| # taz.de -- Mobilitätsgarantie im Berliner ÖPNV: Fahrstuhl kaputt? Bus kommt | |
| > Wenn's mit der Barriererefreiheit bei der BVG künftig hapert, sollen | |
| > Kleinbusse aushelfen. Ausgesprochen komfortabel wird das allerdings | |
| > nicht. | |
| Bild: Nicht nur wer im Rollstuhl sitzt, kann böse Überraschungen erleben | |
| Berlin taz | Als der Senat am Dienstag den Verkehrsvertrag mit der BVG bis | |
| 2035 beschloss, war bereits davon die Rede: Eine „Mobilitätsgarantie“ für | |
| Fahrgäste mit Beeinträchtigungen solle es künftig geben. Jetzt ist auch | |
| bekannt geworden, was das konkret bedeutet. Wie Verkehrssenatorin Regine | |
| Günther (Grüne) in einem Gespräch am Donnerstagabend erläuterte, wird eine | |
| Flotte von Kleinbussen unterwegs sein, um auszuhelfen, wenn Menschen | |
| aufgrund defekter Fahrstühle oder anderer Hindernisse an einem Bahnhof | |
| nicht ein- oder aussteigen können. | |
| Das in der Senatsverkehrsverwaltung unter dem sperrigen Namen „Alternative | |
| Barrierefreie Beförderung (ABB)“ geführte neue Angebot wird zunächst in | |
| einem Pilotprojekt auf den U-Bahn-Linien 5 und 8 erprobt und evaluiert. | |
| Spätestens im vierten Quartal des kommenden Jahres soll es damit losgehen. | |
| Ab 2023 werden dann alle Berliner U-Bahnhöfe, nach Möglichkeit aber auch | |
| die S- und Regionalbahnhöfe einbezogen. Vertraglich festgelegt ist dies | |
| bislang lediglich für die BVG. | |
| „Barrierefreiheit bei Bussen und Bahnen ist mir ein Herzensanliegen“, | |
| erklärte Günther, „sie darf nicht nur ein Versprechen bleiben, und sie darf | |
| nicht dauerhaft an kaputten oder fehlenden Fahrstühlen scheitern.“ Die | |
| Senatorin sprach von einem „bundesweit einmaligen System“, bei dem „jede | |
| mobilitätseingeschränkte Person in Berlins öffentlichem Nahverkehr in jeder | |
| Situation vorankommt“. Abgesprochen sei dies alles auch mit Vertretungen | |
| und Verbänden von Menschen mit Behinderungen. | |
| Dass irgendjemand sich auf dieser Grundlage bequem durch die Stadt fahren | |
| lassen wird, davon kann allerdings keine Rede sein. Das wird deutlich, wenn | |
| man sich das geplante Prinzip vergegenwärtigt: Fahrgäste, die aufgrund | |
| eines defekten Fahrstuhls einen Bahnhof nicht erreichen oder nicht | |
| verlassen können, müssen mit der „ABB-Zentrale“ der BVG Kontakt aufnehmen… | |
| telefonisch oder per App. Deren MitarbeiterInnen versuchen dann erst | |
| einmal, eine alternative Route anzubieten, die auch etwas mehr Zeit in | |
| Anspruch nehmen kann und bis zu zwei (barrierefreie) Umstiege beinhaltet. | |
| Nur wenn das nicht möglich sein sollte, wird ein Kleinbus gerufen, der in | |
| spätestens 20 Minuten eintreffen soll und die Person befördert: bis zum | |
| nächstgelegenen barrierefrei zugänglichen Bahnhof, von dem die Reise | |
| fortgesetzt werden kann. Sollte das Problem am Zielbahnhof liegen, wird | |
| dieser vom letzten barrierefreien Haltepunkt aus angefahren. | |
| ## Kein Tür-zu-Tür-Service | |
| Einen Tür-zu-Tür-Service gibt es nicht. Zwar gilt die Garantie nicht nur | |
| bei spontanen Fahrstuhldefekten, sondern auch, wenn eine Fahrt geplant | |
| wird. Aber wenn etwa der wohnungsnächste Bahnhof über keinen Fahrstuhl | |
| verfügt, müssen die Fahrgäste sich trotzdem erst dorthin begeben. | |
| Günther zufolge hat die BVG eine Bedarfsanalyse für das Angebot erstellt. | |
| Nach deren vorläufigen Abschätzungen werden im Falle des stadtweiten | |
| Roll-outs rund 40 Kleinbusse benötigt – ein Viertel davon für die Abdeckung | |
| nicht-barrierefreier Bahnhöfe, der Rest für spontane Aufzugsstörungen oder | |
| bei reparatur- oder umbaubedingten längerfristigen Ausfällen. Die BVG werde | |
| die Dienstleistungen nach Bestellung durch den Senat im Januar | |
| ausschreiben. Die Abstimmung mit dem Verkehrsverbund und der privat | |
| organisierten S-Bahn wurde bereits gestartet. | |
| Für Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB ist die Mobilitätsgarantie | |
| „natürlich erst mal eine gute Sache“. Allerdings wendet er ein, dass | |
| defekte Fahrstühle deswegen auf keinen Fall weniger zügig repariert werden | |
| dürften: „Die Dinge haben zu funktionieren!“ | |
| Nicht jeder Fall einer körperlichen Einschränkung sei so offensichtlich wie | |
| im Falle einer Rollstuhlnutzung, und „auch eine vierköpfige Familie mit | |
| Reisegepäck ist mobilitätseingeschränkt“. Wichtig sei in jedem Fall, die | |
| Garantie auch in künftige Verkehrsverträge mit den anderen Anbietern wie | |
| der S-Bahn GmbH und der DB Regio aufzunehmen. | |
| Bei der BVG gibt es zurzeit 174 U-Bahnhöfe, von denen 138 „stufenfrei“ | |
| erreichbar sind, wie das landeseigene Unternehmen mitteilt. Der Begriff | |
| „barrierefrei“ wird in diesem Fall nicht genutzt, weil einige dieser | |
| Bahnhöfe – auf der U5 – nicht über einen Fahrstuhl, sondern lediglich üb… | |
| eine Rampe verfügen. | |
| Die BVG treibt den Ausbau mit Fahrstühlen allerdings voran. Erst am | |
| vergangenen Mittwoch gingen zwei neue Aufzüge in Betrieb: Die U-Bahnhöfe | |
| Sophie-Charlotte-Platz (U2) und Kurfürstenstraße (U1/U3) sind jetzt | |
| barrierefrei mit der Straßenebene verbunden, der Umbau kostete insgesamt | |
| rund 6 Millionen Euro. | |
| 18 Dec 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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