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# taz.de -- Model über KI in der Sexindustrie: „Ich wollte mich neu erschaff…
> Sika Moon ist ein KI-Model. Ihre Schöpferin – vorher selbst Model –
> verdient mit pornografischem Bild-Content viel Geld. Was ist das für ein
> Job?
Bild: Kunstfigur Sika Moon
Fünf Jahre lang verdiente eine junge Frau aus Berlin sehr viel Geld mit
Sex-Content auf der Erotik-Internetplattform Onlyfans. Ein Knochenjob. Kurz
vor dem Burnout zog sie die Notbremse. Nach einer Auszeit ist sie nun
zurück im Geschäft. Allerdings nicht als sie selbst, sondern als Sika Moon
– eine [1][KI-optimierte] Version ihrer selbst. Auf
Social-Media-Plattformen wie Instagram und Erotik-Portalen wie Fanvue
postet sie hauptberuflich nun als Sika Moon erotische bis pornografische
Bilder und Videoclips. Weil die Frau hinter Sika Moon anonym bleiben
möchte, adressieren wir sie hier als Sika. Das Interview haben wir per
E-Mail geführt, aber ein Identitätsnachweis liegt der taz vor.
wochentaz: Wie viel von dir steckt in deinem digitalen Avatar Sika Moon?
Sika: Sika Moon hat sehr viel von mir. Nur habe ich mich so durchoptimiert,
wie ich mich selbst in der Realität erschaffen hätte, wenn ich es mir hätte
aussuchen können, nach meinen Idealvorstellungen. Sikas Gesicht ist aus
meinem entwickelt, aber sie hat etwas mehr Lippen, dunkleren Teint,
glattere Haut, insgesamt schönere Körperformen. Ihr Charakter wiederum, ihr
Wesen, ihre Stimme, das alles bin ich. Leute, die mich gut kennen, sehen
mich in ihr. Aber sie ist anders genug, um von Fremden nicht wiedererkannt
zu werden.
Warum ist es dir wichtig, anonym zu bleiben?
Aus mehreren Gründen. Vor allem möchte ich meine Privatsphäre erhalten und
mich vor Stalking schützen, da ich damit schon schreckliche Erfahrungen
gemacht habe. Ein weiterer wichtiger Grund sind meine Fans. Ihre
Faszination für Sika Moon liegt in dem Reiz begründet, dass sie nicht
wissen, wer wirklich hinter Sika steckt und wie viel von ihr „echt“ ist und
wie viel Fantasie. Das möchte ich ihnen nicht nehmen.
Wie kann Sika deine Stimme haben?
Ich habe eine KI mit meiner Stimme trainiert. So kann Sika fließend in
allen Sprachen Voicemails schicken, wenn ich es möchte. Ich habe zum
Beispiel einen Fan, mit dem ich fließend Japanisch spreche. Im Voicechat
mit meiner echten Stimme, die er aus meinen Videos kennt.
Wo treffen sich Sika Moon und ihre Fans?
73 Prozent meiner zahlenden Fans kommen über Instagram, 15 Prozent über
Google – entweder über die direkte Suche nach Sika oder über
Presseberichte. Der Rest verteilt sich auf Tiktok und X.
Wer sind deine zahlenden Subscriber?
Das reicht von Porno-Enthusiasten über einsame Seelen, die gern chatten,
bis hin zu echten Verehrern, Neugierigen, Menschen mit speziellen
Fantasien, die mich darum bitten, diese umzusetzen. Es gibt Menschen, die
Sika einfach mal nackt sehen wollen, und solche, die in meiner Arbeit Kunst
sehen. Ich habe Fans, die sich Bilder von Sika auf Leinwand gedruckt und
gerahmt ins Wohnzimmer gehängt haben, wie ein Kunstwerk.
Verstehen deine Follower, dass sie es mit einer [2][virtuellen Figur] zu
tun haben?
