# taz.de -- Klimapolitik im Bundestagswahlkampf: Der Acker der Grünen | |
> Das Klima ist uns um Jahrzehnte voraus. Die jüngste Aufregung über höhere | |
> Spritpreise aber zeigt, dass noch immer so diskutiert wird wie in den | |
> 90ern. | |
Bild: Müssen die Grünen das weite Feld der Klimapolitik allein beackern? | |
Es ist noch keine zwei Wochen her, da behauptete ich, dass nun wirklich | |
jeder „den Schuss gehört“ habe: Ohne Klimapolitik sei kein Blumentopf mehr | |
zu gewinnen, also kein Wahlkampf mehr zu bestreiten. Zugegeben – das war im | |
Eifer eines Gefechts, in dem es nötig schien, klimapolitische Zuversicht zu | |
verbreiten. Aber in jenem Augenblick entstieg meiner etwas taktischen | |
Zuversicht eine, wie ich fand, haltbar wirkende These. | |
Selten wurden Blumentöpfe so billig verschleudert, sie kosteten allerdings | |
meinen Optimismus. Die Bilanz des Spektakels zur Spritpreiserhöhung ist | |
deprimierend: Der Klimawandel ist da, und wir führen die Debatten der | |
frühen 90er. Tatsächlich wollen die allermeisten Parteien von CSU bis Linke | |
durchaus ohne Klimapolitik auskommen. | |
Oder wie anders soll man die Reaktionen auf die Ansagen der | |
Grünen-ParteichefInnen, wonach der Benzinpreis um 16 Cent steigen müsse, | |
deuten: „Baerbock schaut mit einer unerträglichen Arroganz auf die Menschen | |
mit kleinen Einkommen. Denn die trifft das wirklich, während Reiche weiter | |
problemlos volltanken“, schrieb Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali auf | |
Twitter. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz richtete via Bild aus: „Wer jetzt | |
einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal | |
ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind.“ | |
Ganz abgesehen davon, was die Grünen genau wollen: Wer so spricht, erkennt | |
keine klimapolitischen Notwendigkeiten an, sondern sieht im Klima ein | |
Themenfeld, das man besetzt oder auch nicht, womit Klientelpolitik | |
betrieben werden kann oder auch nicht. Klar, in jedem Wahlkampf gibt es | |
Botschaften mit doppeltem Boden. Spitzenkandidat X schmettert einen | |
besonders saftigen Vorwurf in Richtung der politischen Gegnerin – dies aber | |
in der augenzwinkernden Erwartung, dass das Publikum eine notwendige | |
Zuspitzung einzuordnen wisse, schließlich sei er sonst auch differenzierter | |
unterwegs. | |
## Als Grünen-WahlhelferInnen diskreditiert | |
Doch davon war in den Ansagen von Mohamed Ali, Olaf Scholz, | |
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) oder einem der vielen anderen, die | |
sich in ihrer Sorge um den einfachen Spritverbraucher übertrafen, nichts zu | |
spüren. Es war ein Moment großer Klarheit im dichter werdenden | |
Wahlkampfdunst: SPD und Linkspartei schwenken auf „Öko nimmt euch alles | |
weg“. Sie räumen den klimapolitischen Kosmos, sie sehen hier nur einen | |
Acker, den die Grünen ruhig allein bestellen sollen. Offenbar halten sie | |
von ihren eigenen klimapolitischen Vorstellungen selbst nicht so viel. | |
Mit Aussicht auf eine grün-rot-rote Koalition hätten SPD wie Linke | |
vielleicht noch einmal in Parteitagsbeschlüssen geblättert, ob da nicht | |
etwas mit Klima stand. Aber niemand glaubt mehr an „R2G“, wie das früher | |
halb geheimnis-, halb verheißungsvoll hieß. Rückbesinnung ist da ganz | |
unnötig. | |
Stattdessen werden jetzt alle, die mehr Klimaschutz fordern, als | |
Grünen-WahlhelferInnen diskreditiert – seien es die | |
Fridays-for-Future-Aktiven, große Teile der Wissenschaft, ganz zu schweigen | |
von der weit gefächerten Umweltszene, und auch die taz ist oft gemeint. So | |
soll das Klimathema klein gemacht werden, zu einem strategischen | |
Spielstein, so was, wo sich halt ein paar Interessierte dranhängen. | |
Noch gar nicht so lange her, da hätte ich eine klimapolitische | |
Selbstaufgabe so vieler schlauer Menschen nicht für möglich gehalten. | |
Vermutlich bin ich in der Phase verweichlicht, da irgendwie alle sich von | |
Greta Thunberg rühren ließen und mit Luisa Neubauer auftreten wollten. War | |
eigentlich ganz schön. | |
11 Jun 2021 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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