| # taz.de -- Kolonialverbrecher aus Hannover: Zu viel der Ehre | |
| > In Hannover gibt es Protest gegen ein Kolonialdenkmal für Carl Peters. | |
| > Vergangene Versuche, es umzudeuten, sind Aktivist*innen zu wenig. | |
| Bild: Einst wurde mit dem Stein ein Kolonialverbrecher geehrt, heute steht er f… | |
| Hannover taz | Mitten in Hannovers Südstadt, am heutigen | |
| Bertha-von-Suttner-Platz, steht ein meterhoher Muschelkalkblock, den die | |
| Nazis zu Ehren des 1856 in der Nähe von Lüneburg geborenen | |
| Kolonialverbrechers Carl Peters errichteten. Oben rechts prangt ein Adler, | |
| dessen [1][Krallen sich um den Kontinent Afrika] schließen. Daneben steht | |
| in großen steinernen Lettern noch immer der Name „Carl Peters“, obwohl der | |
| Klotz seit 1988 eigentlich „Mahnmal gegen Kolonialismus“ heißt. Eine | |
| Metalltafel verdeckt Teile des Denkmals und weist auf die Geschichte des | |
| Steins hin. Die ursprüngliche Inschrift wird mittlerweile von einem Busch | |
| verdeckt. | |
| Wenn es nach dem [2][Verein für interkulturelle Kommunikation, Migrations- | |
| und Flüchtlingsarbeit „Kargah“] und weiteren antirassistischen | |
| Organisationen geht, soll das ehemalige Carl-Peters-Denkmal aber auch in | |
| dieser Form zeitnah verschwinden. Der Verein versteht sich als | |
| Vermittler zwischen interkulturellen Themen, Politik und | |
| Zivilgesellschaft. Für Samstagnachmittag rufen sie zu einer | |
| Protestveranstaltung gegen das Denkmal auf – und fordern dessen Abriss. „Es | |
| ist nicht mehr zeitgemäß, so ein Denkmal im Stadtbild zu haben“, sagt | |
| Julian Mirabadi von Kargah zur taz. | |
| Gerade bei Peters, der ganz klar ein Verbrecher gewesen sei, könne man die | |
| Vergangenheit nicht mit einer Umbenennung erledigen. Auch die künstlerische | |
| Entschärfung sei nur halbwegs gelungen – so verwende sie etwa [3][den | |
| Begriff „Rasse“.] Das Carl-Peters-Denkmal erinnere an die Unterdrückung von | |
| Schwarzen Menschen und People of Color. „Wir vertreten die Auffassung, dass | |
| das Denkmal in seiner jetzigen Form wegmuss“, so Mirabadi, wohin – in | |
| welchen Kontext –, da sei man offen. | |
| „Mittlerweile ist man sich einig, dass Carl Peters zu den | |
| Kolonialverbrechern gehört, wenn nicht sogar einer der größten deutschen | |
| Kolonialverbrecher war“, sagt die Historikerin Marianne Bechhaus-Gerst, | |
| Professorin für Afrikanistik an der Uni Köln und Initiatorin von „Köln | |
| Postkolonial“. Der Beiname „Hänge-Peters“ deute bereits auf sein besonde… | |
| blutiges Vorgehen hin. Auf Kiswahili sei er als „blutige Hand“ bezeichnet | |
| worden. | |
| ## Aufklärung über Carl Peters | |
| Er habe etwa eine afrikanische Geliebte hinrichten lassen, weil er sie mit | |
| einem anderen Mann erwischte, den er ebenfalls exekutieren lassen habe. | |
| „Peters war derjenige, der sich mit Gewalt und Betrug erste Gebiete in | |
| Ostafrika, in der späteren Kolonie Deutsch-Ostafrika, angeeignet hatte“, so | |
| Bechhaus-Gerst. Heute gibt es quer durchs Land Initiativen, die sich um | |
| Straßenumbenennungen bemühten. | |
| Im Zentrum der Veranstaltung in Hannover sollen Diskussion und Aufklärung | |
| über Carl Peters stehen. In einem Gespräch wird die Journalistin und | |