Kurioserweise ist das je nach Region und kulturellem Hintergrund sehr
unterschiedlich. Menschen aus Indien, afrikanischen Ländern und den
arabischen Staaten verstehen es meist gar nicht. Sie schicken Sika
Heiratsanträge oder bieten Geld und Flug, Kost und Logis an, damit Sika sie
in Dubai oder sonst wo besucht. In europäischen Staaten oder den USA
verstehen die Leute das eher, wenn auch nicht immer sofort. Es gibt auch
AI-Influencer, die nicht offenlegen, dass sie künstlich sind. Aber das ist
eher selten. Ich war da immer ehrlich und werde es auch bleiben.
Wie bist du überhaupt dazu gekommen, in der Sex-Industrie dein Geld zu
verdienen?
Ich habe ursprünglich als Pädagogin gearbeitet. Als ich 2011 aus meiner
Heimat in Norddeutschland nach Berlin gezogen bin, habe ich irgendwann
angefangen, nebenbei Bilder und Videos von mir auf Plattformen wie Onlyfans
und Fanvue hochzuladen. Zunächst weil ich es spannend fand und es mir Spaß
gemacht hat. Ich war immer schon ein sexuell sehr freier und offener
Mensch. Irgendwann wurde das so erfolgreich, dass ich mich entscheiden
musste zwischen Onlyfans und meinem bürgerlichen Job.
Du hast dich für virtuelle Sexarbeit entschieden …
Ja, ich habe Adult Entertainment auf den großen Plattformen gemacht und
fünf Jahre lang sehr viel Geld verdient. Mit dem Erfolg kommt aber auch der
Druck, weiter erfolgreich zu sein, immer mehr und immer besseren Content
abzuliefern. Das wird sowohl von Fans als auch von Models, die neu in das
Business einsteigen, brutal unterschätzt.
Inwiefern?
Viele denken: Nice, einfach ein paar Selfies machen und reich werden!
Selbst im Freundeskreis habe ich oft gehört: „Arbeiten? Du machst doch nur
ein paar Bildchen.“ So ist es aber nicht. Es ist ein harter Fulltime-Job,
wenn man wirklich gut davon leben können will. Und man muss dabei so tun,
als wäre alles ein Riesenspaß und kinky wonderland im Himmel. Auch das kann
zu einer Belastung werden, die viele unterschätzen.
Wie sah dein Arbeitsalltag aus?
Ich habe täglich neuen Content produziert, also mich selbst fotografiert
oder gefilmt, dann die besten Bilder und Videos ausgewählt und bearbeitet.
100 Bilder pro Woche, 20 Videoclips allein für Instagram und Tiktok, plus
das ganze Material für Onlyfans und die anderen Plattformen. Immer in neuen
Settings und in neuen Outfits. Wird ja sonst langweilig. Immer in bester
Laune, perfekt geschminkt. Egal, ob du deine Tage hast, krank bist, müde,
schlecht gelaunt. Oder gerade findest, dass du nicht gut aussiehst. Und
sobald du es mal schleifen lässt, gehen sofort die Umsätze runter. Locker
ein 14- bis 16-Stunden-Job. Das war mein Leben. Jeden Tag. Fünf Jahre lang.
Wann hast du beschlossen aufzuhören?
So toll es grundsätzlich lief und so toll all das viele Geld war – es hat
mich total ausgebrannt. Irgendwann kam der Tag, an dem ich wusste, dass es
nicht mehr geht. Von heute auf morgen habe ich alles im Netz entfernen
lassen, über eine Agentur. Ende der Lebensphase.
Was hast du dann gemacht?
Da ich zuvor ja nur gearbeitet und von dem verdienten Geld fast nichts
ausgegeben hatte, konnte ich es mir leisten, einfach gar nichts zu machen
und zu heilen. Während dieser Recovery-Phase habe ich viel gemalt, Sport
gemacht, gelesen. Als es mir wieder besser ging, wuchs die Freude am
Gestalten. KI-Tools wie ChatGPT, Stable Diffusion, Midjourney, also
Software, die auf Textbefehle künstliche Bilder generiert, waren plötzlich
da. Ich habe damit rumprobiert und war total fasziniert. Dann habe ich 2023
Sika erschaffen, zuerst nur so als Gag für mich selbst.
