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# taz.de -- Neue ZDF-Serie „Hameln“: Horror auf Mittelniederdeutsch
> Die Serie „Hameln“ holt die bekannte deutsche Sage des Rattenfängers in
> die Gegenwart. Echter Grusel bleibt dabei aus.
Bild: Welchen Twitter-Rant hat der Rattenfänger jetzt verbrochen?
Die deutsche Sagenwelt beinhaltet genug schaurige Geschichten, die,
wiederentdeckt und modern interpretiert, ein historisches Horrorgenre aus
dem deutschsprachigen Kulturschatz bilden könnten.
Regisseur und Headautor Rainer Matsutani hat dieses Vorhaben nun begonnen:
Erstmals wurde die weltweit bekannte und meistübersetzte deutsche Sage des
Rattenfängers von Hameln in ein modernes Horror-Mystery-Format übertragen
und soll [1][in sechs Folgen] die alte Sagenwelt mit den Schrecken der
Jetztzeit verknüpfen.
Der Sage nach befreite im 13. Jahrhundert ein Rattenfänger mit seiner Flöte
die Stadt Hameln von einer [2][Rattenplage] – die Tiere folgten seinem
Musikspiel in die Weser und ertranken. Als die Bürger der Stadt ihm seinen
vereinbarten Lohn verweigerten, kehrte der Mann zurück und lockte aus Rache
mit seiner Melodie die Kinder Hamelns aus der Stadt und verschwand mit
ihnen im Poppenberg. 130 Kinder soll Hameln so verloren haben, lediglich
„ein stummes, ein blindes und ein lahmes Kind“ blieben – je nach
Überlieferung variierend – verschont.
## Sage mit modernem Twist
In der Serie werden die blinde Finja (Caroline Hartig), der gehörlose
Jannik (Constantin Keller) und der im Rollstuhl sitzende Ruben (Riccardo
Campione) in unserer Gegenwart nun von Geisterkindern angegriffen und von
Träumen heimgesucht, in denen sie sich gegenseitig in mysteriösen
Zeitrückblicken im Mittelalter sehen. Die drei verbünden sich und verstehen
schnell, dass sich der Rattenfänger von Hameln ([3][Götz Otto]) rächen will
und Besitz von heutigen Kindern und Jugendlichen ergreift, die ihre Eltern
daraufhin ermorden.
Rubens Halbschwester Alina (Emilia Maier), Tochter des gemeinsamen Vaters
und ermittelnden Kommissars Erik Zastrow (Christian Erdmann), ist eine
dieser vom Rattenfänger besessenen Jugendlichen und wird zur Gefahr.
Der moderne Twist der Geschichte: Die heutigen Eltern müssen nicht für die
Schuld der damaligen Bürger Hamelns büßen, sondern für eigene Vergehen wie
Mord, [4][Machtmissbrauch] und Vertuschung – nur durch ein Schuldbekenntnis
können sie dem mörderischen Fluch des Rattenfängers entkommen.
## Schwer hat’s die Liebe
Bei allen lobenswerten Versuchen, eine Traditionssage mit gegenwärtigen
Schuldmotiven zu verknüpfen und so in die Gegenwart zu holen, versäumt die
Serie einiges. Über logische Inkohärenzen hier und da könnte hinweggesehen
werden, leider sind auch die Horrorelemente kaum als solche zu bezeichnen:
Wenn besessene Jugendliche anfangen, in verzerrter Stimme auf
Mittelniederdeutsch zu sprechen, klingt das eher belustigend als
angsteinflößend; auch die übrigen Horroreffekte sind alles andere als
gruselig.
Dann sextet Veronica Ferres als Mutter von Jannik und Sam (Jonathan Elias
Weiske) noch mit verschmitztem Lächeln vor sich hin („Er heißt André. Ein
Geschäftsmann.“), was ihre an einen Rosamunde Pilcher-Plot erinnernde
Schuld wird, für die sie sühnen muss: sich neu zu verlieben, während ihr
Gatte (Simon Böer) im Wachkoma liegt – schwer hat’s die Liebe in diesen
Tagen.
Trotz origineller Idee und bemerkenswerten Jungdarsteller:innen
verfehlt „Hameln“ den wirklich neuen Kniff, das wirklich gruselige Moment,
und ermutigt hoffentlich trotzdem, die Suche im deutschen Sagenschatz
fortzusetzen.
2 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.zdf.de/serien/hameln
[2] /Ein-Kammerjaeger-erzaehlt/!5521015
[3] /Oeffentliche-Lesung-von-Hitlers-Mein-Kampf/!5351375
[4] /Machtmissbrauch-an-Musikhochschulen/!5992156
## AUTOREN
Marie-Sofia Trautmann
## TAGS
Hameln
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Müll
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