# taz.de -- Linke Position zum US-Handelskrieg: Gegen den deutschen Exportfetis… | |
> Kaum jemand hat Verständnis dafür, dass Trump einen Handelskrieg | |
> anzetteln will. Der Ökonom Heiner Flassbeck dagegen findet es richtig. | |
Bild: Deutscher Stahl soll teurer werden | |
BERLIN taz | Bilanzdefizit? Strafzölle? Handelskrieg? Wie idiotisch! Quasi | |
niemand hat Verständnis für das, was der irre US-Präsident jetzt schon | |
wieder plant: Mit seinen Strafzöllen, die in der kommenden Woche | |
höchstwahrscheinlich europäischen Stahl und europäisches Aluminium in den | |
USA verteuern werden, endet eine jahrzehntelange Ära des Welthandels, in | |
der Amerikaner und Europäer Waren austauschten – und dadurch ganz schön | |
reich wurden. Oder etwa nicht? | |
Dieser Trump! Baut Mauern, pöbelt, zündelt – jetzt will der | |
Präsidentenrüpel auch noch den transatlantischen Wohlstand für die | |
„nationale Sicherheit“ aufgeben! Weil „Handelskriege leicht zu gewinnen“ | |
seien, droht er sogar mit Strafzöllen auf das Heiligste: deutsche Autos. | |
Die brauchen die Amis, so die Wahrnehmung auf dem alten Kontinent. Janis | |
Joplin sang ja schon 1970: „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?“ | |
Niemand versteht Trump. „Mir sträubt sich auch alles, eine Aktion von ihm | |
richtig zu finden“, sagt dagegen Heiner Flassbeck. Und: „Aber das mit den | |
Strafzöllen macht er richtig.“ Flassbeck ist nicht irgendwer. Er war | |
Staatssekretär im Finanzministerium unter Oskar Lafontaine und jahrelang | |
Chefökonom der UN-Handels- und Entwicklungsorganisation UNCTAD. Der | |
Keynesianer hält wirklich nicht viel vom Republikaner. Aber: „Auch ein | |
blindes Huhn findet mal ein Korn“, sagt Flassbeck. | |
Während die große Mehrheit der Ökonomen, Politiker oder Manager betont, | |
Strafzölle hätten in der Sache so wenig mit dem von Trump bemängelten | |
Handelsbilanzungleichgewicht zu tun wie Erdnussbutter aus Alabama mit einem | |
Porsche, spricht Flassbeck von Notwehr. | |
## „Die Produkte sollen teurer werden“ | |
Der Mainstream sagt, dass Trump spinnt, weil er erstens mit Stahl und | |
Aluminium eine Branche des 19. Jahrhunderts pampern will. Zweitens, so | |
sieht es zum Beispiel auch Gustav Horn, würden ja alle US-Firmen, die Stahl | |
und Alu für ihre Cadillacs, Bierdosen oder Gewehrläufe brauchen, unter den | |
Strafzöllen leiden. „In der Summe erhält Trump weniger Arbeitsplätze in der | |
US-Stahlindustrie, als er in anderen Branchen vernichtet“, sagt der Chef | |
des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK. Horn: „Die | |
Strafzölle sind ein Schuss, der nach hinten losgeht, auch aus US-Sicht.“ | |
Dass Trump die Zölle auch noch mit mehr Verteidigungsausgaben verquickt, | |
findet auch Flassbeck hirnrissig. Ansonsten widerspricht er vehement: „Die | |
Produkte sollen doch teurer werden, damit die Amerikaner Stahl und | |
Aluminium endlich wieder selber produzieren. Jetzt entdecken alle plötzlich | |
die armen amerikanischen Verbraucher“, sagt er und lacht. | |
Ansonsten ist die Front der Trump-Versteher überschaubar. | |
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker poltert: „Wir sind nicht naiv!“, und | |
droht mit Strafzöllen auf US-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder oder | |
Levi’s-Jeans, eine EU-Liste umfasst US-Produkte für 2,8 Milliarden Euro. | |
Die Bundesregierung rüffelt Trumps Protektionismus, Kanzlerin Angela Merkel | |
spricht von einer globalen „Krise des Multilateralismus“. | |
Zu Hause warnt die US-Handelskammer Trump vor einem „zerstörerischen | |
Handelskrieg“ und Importzöllen auf chinesische Waren im Wert von 60 | |
Milliarden Dollar. Sein Wirtschaftsberater wirft das Handtuch, 107 | |
Abgeordnete der eigenen republikanischen Partei schreiben in einem offenen | |
Brief, sie seien „tief besorgt“. Auch viele Ökonomen sind konsterniert: Der | |
liberale US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman wütet über den | |
„schimpfenden, schlecht informierten alten Mann“, Trumps | |
Wirtschaftspolitik sei desaströs. Trump aber twittert: „Die Europäische | |
Union, wunderbare Länder, die die USA beim Handel sehr schlecht behandeln“ | |
– und es klingt ungelenk. „Wenn sie ihre schrecklichen Barrieren und Zölle | |
auf eingeführte US-Produkte fallen lassen, werden wir umgekehrt unsere | |
aufgeben. Großes Defizit. Wenn nicht, erheben wir Zölle auf Autos etc. | |