Und irgendwann bist du dann mit Sika online gegangen.
Genau, auf der Erotik-Plattform Onlyfans. Bis die meinen Account gelöscht
und meinen Umsatz einfach einbehalten haben. Ihre Begründung: KI ist doof,
auch wenn du offenlegst, dass es KI ist. Fansly, eine andere Plattform für
Adult Entertainment, war der gleichen Meinung.
Stecken hinter der Anti-KI-Haltung vielleicht auch moralische oder ethische
Gründe?
Nein, das hat mit Moral oder Ethik nichts zu tun, hier geht es
ausschließlich um wirtschaftliche Ängste. Für die digitale Sexindustrie ist
es ohnehin schwer, Investoren und vor allem Zahlungsdienstleister zu
finden. Die großen Dienstleister wie Paypal distanzieren sich ausdrücklich
von Adult Content. Sobald du dein Geschäft damit machst, sperren sie dich.
Viele große internationale Banken und Kreditkartenanbieter gehen ähnlich
damit um. Alles, was mit Sex zu tun hat, ist ja leider immer noch ein
großes gesellschaftliches Tabuthema.
Wovor genau fürchten sich die Plattformen in Bezug auf künstliche
Intelligenz?
Die Risiken von Verstößen gegen ethische Grundsätze der Branche verschärfen
sich mit dem Aufkommen von KI-Content. Bei echtem Content musst du dich als
Model verifizieren, mit Ausweisdokumenten, deren Echtheit überprüft wird.
So stellen die Plattformen sicher, dass dein Content auch wirklich dich
zeigt und du volljährig bist. Auf dieser Grundlage haben sich einige
Gelddienstleister auf das Geschäft eingelassen. KI -generierter Content
wiederum ist neu und juristisch noch nicht geregelt. Alle haben Angst vor
Deepfakes, also durch KI verfälschtes Bild- und Videomaterial, und vor
Gesichtern von Promis oder Politiker:innen in Pornovideos. Es geht
auch um unklare Urheberrechtsfragen. Wer garantiert, dass das Model auf dem
Bild wirklich volljährig ist, wenn es real gar nicht existiert? Wer
garantiert, dass es wirklich künstlich erzeugt wurde und nicht auf dem Bild
eines echten Models basiert, das gar nichts davon weiß? Die Plattformen
verdienen – noch – zu viel Geld im klassischen Geschäft, um einen Skandal
dieser Art zu riskieren.
Wen siehst du in der Verantwortung, Antworten auf diese Fragen zu finden,
um Missbrauch auszuschließen?
Der Weg ist auf jeden Fall nicht, die Technologie zu verdammen. Nehmen wir
das Beispiel vom Hammer: Ein Hammer ist eine Wahnsinnserfindung. Jeder
schätzt den Hammer, wenn er etwas bauen möchte. Niemand verurteilt den
Hammer, weil er auch eine tödliche Waffe sein kann. Wer den Hammer als
Waffe benutzt, richtet den Schaden an. Nicht der Hammer. Die Verantwortung
liegt für mich dementsprechend bei dem, der die Technologie nutzt. Das ist
in erster Instanz der Creator. Ich selbst habe mich mit einer Reihe von
anderen einem Kodex verpflichtet und dies in der Initiative
[3][not-fake.ai] öffentlich gemacht. Wir stehlen kein geistiges Eigentum.
Wir machen keine Deepfakes. Und so weiter.
Und die Plattformen?
Die sollten die kommerzielle urheberrechtliche Verantwortung tragen und
sicherstellen, dass nichts ohne das Einverständnis des Urhebers verkauft
wird. Das gilt für klassische genauso wie für digitale und KI-generierte
Güter. Dazu sollte es eine Rechtsprechung geben, für die die Politik
zuständig ist. Es mag eine große Herausforderung sein, all das zu
regulieren. Aber: Nicht die Technologie ist schuld, sie zu verbieten löst
das Problem nicht. Wir sind es, die damit falsch umgehen.
