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# taz.de -- Freihandelsabkommen mit den USA: TTIP abgespeckt wieder da
> Die Bundesregierung will den Streit zwischen der EU und den USA mit einem
> neuen Handelsabkommen eindämmen. Das alarmiert AktivistInnen.
Bild: Demonstration gegen das Handelsabkommen TTIP: die erste europäische Prot…
BERLIN taz | Er und sein Ministerium wollen es offiziell nicht so nennen,
aber faktisch kämpft er für ein TTIP light: Bundeswirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU) will den eskalierenden Streit zwischen der EU und den USA
mit einem Handelsabkommen eindämmen. Bei seinen EU-KollegInnen wirbt
Altmaier darum, sich auf gemeinsame Verhandlungspunkte zu einigen.
US-Präsident Donald Trump hatte im März die Zölle auf Stahl- und
Aluminiumimporte drastisch angehoben. Für Einfuhren aus der EU hatte er
Ausnahmen genehmigt, die er Ende April um einen Monat bis Ende Mai
verlängert hat. Jetzt haben beide Seiten die Chance, einen drohenden
Handelskrieg zu vermeiden.
„Die Gespräche der EU mit den USA und auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten
laufen“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. „Ziel ist
es, zügig eine gemeinsame Position in Europa abzustimmen – dazu gibt es
mehrere denkbare Vorschläge.“ Im Interesse der Arbeitsplätze müsse das Ziel
sein, dass Zölle sinken und nicht steigen.
## Pakt schien erledigt
Dass Altmaier und sein Ministerium den Ausdruck TTIP selbst nicht in den
Mund nehmen, ist nachvollziehbar. Diese Buchstabenkombination erzeugt bei
Millionen von Menschen Abwehrreflexe. Sie steht für Transatlantic Trade and
Investment Partnership (Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft). Die Wiederkehr des tot geglaubten
Handelsabkommens alarmiert unzählige AktivistInnen, die noch vor Kurzem
gegen den als demokratiefeindlich kritisierten Handelspakt Hunderttausende
zu Demonstrationen mobilisierten.
Jahrelang haben die USA und die EU über den Abschluss dieses Handelspakts
neuen Typs verhandelt – vergebens. Das Abkommen sollte über
Zollvereinbarungen weit hinausgehen und Schiedsgerichte für Unternehmen und
Entscheidungsgremien neben den Parlamenten vorsehen. Damit sollten
demokratische Entscheidungen ausgehebelt werden – sagen die KritikerInnen.
Die BefürworterInnen verweisen darauf, dass so Wirtschaftswachstum
angekurbelt würde.
Mit der Wahl von Donald Trump im Jahr 2016 zum US-Präsidenten schien der
Wirtschaftspakt endgültig erledigt zu sein. Trump ist erklärter
TTIP-Gegner. Doch dass der US-Präsident sich vehement gegen mehr Freihandel
ausspricht, heißt nicht unbedingt, dass er partout gegen eine Reaktivierung
von TTIP in mehr oder weniger abgespeckter Form ist. Er hat auch gegen das
Pazifische Freihandelsabkommen TPP gewettert und die Unterzeichnung
verweigert. Jetzt lässt er den Einstieg der USA prüfen.
Die einstigen Stopp-TTIP-AktivistInnen sind in der deutschen Öffentlichkeit
kaum noch sichtbar. Aber es gibt sie noch. Bündnisse wie „Stopp TTIP“ oder
„TTIP unfairhandelbar“, an denen Hunderte Organisationen beteiligt waren
und die den Protest zu einem Massenphänomen gemacht haben, gibt es zwar
nicht mehr. Aber sie sind im Netzwerk Gerechter Welthandel aufgegangen, in
dem rund 70 Organisationen wie Attac, der DGB, Campact oder die
Naturfreunde Mitglied sind.
## Chlorhühnchen
Nicht alle einstigen Bündnispartner sind dabei, vor allem lokale
Initiativen fehlen – aus Kostengründen, heißt es beim Netzwerk. Denn die
Mitgliedschaft kostet jetzt 200 Euro im Jahr. Auch aus anderen Gründen
drohen Bündnispartner verloren zu gehen. Die Grünen etwa denken darüber
nach, ob die Ablehnung von TTIP angesichts der brachialen Handelspolitik
Trumps nicht falsch gewesen ist. Vielen, die einst gegen TTIP
demonstrierten, dürfte es ähnlich gehen.
