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# taz.de -- Die Sicherheit der Kriegsreporter: Keine neutrale Größe
> Durchschnittlich alle fünf Tage stirbt ein Journalist in einem
> Krisengebiet. Der Fall Armbruster wirft die Frage auf, ob Reporter heute
> eher gezielt angegriffen werden als früher.
Bild: Eine Journalistin begleitet Soldaten der syrischen Regierungsarmee in der…
Die gute Nachricht: Dem in Syrien angeschossenen ARD-Reporter Jörg
Armbruster geht es „den Umständen entsprechend gut“, wie
SWR-Fernsehchefredakteur Michael Zeiß mitteilte. Der 65-Jährige wird in
Stuttgart medizinisch betreut. Die schlechte Nachricht: Wahrscheinlich
werden heute mehrere andere Kriegsberichterstatter irgendwo auf der Welt
verletzt oder sogar getötet – Leute, von denen Sie nie gehört haben und
niemals hören werden.
Deren Informationen allerdings dennoch zu dem Bild beigetragen haben
dürften, das Sie von einem bestimmten Krisengebiet haben. Was ja auch einer
der Gründe dafür ist, dass die Journalisten zur Zielscheibe geworden sind.
Sind sie überhaupt zur Zielscheibe geworden? Die Frage lässt sich kaum
präzise beantworten. Glaubwürdige Statistiken zum Thema gibt es nicht.
Durchschnittlich alle fünf Tage stirbt ein Journalist oder eine
Journalistin in einem Krisengebiet, teilte im vergangenen Jahr Reporter
ohne Grenzen mit. Ob jemand gezielt zum Opfer wurde oder lediglich zur
falschen Zeit am falschen Ort war: Danach unterscheidet die Organisation
nicht. Wie auch?
Selbst bei Massakern mit mehreren hundert Toten lässt sich die Täterschaft
oft nicht zweifelsfrei nachweisen – nicht einmal dann, wenn die UNO ihren
riesigen Apparat für eine Untersuchung in Gang setzt. Es ist unmöglich, in
jedem Fall festzustellen, ob Berichterstatter ermordet wurden oder nicht.
## Wachsenden Aggression in Somalia
Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Gefährdung von Journalisten
seit dem Ende des Kalten Krieges gestiegen ist. Selbstverständlich war der
Beruf des Kriegsberichterstatters von jeher gefährlicher als der eines
Theaterkritikers. In Krisenregionen kann man ins Kreuzfeuer geraten oder
auf eine Mine treten. Wenn derlei geschieht, dann ist das tragisch für den
Betroffenen und für sein Umfeld. Aber unvermeidlich. Berufsrisiko eben.
Der Fall von Jean Hélène gehört jedoch nicht zu den beklagenswerten
Unglücksfällen. 2003 erschoss ein Polizist den französischen Journalisten
in Abidjan. Dass antifranzösische Ressentiments dabei eine Rolle spielten,
steht fest. Hos Maina, ein kenianischer Fotograf, wurde 2003 gemeinsam mit
Kollegen in Somalia massakriert – eine Folge der wachsenden Aggression
gegen ausländische Einmischung in den somalischen Bürgerkrieg.
Auch Daniel Pearl, Reporter des Wall Street Journal, hatte nicht einfach
nur Pech. Er wurde 2002 in Karatschi entführt und wenige Tage später
enthauptet. Die Verantwortung übernahm eine bis dahin unbekannte Nationale
Bewegung zur Wiederherstellung der pakistanischen Souveränität. Drei von
inzwischen zahlreichen Belegen dafür, dass Journalisten nicht mehr als
„neutrale“ Größe in bewaffneten Konflikten betrachtet werden, sondern als
Konfliktpartei.
Zu Recht, aus Sicht der Kriegführenden. Niemals waren Medien wichtiger als
heute, niemals hatten sie einen größeren Einfluss auf den Kriegsverlauf. Ob
und in welchem Umfang eine Konfliktpartei auf ausländische Unterstützung –
auch auf Waffen – hoffen darf, hängt oft von der Berichterstattung ab.
Theoretisch sind Reporterinnen und Reporter in Krisengebieten durch das
Völkerrecht geschützt. Ihr Status als Zivilpersonen ist in den Genfer
Konventionen für Menschenrechte verankert.
## Der geordnete Frontverlauf fehlt
2006 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution, die den Status
von Berichterstattern in Krisengebieten stärken sollte und jede Form von
Angriffen auf sie ausdrücklich verurteilte. Der Sicherheitsrat befasst sich
nicht grundlos oder aus Langeweile mit einem Thema. Schon allein die
Tatsache, dass die Resolution überhaupt für notwendig gehalten wurde, ist
Hinweis auf die wachsende Bedrohlichkeit der Situation.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Kriege der Gegenwart haben im Regelfall
keinen geordneten Frontverlauf und folgen keinen geschriebenen Regeln.
Hinzu kommt: Pressefreiheit ist meist kein Gut, das von Konfliktparteien
geschätzt wird. Die meisten kennen nur Feinde oder Freunde. Wenn die Welt
auch weiterhin erfahren möchte, was sich in Krisenherden tut, dann muss sie
dafür etwas tun. Wir müssen Kriegsberichterstatter besser schützen als
bisher. Ohne sie in ein Lager einzubinden.
3 Apr 2013
## AUTOREN
Bettina Gaus
Bettina Gaus
## TAGS
Jörg Armbruster
Journalist
Konflikt
Mali
Associated Press
Menschenrechte
Jörg Armbruster
Jörg Armbruster
Krieg
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
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