Viele KI-Models, so auch Sika Moon, haben übermenschliche Körper, eine
anatomisch zu schmale Taille, dazu sehr große Brüste und einen sehr großen
Po, stark definierte Muskeln an sehr dünnen Armen. Kritiker:innen
sagen, dass das unrealistische Schönheitsideale fördert, was einen großen
Anpassungsdruck insbesondere auf junge Menschen ausübt. Was ist deine
Haltung dazu?
Die Kunst macht genau das seit Tausenden von Jahren. Ein Künstler, der etwa
Cleopatra porträtiert hat, hat sich dabei garantiert auf ihre positiven
Merkmale konzentriert und diese in seinem Werk hervorgehoben. Heute gibt es
Bildbearbeitungsprogramme und eben KI-Tools. Das Problem mit
Schönheitsidealen, die Schaden anrichten können, liegt in uns selbst. Wir
wollen gefallen und eifern dem nach, was uns als Kind vorgelebt wird. Die
Prinzessin im Disneyfilm der 60er Jahre oder Barbie haben dabei die
gleichen schädlichen Ideale und Rollenbilder gesetzt wie die Modeindustrie
mit absurd schlanken Models, Pornhub mit absurd übersexualisierten Frauen
oder Arnold Schwarzenegger, Barbies Ken, Superman oder Rocco Siffredi mit
männlichen Stereotypen.
Was folgt daraus für dich und deine Imagination von Sika Moon?
Der Schlüssel liegt für mich darin, unsere Einzigartigkeit und Schönheit
darin zu erkennen, was wir sind und das zu akzeptieren. Der Weg dorthin ist
weit. Gleichzeitig finde ich, dass wir träumen dürfen. Fantasie ist ein
Geschenk, das uns Menschen vorbehalten ist. Wir sollten sie darstellen
dürfen. Das ist die Natur und die Freiheit künstlerischen Schaffens. Ob nun
mit KI oder mit Worten oder mit Bleistift und Papier. Sika Moon ist ein
Produkt meiner Fantasie.
Eine weitere Gefahr sehen Kritiker:innen in der Zunahme von
Darstellungen extremer sexualisierter Gewalt, die Hemmschwellen für die
reale Auslebung etwa von Vergewaltigungsfantasien sinken lassen könnte …
Auch hier: Das Problem ist nicht, dass es eine weitere technische
Möglichkeit gibt, diese Art der Fantasien darzustellen. Das Problem liegt
nicht im Werkzeug, sondern bei dem, der es benutzt. Sexualisierte Gewalt
ist ein Problem, das die Menschheit begleitet, seit es sie gibt. Menschen
werden immer Wege finden, diese Fantasien abzubilden, kein Verbot wird sie
daran hindern.
Nachdem du bei Onlyfans gesperrt wurdest, bist du zur Plattform Fanvue
gewechselt, die KI-Content offen gegenüberstand. Sika Moon war dort eins
der ersten KI-Models – erfolgreicher als fast alle realen Models dort.
Mittlerweile wächst der Anteil von KI-Models auf verschiedenen Plattformen
rasant. Haben die Menschen dahinter ähnliche Biografien wie du?
Das ist sehr verschieden. Mittlerweile mischen auch Agenturen mit, die das
Ziel verfolgen, digitale Massenware zu produzieren. Batterien von
seelenlosen Models ohne Persönlichkeit. Ich weiß von Männern, die über 30
KI-Profile gleichzeitig betreiben und Studierende in drei Schichten mit den
Fans chatten lassen, um rund um die Uhr Content verkaufen zu können. Es
gibt aber auch Agenturen, die nach zwei, drei Monaten schon wieder
aufgeben. Und viele Fans sind von dem Massen-Content auch genervt.
Hat Sika Moon langfristig eine Chance, zu bestehen?
