein Zurück mehr… | |
In diesen Tagen [1][jährt sich der brutale russische Angriffskrieg auf die | |
Ukraine]. Damit sind rund 12 Monate vergangen, in denen die Welt | |
zurückgefallen ist in sich bekämpfende Blöcke, weg von der vermeintlichen | |
Gewissheit, dass es wenigstens in Europa eine gesicherte Friedensordnung | |
gäbe. Die Welt ist eine andere und es gibt kein glaubwürdiges Szenario | |
derzeit, das auch nur ansatzweise ein „Zurück“ in friedvollere Zeiten wagt. | |
Wenn in diesen Tagen [2][die Münchener Sicherheitskonferenz tagt], so wird | |
das allbeherrschende Thema der Krieg sein, das Jahr eins der Zeitenwende. | |
Galt das Forum einst als Treffpunkt für den Austausch unterschiedlichster | |
Positionen, so haben die Organisatoren der Konferenz allein durch die | |
Teilnehmer:innenliste unmissverständlich klar gemacht, auf welcher | |
Seite sie stehen. Der Aggressor Russland ist nicht eingeladen – im | |
vergangenen Jahr, wenige Tage vor Kriegsbeginn, hatte Russlands | |
Außenminister Lawrow noch von sich aus abgesagt, zum ersten Mal seit vielen | |
Jahren. Geworben wird um Schwellenländer wie Indien oder Brasilien, der | |
Globale Süden spielt eine tragende Rolle. Wohlweislich ist auch eine große | |
Delegation aus China eingeladen. Auch hier will man die Türen nicht | |
schließen, sondern Wege ausloten. | |
Wahr ist aber auch, dass die vergangenen Monate geprägt waren von der | |
bitteren Erkenntnis, dass Dialog, Diplomatie, wirtschaftliche Beziehungen | |
oder Sanktionen weder einen Krieg verhindern noch beenden. Um die Ukraine | |
auch nur annähernd in eine Verteidigungsposition gegenüber Russland zu | |
bringen, musste ihr Militär aufgerüstet werden und wird dies auch noch in | |
naher Zukunft von den westlichen Verbündeten. [3][Es geht um Panzertypen], | |
Kurz- oder Langstreckenwaffen, Luftabwehrsysteme, Kampfjets. Ist die | |
Sicherheitskonferenz in Wahrheit nicht eine Kriegskonferenz? Viele | |
Friedensbewegte und Anhänger:innen eines vergangenen Pazifismus würden | |
dies sicher so unterschreiben. | |
Doch einfache Antworten gibt es nicht. Es gilt eben nicht oder nicht mehr | |
die Stärke einer vereinbarten völkerrechtlichen Basis. Sondern schlicht das | |
Recht des Stärkeren. 2022 fand die Siko wenige Tage vor dem russischen | |
Großangriff auf die Ukraine statt. Heute mutet es naiv und merkwürdig an, | |
dass westliche Staaten über Jahre hinweg die Kriegsgefahr ignoriert oder | |
mindestens unterschätzt haben. Und das, obwohl Tausende russische Soldaten | |
im Grenzgebiet zur Ukraine sichtbar stationiert wurden, die brutalen Worte | |
von Russlands Präsident Putin eben nicht verpufften. | |
## Jetzt gilt Solidarität | |
Jetzt gilt also Solidarität mit dem Land, das angegriffen wurde, mit der | |
Bevölkerung, die unterjocht, wenn nicht „ausgelöscht“ werden soll. | |
Solidarität heißt auch, der Ukraine abseits von Aufrüstung die Chance zu | |
geben, dem Aggressor die Stirn zu bieten. Milliarden werden mitten im | |
Kriegsgeschehen in den Wiederaufbau vor Ort gesteckt, es wird über | |
wirtschaftliche Stabilisierung nachgedacht, investiert. Auch an dieser | |
Front wird aufgerüstet, was von Waffengegner:innen oft verkannt, | |
unterschätzt oder verschwiegen wird. Natürlich ist [4][auch der | |
beschleunigte EU-Beitrittsprozess] ein eindeutiges politisches Signal an | |
Russland. Unausgesprochen ist noch, wie die tiefe Wunde zwischen den beiden | |
Kriegsnationen jemals geheilt werden kann. | |
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist eigentlich ein Format zu persönlichem | |
Gespräch zwischen Regierenden und Expert:innen, sie bietet die Chance zum | |
Nachdenken über langfristige Sicherheitsperspektiven. Genau das ist in | |
Kriegszeiten kaum möglich – wer öffentlich und ehrlich seine Optionen, | |
Ziele und Grenzen diskutiert, schwächt die eigene Position. | |
## Offene Diskussion unmöglich | |
Natürlich wird im Westen hinter verschlossenen Türen längst darüber | |
nachgedacht, zu welchen Zugeständnissen die Ukraine womöglich irgendwann | |
bereit sein muss und wie Russland langfristig davon abgehalten werden kann, | |
erneut Staaten anzugreifen. Sicherheitsgarantien und ihre militärische | |
Absicherung, neue Bündnisse mit und ohne Nato-Mitgliedschaft, die | |
Verlockung der Aufhebung von Sanktionen – all diese und weitere Elemente | |
sind in der Abwägung. Diese Diskussion über Ziele und Instrumente aber | |
offen zu führen würde zunächst nur die Position der Ukraine schwächen. | |
Naiv wäre zu denken, die Blockbildung in der Welt lasse sich leicht wieder | |
zurückdrehen. Ebenso naiv wäre es zu behaupten, dass die Welt im Kampf | |
gegen den russischen Aggressor einlenken könne. Zu viel steht auf dem Spiel | |
und zu groß ist die Sorge, dass Putins Vorgehen anderen Diktatoren Vorbild | |
sein könnte. Langfristig darf weder eine Blockhaltung noch der Nachschub an | |
Kriegsgerät den Weg für Dialog versperren. Wie der Krieg um die Ukraine | |
enden wird, wird entscheidend die Sicherheitsarchitektur der Welt prägen. | |
Deshalb gilt es, jetzt möglichst wenige Fehler zu machen. | |
18 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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