# taz.de -- Iran bei der Münchner Sicherheitskonferenz: Exil-Opposition nicht … | |
> Auf der Münchener Sicherheitskonferenz waren Kritiker*innen des Irans | |
> vertreten. Zeit für Gespräche hatte die deutsche Regierung nicht. Ein | |
> Fehler? | |
Bild: Am Münchner Odeonsplatz demonstrieren Menschen mit der Fahne der iranisc… | |
BERLIN taz | Es war eine Premiere. Zum ersten Mal haben nicht offizielle | |
Delegierte der Islamischen Republik das Land auf der [1][Münchner | |
Sicherheitskonferenz] vertreten, sondern drei prominente | |
Vertreter:innen der exil-iranischen Oppositionsbewegung. | |
[2][Masih Alinejad], die seit Jahren gegen Zwangsverschleierung kämpft, die | |
Schauspielerin Nazanin Boniadi und der Autor Reza Pahlavi, Sohn des | |
ehemaligen Herrschers des Iran. Die drei sind Teil einer [3][Gruppe von | |
acht Exil-Oppositionellen], die sich Anfang Februar bei einem Treffen in | |
Washington als Zusammenschluss verschiedener oppositioneller Strömungen | |
präsentierten, darunter auch der Vorsitzende der kurdischen Komala-Partei | |
Abdullah Mohtadi und die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. | |
## Proteste im Iran spielen eine untergeordnete Rolle in Deutschland | |
Es ist also durchaus als diplomatisches Statement zu werten, dass | |
[4][inmitten der landesweiten Proteste] gegen das iranische Regime nicht | |
Vertreter des Regimes in München zu Gast waren, sondern dessen | |
Gegner*innen. Und doch: Ein großes Thema war die Situation im Iran auf der | |
Sicherheitskonferenz nicht. Es gab nur [5][ein einziges Panel zu Thema] und | |
auch keine offiziellen Gespräche zwischen den Oppositionellen und | |
westlichen Regierungsvertreter:innen, auch kein Treffen mit der deutschen | |
Regierung. | |
Das mag auch daran liegen, dass die Opposition im Iran äußerst heterogen | |
ist. Doch das soll sich ändern. Bis Ende Februar will die Gruppe eine | |
Charta mit Werten und Forderungen der iranischen Zivilgesellschaft | |
veröffentlichen. Das Grundsatzpapier soll außerdem darlegen, wie der | |
Übergang zur Demokratie aussehen soll, wenn das Regime gestürzt ist. Damit | |
will die Gruppe zum einen die Opposition im In- und Ausland vereinen; zum | |
anderen soll der internationalen Gemeinschaft signalisiert werden, dass es | |
einen demokratischen Fahrplan gibt – und Ansprechpartner:innen. | |
Denn auf der politischen Bühne in Deutschland spielen die Proteste im Iran | |
nur noch eine untergeordnete Rolle. Bei einem Dinner am Freitagabend am | |
Rande der Münchner Sicherheitskonferenz erwähnte Außenministerin Annalena | |
Baerbock, Grüne, den feministischen Protest im Iran in ihrer etwa | |
halbstündigen Rede zur Feministischen Außenpolitik nur in Nebensätzen. | |
## Kooperation nach Regimesturz | |
Auf der Sicherheitskonferenz selbst nutzten die iranischen | |
Aktivist:innen das Panel „Woman, Life, Freedom: Visions for Iran“, um | |
die Bedeutung der Protestbewegung deutlich zu machen – nicht nur für die | |
Menschen im Iran, sondern auch für den Westen. Und sie redeten Deutschland | |
und den westlichen Verbünden ins Gewissen und warnten davor, den Iran zu | |
vergessen. | |
Masih Alinejad verglich die fehlende Reaktion westlicher Staaten auf die | |
Menschenrechtsverletzungen im Iran mit der verfehlten Russland-Politik: | |
„Die westlichen Staaten sagten, Putin ist in Georgien? Wir sind nicht | |
Georgien. Putin ist in Syrien? Wir sind nicht Syrien. Jetzt ist Putin im | |
Herzen Europas.“ Dasselbe werde mit dem iranischen Regime passieren. Wenn | |