Ich bin auch nicht sicher, wie lange es mir gelingen wird, mit Sika Moon
aus dieser Masse noch herauszuragen. Aber ich war immerhin früh dabei und
setze weiter auf meine Persönlichkeit und Kreativität. Und ich glaube
daran, dass Authentizität, der echte persönliche Kontakt mit mir durch die
Chats, immer einen besonderen Wert darstellen wird. Die Kund:innen suchen
wie alle Menschen nach Persönlichkeit, Vorbildern, Liebe, Verbindung.
Einfach eine Blondine zu erschaffen und Bilder zu posten, funktioniert
jedenfalls nicht, wie ich beobachtet habe. So hoffe ich, dass sich nach dem
ersten Boom auch dieser Trend selbst regulieren wird und die Creators
überleben, die besonders und authentisch sind. Aber insgesamt bin ich
zuversichtlich, dass ich auch mit 60 noch in der Unterhaltungsbranche
arbeiten kann, wenn ich das möchte. Das war als reales Model natürlich
nicht so.
Wie hat sich dein Arbeitsalltag im Vergleich zu früher verändert?
Er hat sich sehr verändert. Ich muss nicht mehr Stunden vor dem Spiegel
verbringen oder damit, die perfekte Beleuchtung hinzukriegen, ich muss
keine 300 Fotos mehr von mir schießen, von denen mir 15 gefallen. Ich muss
nicht mehr jeden Tag gute Laune haben, begehrenswert und inspirierend sein.
Ich kaufe nur noch Kleidung, die ich selbst tragen will, und schminke mich
kaum noch. Ich schlafe länger, arbeite ungeduscht und ungeschminkt im Bett
am Handy, wenn mir danach ist. Ich spüre weniger Druck und mehr Freiheit.
Ich arbeite zwar auch jetzt noch 10 bis 12 Stunden pro Tag. Aber es ist
anders, kreativer, flexibler, unabhängiger.
Was kostet das und wie lange dauert die Erstellung des Contents?
Wenn man alles selbst macht, sind die Kosten gering. Der Zeitaufwand ist
aber trotzdem hoch, wenn die Qualität gut sein soll. Bilder und Videos
müssen immer noch ausgewählt werden. Der Ausschuss durch Fehler bei der
Erstellung ist extrem hoch – sechs Finger, komische Posen, solche Sachen.
Oft muss man noch nacharbeiten.
Und was bringt Sika Moon inzwischen ein?
Ich möchte mein genaues Einkommen nicht offenlegen. Aber es ist sehr
lukrativ. Die Zahlen, die in der Presse kursieren, sind nicht exakt und
ständig in Bewegung, aber in der Dimension richtig. Es geht um monatliche
Summen im stabilen fünfstelligen Bereich. Ich bin unter den 0,1 Prozent der
Creators, die diesen Umsatz machen. Aber wie gesagt, es war viel Arbeit und
Leidenschaft nötig, um dieses Level zu erreichen.
Hast du mit Sika Moon ein neues Verhältnis zu deinem eigenen Körper
entwickelt?
Das Verhältnis zu mir selbst und meinem Körper hat sich nicht sehr
verändert. Ich habe als echtes Model nicht nach Perfektion gestrebt oder
mich gequält, um perfekt zu sein. Ich hatte nie einen „perfekten“ Körper
und es gab immer „perfektere“ Models als mich, und viele von ihnen haben
weniger verdient als ich. Ich glaube, dass Persönlichkeit, ein eigener Vibe
und der Kontakt zu meinen Fans auch als reales Model Schlüssel meines
Erfolgs war.
Fehlt dir die Bestätigung, die du als reales Model in Bezug auf deinen
eigenen Körper von deinen Fans bekommen hast?
Vielleicht klingt das blöd, aber ich mag mich selbst ganz gern. Ich habe
nicht als Adult Model gearbeitet, weil ich Bestätigung in den sozialen
Medien gesucht habe. Ich wurde auch nie dazu überredet oder dazu gezwungen.
