# taz.de -- Milde Mystery-Serie: „Der Berg ist zornig“ | |
> Zwischen Zwetschgenkuchen und dem zweiten Gesicht. Die Mystery-Mini-Serie | |
> „Schnee“ liefert Gipfelgrusel der milderen Sorte ab. | |
Bild: Halboffene Münder gibt es in „Schnee“ nicht selten | |
Pünktlich zur düsteren Jahreszeit steigt je nach Gemütsveranlagung entweder | |
das Bedürfnis nach Feelgood oder nach Suspense im Seriengetümmel. Als | |
Gemeinschaftsproduktion von arte, ORF und ARD steht nun für die | |
Ablehner:innen englischer Landhaus-Epen eine Thriller-Mystery-Serie zu | |
Verfügung, die nur auf den ersten Blick alles mitzubringen scheint, was | |
Grusel unter Couchwolldecken zu erzeugen vermag. | |
Der 6-Teiler „Schnee“ führt uns in die Tiroler Berglandschaft, in das Dorf | |
„Rotten“. Sie ahnen es – der Name ist Programm. Eine 4-köpfige Wiener | |
Familie hat sich entschlossen, in die alte Heimat des Mannes | |
zurückzukehren, der guten Luft wegen, denn die Tochter leidet an Asthma. | |
Bald wissen wir, dass das keine gute Entscheidung war. | |
In der Manier des Filmklassikers „The Shining“ von [1][Stanley Kubrick] | |
schweben Drohnenkameras über kurvige Gebirgsstraßen, wabern düster | |
bläuliche Nebel. Das, obwohl bereits Winter ist, ewig schlechte, matschige | |
Wetter in dieser Gegend deutet an, was das Grundrauschen der Serie | |
ausmacht: kein Schnee, weil zu warm. | |
## Tochter besitzt „Die Gabe“ | |
Vor 40 Jahren kam hier eine Umweltschützerin rätselhaft zu Tode, als sie | |
statt des zerstörerischen, kapitalistisch geprägten Skirummels lieber ein | |
Naturschutzgebiet im Heimatgebirge installieren wollte. | |
Nun taucht ihr bleicher Körper im abschmelzenden Gletscher wieder auf, was | |
viele nervt, denn „die Neue“, Lucia (Brigitte Hobmeier), beginnt Fragen zu | |
stellen. Und nicht nur das – ihre Tochter (Laeni Geiseler) habe den Fundort | |
der Aktivistinnenleiche „gesehen“, weil sie „die Gabe“ habe. Spätesten… | |
dieser Stelle schwappt offensichtlich Mystery hinein. | |
Zwischen Kameraeinstellungen, die an [2][Leni Riefenstahl]’sche | |
Bergfantasien gemahnen, agieren die Schauspieler:innen in einer | |
vollkommen humorfreien Zone. Zwischentöne werden im Keim erstickt. Durch | |
halboffene Münder und weit aufgerissene Augen wird immer schon Minuten | |
vorher signalisiert, dass gleich etwas außerordentlich Unheimliches | |
passieren wird. | |
## Frauenfiguren prägen die Handlung | |
Besonders Hobmeier, die eine fantastische Schauspielerin ist, muss so unter | |
ihren Möglichkeiten bleiben, weil ihr dialogisch und mimisch kaum | |
Spielräume gelassen werden. Sie gibt die Rätselhafte mit roten Haaren, die | |
verfolgte Hexe, die durch Zweifel und Fragen Unruhe stiftet und deren | |
bisher ungeklärte Herkunft eng mit der Gletscherleiche verbunden ist, wie | |
sich langsam aufblättert. | |
Frauenfiguren prägen die Handlung, was sicher nicht zuletzt den | |
Serienmacherinnen zu verdanken ist (denn Drehbuch und Regie lagen | |
ausschließlich in weiblicher Hand). Bis dahin: so weit, so in Ordnung. | |
Was jedoch, trotz der handwerklichen Qualität der Serie, wirklich stört, | |
ist die permanente Überfrachtung der Story mit Symbolen. So erscheint zum | |
Beispiel immer dann, wenn es brenzlig wird, ein Wolf – ein in der | |
[3][griechischen Mythologie] als Helfer und Retter markiertes Tier, weshalb | |
auch meistens alles gut geht. | |
Es wird willkürlich in dunkle Keller und Höhlen hineingegangen, es tauchen | |
Gestalten auf, die einfach da stehen und erschüttert angeglotzt werden, bis | |
sie ohne Erklärung wieder verschwinden, und es schneit dekorativ im | |
Gegenlicht. | |
## Schauspielerisch inkonsistent | |
Die eher wortkargen Figuren – später kommt noch ein Kommissar dazu (Stipe | |
Erceg), der zwischen seinen Sätzen gefühlt bis 10 zählt – sagen Sätze wie | |
„Der Berg ist zornig“ oder flüstern in [4][Mundart] „Wir müssen da auff… | |
Zudem wirken die Reaktionen der Akteure seltsam inkonsistent, als wären die | |
Szenen mit erheblichem Abstand hinter- und durcheinander gedreht worden, | |
sodass vielleicht oft nicht mehr klar war, wer nun verzweifelt zu agieren | |
oder in Kaffeeklatschlaune zu schauspielern hat. | |
In „Wenn die Gondeln Trauer Tragen“ (auch an diesen Film erinnert einiges) | |
wird wenigstens geschnackselt. „Schnee“ kommt nach 6 Folgen zu einem | |
absehbaren Ende, und als die Familie per Heli den Ort verlässt, geht über | |
den Bergen die Sonne auf. Endlich. | |
19 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://blogs.taz.de/popblog/2020/04/30/kubrick-erzaehlt-kubrick-der-meiste… | |
[2] /Nachlass-von-Leni-Riefenstahl/!5499802 | |
[3] /Griechische-Sagen/!5959408 | |
[4] /Neuer-Podcast-Schwarz--Rubey/!5967968 | |
## AUTOREN | |
Rebecca Spilker | |
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