der Westen nicht handle, würden die Revolutionsgarden nicht nur die Region | |
destabilisieren, sondern auch die Bevölkerungen in den USA und in Europa | |
gefährden. | |
Auch Reza Pahlavi versuchte klarzumachen, wie wichtig ein Iran ohne | |
diktatorisches Regime für die internationale Gemeinschaft wäre. Sobald | |
dieses Regime verschwände, würden sofort auch die gesamten Probleme | |
verschwinden, die die iranischen Machthaber in vier Jahrzehnten verursacht | |
hätten: [6][die nukleare Gefahr], der Terrorismus des iranischen Staats und | |
die Unterstützung des Regimes für Russland im Krieg gegen die Ukraine. | |
In den vergangenen Monaten wurden auch in Deutschland Stimmen laut, die | |
kritisch nach Alternativen zur Islamischen Republik fragten. Die Grüne | |
Europapolitiker Hannah Neumann etwa plädiert dafür, die Kritiker:innen | |
des Regimes stärker in den Blick zu nehmen. „Wenn man sagt, dass das | |
iranische Regime die eigenen Leute terrorisiert und ein Problem in der | |
Region ist, dass es Russland Drohnen liefert, um gegen die Ukraine zu | |
kämpfen – dann muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, was denn die | |
Alternativen zu diesem Regime sind,“ so Neumann gegenüber der taz. Sie | |
plädiert dafür, sich zumindest anzuhören, „welche Vorstellungen die | |
verschiedenen Akteur*innen in der Opposition – im Land und in der | |
Diaspora – für die Zukunft des Landes haben.“ | |
„Wir müssen sicherstellen, dass wir die Zivilgesellschaft im Iran | |
unterstützen und ermächtigen und das Regime schwächen,“ forderte auch die | |
Menschenrechtsaktivistin Nazanin Boniadi auf der Münchner | |
Sicherheitskonferenz. | |
Trotzdem scheint das Interesse am Austausch mit jenen Personen, die genau | |
diese Alternativen aufzeigen wollen, nicht allzu groß zu sein. Am Rande der | |
Sicherheitskonferenz in München [7][kam es laut Ned Price], Sprecher des | |
US-amerikanischen Außenministers Antony Blinken, zu einem Treffen der | |
Außenminister*innen der USA, Frankreichs, Großbritanniens und | |
Deutschlands zur Situation im Iran. Man habe über die nuklearen | |
Bestrebungen und die Beteiligung des iranischen Regimes am russischen | |
Angriffskrieg gesprochen, so Price. Außerdem hätten die | |
Außenminister*innen ihre „Solidarität mit den Menschen im Iran | |
angesichts der anhaltenden ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen im | |
Iran“ bekräftigt. Von einem Austausch mit einem*r der in München | |
anwesenden Oppositionsfiguren war allerdings nicht die Rede. | |
Die sich neu gebildete oppositionelle Vertretung scheint für politische | |
Überlegungen der deutschen und europäischen Iran-Strategie keine Rolle zu | |
spielen. Auf eine Anfrage der taz, ob die Bundesregierung Gespräche mit den | |
genannten Vertreter*innen plant, gab es von Seiten des Auswärtigen | |
Amtes bis Redaktionsschluss keine Antwort. Der Fokus scheint in den | |
Beziehungen zum Iran wie in den Jahren zuvor auf der nuklearen Frage zu | |
liegen. | |
20 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Analyst-ueber-Iran-und-die-Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5916681 | |
[2] /Nach-dem-Tod-von-Mahsa-Zhina-Amini/!5881370 | |
[3] /Iranerinnen-im-Exil/!5907408 | |
[4] /Frauenrechte-in-Iran/!5879321 | |
[5] https://securityconference.org/msc-2023/agenda/event/woman-life-freedom-vis… | |
[6] /Uran-im-Iran/!5916990 | |
[7] https://www.state.gov/secretary-blinkens-meeting-with-e3-counterparts-on-ir… | |
## AUTOREN | |
Gilda Sahebi | |
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