FAIR!“ | |
## Wo ein Überschuss, da auch ein Defizit | |
Für Flassbeck ist das Trumps Hauptanliegen: Das absurd riesige | |
Handelsdefizit der Amerikaner. Allein 2017 importierten die USA Waren und | |
Dienstleistungen im Wert von 566 Milliarden Dollar mehr, als sie | |
exportierten. Das größte Defizit gab es mit China (375,2 Milliarden | |
Dollar), mit Deutschland waren es 64,3 Milliarden Dollar. | |
Ja und? Das Problem: Wo ein Überschuss ist, ist auch ein Defizit. Da es | |
bereits seit drei Jahrzehnten Defizite gibt, haben die USA einen | |
gigantischen Schuldenberg angehäuft. Schon jetzt hat Washington über 20 | |
Billionen Dollar Miese, knapp 130 Prozent der jährlichen | |
Wirtschaftsleistung. Das ist kein Theorie-Szenario aus VWL-Seminaren, | |
sondern möglicherweise eine echte Zeitbombe für die Weltwirtschaft. Wie | |
gefährlich Staatsschulden sein können, erfuhren in der Eurokrise Länder wie | |
Griechenland: Als die Anleger befürchteten, dass Athen seine Schulden nicht | |
mehr zurückzahlen kann, stiegen die Zinsen ins Unbezahlbare, das Land | |
stürzte in die Katastrophe. | |
Längst versuchen die USA deshalb, das Handelsdefizit wegzuverhandeln. Schon | |
die Bushs sprachen es immer wieder an, Barack Obama sprach es an. „Endlich | |
handelt Trump – und versucht, sich gegen die deutschen Dumper zu wehren“, | |
sagt Flassbeck. Er meint damit, und das ist auch das dezidiert Linke an | |
Flassbecks Position: Mit seinen viel zu niedrigen Löhnen habe sich | |
Deutschland auf den Weltmärkten eine ungerechtfertigt gute Position | |
verschafft. | |
Begünstigt werde der deutsche Exportfetisch durch den viel zu schwachen | |
Euro: „Zweifach gedumpt“, betont Flassbeck, „da stimmt sogar Herr Sinn mit | |
mir überein.“ Hans-Werner Sinn, das ist der einstige Chef des ifo, eines | |
konservativen Wirtschaftsforschungsinstituts in München, und insofern für | |
Flassbeck eine nicht so schlechte Referenz. Ausgerechnet IMK-Direktor Horn | |
widerspricht hier: „Anders als im vergangenen Jahrzehnt sind unsere | |
Lohnabschlüsse mittlerweile so, dass sie die Tendenz zum Überschuss nicht | |
weiter erhöhen.“ Horn und andere fordern, mit mehr Investitionen solle die | |
Große Koalition Binnennachfrage und Importe ankurbeln – dann werde sich | |
auch das deutsche Überschussproblem langsam legen. | |
## Die „schwarze Null“ aufgeben | |
Für Flassbeck ist das unzureichend. Die Bundesregierung solle endlich die | |
„schwarze Null“ im Etat aufgeben, sonst drohe eine Katastrophe: Der | |
Exportweltmeister habe mit seinem Sparwahn längst ganz Südeuropa in die | |
Krise geritten. „Auch Frankreich und Italien geht es extrem schlecht“, sagt | |
der Ökonom. „Die Italiener wählen so extrem, weil sie sechs Jahre Rezession | |
hinter sich haben, die Franzosen sechs Jahre Stagnation – wegen | |
Deutschland“, meint Flassbeck. | |
Ähnlich sieht das Ernst-Christoph Stolper, Bundesvize des BUND. „Der | |
deutsche Handelsüberschuss hat niemanden zum Freund“, sagt Stolper, der die | |
großen Proteste gegen TTIP mitorganisiert hat. Das europäisch-amerikanische | |
Freihandelsabkommen, das US-Präsident Trump 2017 einfach kurz vor seiner | |
Vollendung auf Eis legte, sei auch wegen mangelnder demokratischer | |
Beteiligung gescheitert. Die fehle auch beim aktuellen Handelskonflikt, | |
meint Stolper, der auch mal Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von | |
Rheinland-Pfalz war. | |
Für ihn zeigt der Streit, „wie wichtig es ist, sich für einen | |
multilateralen, nach sozialen und ökologischen Mindeststandards gestalteten | |
Welthandel einzusetzen“. Immerhin: „Wir haben ja nicht nur die Wahl | |
zwischen neoliberaler radikaler Marktöffnung und Trump’schem | |
Protektionismus“, sagt Stolper. | |
So sieht das auch Roland Süß, Handelsexperte von Attac. Aber auch er hält | |
die Strafzölle Trumps für „Erpressung, damit bekommt man die | |
Ungleichgewichte nicht aus der Welt“. | |
Der linke Ökonom Flassbeck bleibt bei seiner These: „Deutschland braucht | |
viel schneller steigende Löhne, nämlich fünf Prozent pro Jahr fünf Jahre | |
lang. Und ein massives öffentliches Investitionsprogramm, | |
schuldenfinanziert natürlich, 100 Milliarden Euro pro Jahr“, sagt der | |
Ökonom. „Dann“, so Flassbeck, „sind die Amis zufrieden, dann ist das The… | |
durch.“ | |
17 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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