Trotzdem: Die Anti-TTIP-AktivistInnen sind davon überzeugt, bei Bedarf
relativ rasch erneut eine Protestwelle in Gang setzen zu können. „Die alten
Strukturen werden schnell reaktivierbar sein“, sagt Jürgen Maier vom Forum
Umwelt und Entwicklung, das zum Netzwerk Gerechter Welthandel gehört.
„Schließlich geht es um die gleichen Fragen.“
Das gelte etwa für Chlorhühnchen und Hormonfleisch aus den USA. Sie dürfen
derzeit nicht nach Europa exportiert werden. In den USA werden Hühner in
Chlor desinfiziert. Auch mit der Schreckensvision, dass solche
Nahrungsmittel in den europäischen Handel kommen, mobilisierten die
AktivistInnen. Das könnte auch jetzt wieder ein Ansatzpunkt sein.
## Mandat nötig
Die US-Landwirtschaft drängt darauf, den europäischen Markt für
US-amerikanische Produkte zu öffnen. Das könnte der Tausch sein für den
Verzicht auf höhere Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. „Trump macht
keine Konzessionen. Die EU aber schon“, fürchtet Maier. Europa habe maximal
den Status quo zu gewinnen. Am 15. und 16. Juni veranstaltet das Netzwerk
in Frankfurt am Main eine Aktionskonferenz. Dort wird es auch um TTIP light
und Trumps Handelspolitik gehen.
„Es wäre hochproblematisch, wenn das Verhalten von Donald Trump belohnt
würde“, sagt Felix Kolb, Geschäftsführer der Kampagnen-Organisation
Campact. Noch ist zwar nicht klar, wie ein Abkommen zwischen EU und den USA
aussehen könnte. „Wenn Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der
EU und den USA geführt werden sollen, braucht es ein Mandat“, sagt er.
Dieses Mandat der europäischen Länder für eine Verhandlungskommission müsse
an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. „Grundsätzlich muss ein Abkommen
zum Beispiel in den Dienst des UN-Klimaabkommens gestellt werden“, fordert
Kolb. Seine Organisation hat im vergangenen Jahr ein Konzept für einen
fairen Welthandel vorgelegt. Die einstigen TTIP-GegnerInnen haben sich
neben dem Kampf um andere Handelsabkommen wie dem kanadisch-europäischen
Ceta, das sich momentan im Ratifizierungsprozess befindet, grundsätzlichen
Fragen des Welthandels zugewandt,
## Frei ist nicht gleich fair
Zu den derzeitigen ungerechten Handelsregeln gehört nach Auffassung von
Campact, dass für Exportnationen die gleichen Vorgaben gelten wie etwa für
zentralafrikanische Staaten. „Ohne Schutzzölle sind Entwicklungsländer in
vielen Sektoren nicht wettbewerbsfähig“, sagt Kolb.
Damit die leistungsstarke Konkurrenz aus dem „globalen Norden“ die
heimischen Märkte nicht zerstöre, sollten Entwicklungsländer geringere
Verpflichtungen zur Marktöffnung eingehen als Industrieländer. „Ein
selektiver Schutz sich entwickelnder Branchen – das Erfolgsrezept vieler
asiatischer Länder – ist ein wichtiger Baustein für die wirtschaftliche
Entwicklung. Handelsabkommen müssen das ermöglichen.“
Auch wenn sie sich punktuell für Schutzzölle einsetzen, legen die
Stopp-TTIP-AktivistInnen großen Wert darauf, nicht mit Trump als
Freihandelsgegner in einen Topf geworfen zu werden. Denn BefürworterInnen
eines Handelsabkommens zwischen EU und den USA behaupten gern, dass die
AktivistInnen genauso protektionistisch seien wie Trump.
„Das ist üble Nachrede“, sagt Maritta Strasser, künftige
Bundesgeschäftsführerin der Organisation Naturfreunde. „Wir kämpfen für
einen gerechten Welthandel. Damit hat Trump nichts am Hut.“ Ein gerechter
Welthandel sei nicht automatisch ein freier Welthandel. „Entwicklungsländer
müssen ihre Märkte schützen können, damit ihre eigenen
Wirtschaftsstrukturen eine Chance haben“, sagt sie. Das ist genau das, was
Trump mit seiner „America first“-Politik nicht will.
8 May 2018
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
Schwerpunkt TTIP
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