| # taz.de -- Erste teilprivatisierte Bundesstraße: Fakten schaffen vor der Wahl | |
| > Bald startet der Bau der ersten Bundesstraße, die als öffentlich-privates | |
| > Projekt angelegt ist. Die Grünen lehnen diese Art der Finanzierung ab. | |
| Bild: Ginge es nach der Bundesregierung, würden viele Fernstraßen teilprivati… | |
| Berlin taz | Es ist eine Premiere: Im Herbst beginnt zum ersten Mal in der | |
| Geschichte der Bundesrepublik der Bau einer [1][Bundesstraße, die teilweise | |
| mit privaten Mitteln gebaut wurde]. Es geht um die Ortsumgehungen | |
| Mühlhausen/Höngeda und Großengottern/Schönstedt in Thüringen. Hier | |
| realisiert das Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) auf der | |
| B247 die erste Bundesstraße in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP). Die | |
| Ortsumgehungen seien „dringend erforderlich“ und könnten durch die | |
| Kooperation mit privaten Firmen „schnell, wirtschaftlich und mit hoher | |
| Qualität realisiert“, sagte Steffen Bilger, Parlamentarischer | |
| Staatssekretär im Verkehrsministerium. Der Vertrag für die 24 Kilometer | |
| langen Strecken mit einer Bietergemeinschaft tritt zum 1. Oktober in Kraft. | |
| Der Bau solle danach beginnen, sagte ein Sprecher der für die Vergabe | |
| zuständigen bundeseigenen Deges. Geplante Fertigstellung: Mitte 2025. | |
| „Damit beginnt ein neues Level der Privatisierung öffentlicher | |
| Infrastrukturen“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian | |
| Kindler. Mit ÖPP-Bundesstraßen versuche das Verkehrsministerium, „die | |
| Grenzen der Privatisierungsbremse gezielt auszureizen“. Es sei ein Unding, | |
| dass [2][Andreas Scheuer] mit der B247 noch vor der Bundestagswahl und der | |
| Bildung einer neuen Regierung Fakten geschaffen habe, findet Kindler. | |
| Bislang wurden in Deutschland nur Autobahnen als ÖPP-Projekte gebaut. | |
| Bei diesen Vorhaben bringen Staat und Investoren gemeinsame Vorhaben auf | |
| den Weg, oft im Bereich Infrastruktur. Mitte der 2000er Jahre hat die | |
| Bundesregierung damit begonnen, auf diese Weise Autobahnen zu | |
| teilzuprivatisieren, so den sechsspurigen Ausbau der A1 in Niedersachsen. | |
| Befürworter:innen argumentieren, dass diese Form der Zusammenarbeit | |
| Synergien schafft, eine schnelle Projektabwicklung ermöglicht und | |
| wirtschaftlicher ist. Die Investoren stecken Geld in Bau und Betrieb und | |
| erhalten dafür einen Teil der Maut, die für Lkws – auch auf Bundesstraßen … | |
| gezahlt werden muss. | |
| „Öffentlich-Private Partnerschaften sind für den Bund nicht wirtschaftlich | |
| und eine besonders teure und intransparente Form, die Schuldenbremse zu | |
| umgehen“, meint dagegen Kindler. Kritiker:innen wie er bestreiten, dass | |
| mit ÖPP Geld gespart werden kann, weil sonst die Rendite für die Investoren | |
| zu knapp wird. Deshalb seien die Kosten insgesamt höher. Und: Geht etwas | |
| schief, muss der Staat dafür aufkommen. „Der Bund kann sich derzeit zu | |
| negativen Zinsen verschulden und hat daher deutlich geringere Kapitalkosten | |
| als private Akteure“, sagt der Haushaltsexperte Kindler. Auch der | |
| Bundesrechnungshof hat bereits wiederholt die Unwirtschaftlichkeit von | |
| ÖPP-Projekten kritisiert. | |
| ## Intransparente Wirtschaftlichkeitsprüfung | |
| Voraussetzung für ÖPP ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung mit dem Ergebnis, | |
| dass das konkrete Bauvorhaben mit privater Beteiligung mindestens so | |
| wirtschaftlich ist wie eine rein staatliche Abwicklung. Diese gibt es bei | |
| laut Deges auch bei den Ortsumgehungen in Thüringen. Das Problem ist aber, | |
| dass die Öffentlichkeit die Berechnung nicht nachvollziehen kann. Denn: | |
| Details zu ÖPP-Projekten veröffentlicht das Bundesverkehrsministerium | |
| nicht. Der Bund habe ein „berechtigtes Geheimhaltungsinteresse“, weil er | |
| bei vergleichbaren Projekten Wettbewerbsverzerrungen verhindern wolle, | |
| heißt es in einer Antwort aus dem Verkehrsministerium auf eine Anfrage von | |
| Kindler und anderen Bundestagsabgeordneten. | |
| „Diese Intransparenz stinkt zum Himmel“, sagt der Haushaltsexperte. | |
| „Offenbar hat Minister Scheuer auch kein Interesse am Koalitionsvertrag der | |
| Regierung, denn dort hatten sich Union und SPD 2018 darauf verständigt, | |
| dass alle Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und die ÖPP-Verträge im | |
| Internet veröffentlicht werden“, ärgert sich Kindler. Die ursprünglich für | |
| die ÖPP-Bundesstraße vorgesehenen Kosten von 310 Millionen Euro seien | |
| bereits jetzt auf mindestens 458 Millionen Euro gestiegen. | |
| Bislang sind 5,4 Prozent der Autobahnstrecken in Deutschland ÖPP-Projekte, | |
| das entspricht 711 Kilometer. „Schon heute schlagen die ÖPP-Projekte des | |
| Bundes mit über 600 Millionen Euro Kosten jährlich zu Buche“, kritisiert | |
| Kindler. Mit neuen ÖPP-Straßen könne die Bundesregierung auch bei absehbar | |
| sinkenden Geldern im Etat weiter asphaltieren. „Schon jetzt sind 13 | |
| Autobahnabschnitte in Deutschland in privater Hand, weil die CSU seit mehr | |
| als 10 Jahren immer wieder teure ÖPP-Projekte vergibt“, sagt Kindler. | |
| Allein im vergangenen Jahr habe Scheuer zwei neue ÖPP-Verträge im | |
| Gesamtwert von 4,2 Milliarden Euro unterzeichnet. | |
| Nach dem Willen der aktuellen Bundesregierung könnten es noch mehr werden. | |
| Nach ihren Plänen soll der Anteil der teilprivatisierten | |
| [3][Bundesfernstraßen] mit weiteren Vergaben bis 2030 auf 6,4 Prozent | |
| steigen. | |
| 11 Aug 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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