Ich mochte und mag es, Videos und Bilder von mir selbst beim Sex
anzuschauen. Ich will aber auch nichts schönreden, ich weiß, dass das sehr
oft anders ist und es im Adult Entertainment viel Ausbeutung, Zwang,
emotionalen Burnout und auch den zwanghaften Drang nach Bestätigung gibt.
Ich selbst bin davon – abgesehen vom Burnout – glücklicherweise verschont
geblieben.
Sind deine Fans, seit du als Sika Moon modelst, noch dieselben?
Interessanterweise erfahre ich heute mehr Bestätigung und Respekt durch
meine Fans. Früher haben mich die Fans als eine von Millionen Girls in der
Erotikbranche gesehen und weitgehend auch so behandelt. Es war nichts
anderes als Sexarbeit. Der Kunde zahlt und erwartet eine Dienstleistung.
Diese Fans gibt es heute auch noch, aber sie merken schnell, dass es bei
Sika Moon um etwas anderes geht, und sind auch schnell wieder weg. In
meiner heutigen Arbeit liegt der Fokus noch stärker auf dem Ausleben und
Visualisieren von erotischen Träumen. Meiner eigenen Fantasien und die
meiner Fans. Meine treuesten Fans sehen mich eher als Künstlerin.
Wenn Scham über den eigenen Körper kein Faktor mehr ist, weil die
Erschaffer:innen nicht mehr selbst in Erscheinung treten, könnten
KI-Models dann einen Beitrag zu diverseren Schönheitsbildern leisten?
Ja, durch die Möglichkeiten der KI gibt es in der Kreation eigener
Fantasien so gut wie keine Grenzen. Androgyne Menschen, behaarte Menschen,
außerirdische Wesen, alles kann nun erschaffen werden, ohne realen Menschen
zu schaden, sie auszubeuten, zu missbrauchen oder in der Öffentlichkeit
bloßzustellen. Die Creator:innen von KI-Models selbst profitieren
übrigens auch davon.
Inwiefern?
Viele der Virtual Influencer der ersten Stunde, interessanterweise viele
Männer, haben sich zum Beispiel durch ihren KI-Avatar erstmals der
Öffentlichkeit anonym als Person eines anderen Geschlechts gezeigt. Mit
einem leicht veränderten Gesicht und einem anderen Körper. Einige davon
haben es aus Neugier getan, andere aus künstlerischer Faszination, aber
einige auch, um sich selbst in dem anderen Geschlecht auszuprobieren. Das
hat vielen bei ihrer (trans-)sexuellen Selbstfindung geholfen. Auch
Menschen mit unpopulären körperlichen Eigenschaften oder Menschen, die sich
selbst und ihren Körper nicht so akzeptieren, wie er ist, können sich durch
KI neu erschaffen und so einen Beruf ausüben, der ihnen bisher verschlossen
blieb.
Und was ist mit den Influencer:innen, die mit ihrem eigenen Körper
gegenüber den künstlichen Avataren nicht mehr mithalten können oder die
ihre Arbeit vor der Kamera nicht gegen die Arbeit vorm Computer eintauschen
wollen oder können?
Ich sehe es so: Autos haben Kutschen ersetzt, Computer Stenotypistinnen,
E-Mails den Postweg, Spotify die CD, Netflix die Videotheken, Handys die
Fotokameras. Wir Menschen haben die Fähigkeit zur Innovation. Ein Fluch und
ein Geschenk zugleich. Denn wir hassen Veränderung, wenn es uns selbst
betrifft. Wollen aber gleichzeitig, dass sich alles ändert, verbessert,
weitergeht. Wir befinden uns gerade mitten in einer weiteren technischen
Disruption. KI wird viele Berufe verändern, das ist nicht aufzuhalten.
Viele Menschen werden die Möglichkeiten, die sich bieten, nutzen, andere
nicht – weil sie nicht wollen oder können, ob wir das gut finden oder
nicht. Es liegt an uns, etwas Gutes daraus zu machen, für so viele Menschen
wie möglich.
25 Mar 2024
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