# taz.de -- Kommentar Kriegsberichterstattung: Blutige Medienmaschine | |
> Jetzt, da ein deutscher Auslandsreporter im dortigen Einsatz schwer | |
> verletzt wurde, bekommt Syrien wieder Sendezeit. Ansonsten gerät der | |
> Konflikt in Vergessenheit. | |
Syrien macht dieser Tage in Deutschland Schlagzeilen. Weniger das Land | |
selbst und der Krieg, als die Tatsache, dass ein deutscher Auslandsreporter | |
im dortigen Einsatz [1][schwer verletzt wurde]. Die Respektbezeugungen und | |
Genesungswünsche für meinen einstigen Kairoer Fernsehkollegen und | |
ARD-Reporter Jörg Armbruster, dessen Unterarm von einer Scharfschützenkugel | |
zersplittert wurde, überhäufen sich – zu Recht. | |
Und mein ehemaliger ARD-Rundfunkkollege aus Kairo, Martin Durm, der mit ihm | |
im Auto saß, kommt nun ausführlich in den Medien zu Wort. Er darf sogar bei | |
Frank Elstner als einer der „Menschen der Woche“ über seine Erfahrungen | |
sprechen. Durm macht das sehr nachdenklich und weist immer wieder darauf | |
hin, dass „uns das passiert ist, was Syrern jeden Tag passiert“. Besser | |
könnte er die gesteigerte Medienaufmerksamkeit nicht für Syrien nutzen. | |
Der Platz, der den Kollegen nun in den Medien gewährt wird, kommt frei nach | |
dem Motto: Richtig zum Zug kommt die Auslandsberichterstattung nur, wenn | |
der Berichterstatter verletzt oder getötet wurde. | |
Das ist vielleicht die ultimative Perversion der Medienmaschine. Wie alle | |
Kollegen, die frei oder fest als Korrespondenten arbeiten, hatten auch | |
Armbruster und Durm in ihrer Zeit als Korrespondenten in Kairo immer wieder | |
Probleme, ihre hart erarbeiteten Geschichten zu platzieren. „Ach, wieso | |
denn schon wieder der Irak“ oder „das unübersichtliche Syrien, das will | |
keiner mehr hören oder sehen“, wären einige klassische Redaktionsantworten. | |
So starben die Iraker nach dem Abzug der US-Truppen einen langsamen | |
Medientod und der syrische Konflikt wird auch in Vergessenheit geraten, je | |
länger er dauern wird. | |
Jetzt, wo der Korrespondent verletzt wurde, bekommt Syrien aber noch einmal | |
schier endlose Sendezeit, bevor die Medienkarawane weiterzieht. Noch am Tag | |
zuvor hatte der gleiche Berichterstatter wahrscheinlich um mehr als | |
eineinhalb Minuten im Fernsehen gebettelt. Durm durfte jetzt revolutionäre | |
vier Minuten in den Tagesthemen reden, untermalt mit Bildern aus Syrien. | |
So lange hätte man ihm sicherlich nicht zur besten Sendezeit gegeben, wäre | |
das ARD-Team unversehrt aus Aleppo zurückgekehrt, auch wenn der eloquente | |
Durm die Zuschauer ebenso mit den Geschichten des syrischen Kriegsalltags | |
in den Bann hätte ziehen können. | |
Wenn die Berichterstatter umkommen, wie seinerzeit die | |
Sunday-Times-Reporterin Marie Colvin in Homs, dann sind ihnen die Helden- | |
und Heroinnen-Nachrufe gewiss. Die Geschichte, die sie eigentlich | |
präsentieren wollten, können sie dann leider nicht mehr erzählen. | |
8 Apr 2013 | |
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## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
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