| Aktivistin Hanna Legatis über seine Verbrechen aufklären. Zudem soll es | |
| eine Lesung vom Verein Afropäa geben, eine Poetry-Slam-Performance zu | |
| Rassismuserfahrungen und Musikprogramm. Die Veranstaltung am | |
| Bertha-von-Suttner-Platz soll auch nur der Startschuss einer größeren | |
| Kampagne sein. Mindestens 8.000 Unterschriften wollen die | |
| Aktivist*innen sammeln, damit der Rat der Stadt sich dem Thema annimmt. | |
| Bei der Stadt heißt es, man befinde sich in einem internen Prozess, wie mit | |
| dem Denkmal weiter verfahren werden solle. „Unserer Meinung nach gehört das | |
| Denkmal abgerissen und entsorgt“, sagt etwa Andre Zingler, Ratsherr von Die | |
| Linke aus dem Bezirk Südstadt-Bult. Er nennt das Denkmal eine Zumutung, | |
| „die wir nicht aushalten müssen“. | |
| Ganz anders sieht das die lokale CDU. Es gebe kein Carl-Peters-Mahnmal mehr | |
| in der Südstadt, sondern ein Mahnmal gegen Kolonialismus, meint Jesse Jeng, | |
| CDU-Vorsitzender der Südstadt und JU-Vorsitzender. Er sagt, er schätze die | |
| antirassistischen Ziele des Kargah-Vereins und stimme als selbst | |
| Betroffener mit diesen überein. Einen Abriss zu fordern, zeige aber eine | |
| bedenkliche Oberflächlichkeit. | |
| ## Denkmal ins Museum? | |
| Der Kolonialismus sei ohne Zweifel ein Schatten auf der deutschen | |
| Geschichte. Die aber durch Bildersturm vergessen zu machen, „birgt meines | |
| Erachtens die Gefahr der Verleugnung“. Die CDU im Bezirk könne sich | |
| vorstellen, die Aufklärungstafel am Denkmal noch umfangreicher zu | |
| gestalten. „Das Denkmal abzureißen, erweist dem Kampf gegen Rassismus | |
| dagegen einen Bärendienst“, so Jeng. | |
| Es gehe nicht darum, Geschichte vergessen zu machen, sagt Julian Mirabadi | |
| von Kargah. Er sei auch nicht der Meinung, dass das Denkmal mit dem | |
| Vorschlaghammer abgerissen werden müsse. „Es könnte ja in einem Museum | |
| untergebracht werden“, so Mirabadi. Bei einem Workshop habe er die | |
| verstörten Gesichter der Teilnehmer*innen erlebt, die nichts von dem | |
| Denkmal wussten und fassungslos waren, wie so ein Ort der Huldigung noch | |
| stehen könnte. | |
| Das Denkmal wird schon seit den 1980er-Jahren immer wieder diskutiert. | |
| Nachdem mit der 68er-Bewegung eine Auseinandersetzung mit deutschen | |
| Kolonialverbrechen und der Person Peters begonnen hatte, wurde das Denkmal | |
| 1988 durch den damaligen Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) | |
| umgewidmet. Die Enthüllungsrede nutzte er, um sich auch gleich gegen die | |
| Umbenennung des Platzes zu positionieren. | |
| Die angebrachte Mahntafel wurde damals von der CDU vehement abgelehnt. Als | |
| Folge einer auch juristischen Auseinandersetzung wurde 1989 vom Rat der | |
| Stadt Hannover beschlossen, dass bei Straßenumbenennungen künftig auf das | |
| Votum der Bürger*innen verzichtet werden könne, wenn der*die | |
| Namensgeber*in an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt war. | |
| 30 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Hamburgs-neokoloniales-Buschholz-Projekt/!5754570 | |
| [2] https://www.kargah.de | |
| [3] /Pathologe-mit-fragwuerdigen-Vorstellungen/!5763270 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Trammer | |
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