# taz.de -- Kirchen und Proteste in Belarus: Dem Regime ist nichts heilig | |
> Nach der Blockade eines Gotteshauses durch Polizisten äußert der Bischof | |
> harsche Kritik. Die orthodoxe Kirche distanziert sich vom Regime. | |
Bild: Polizisten blockierten die Eingangstür der Kirche für mehr als 40 Minut… | |
Kiew taz | Sie prägt sich ein: die rote katholische Kirche in der | |
belarussischen Hauptstadt Minsk, einen Steinwurf entfernt von | |
Regierungssitz und Unabhängigkeitsplatz. Sie wurde am Mittwoch Schauplatz | |
eines weiteren Konflikts mit den staatlichen Behörden. | |
Am Abend hatten sich wieder [1][Hunderte auf dem Unabhängigkeitsplatz | |
versammelt], um Neuwahlen, die Freilassung aller politischen Gefangenen und | |
eine Bestrafung derer, die Gewalt an politischen Gefangenen zu verantworten | |
haben, zu fordern. | |
Als es gegen Ende der Kundgebung auf dem wenig beleuchteten Platz dunkel | |
wurde, strömte aus den Fenstern der katholischen Kirche des Heiligen Simon | |
und der Heiligen Helena warmes Licht in Richtung Unabhängigkeitsplatz. Im | |
Gebäude feierten katholische Gläubige einen Gottesdienst. Draußen nahm die | |
Polizei 30 Personen fest. In dieser Situation flüchteten sich mehrere | |
DemonstrantInnen in das Gotteshaus. Kurzerhand verschlossen Polizisten die | |
Eingangstür und blockierten 40 Minuten lang die Kirche. | |
Noch am Abend meldete sich Juryj Kassabuzki, katholischer Weihbischof in | |
Minsk-Mahiljou und Generalvikar zu Wort. „Die Blockade der Kirche | |
widerspricht dem von der belarussischen Verfassung garantierten Recht auf | |
Gewissens- und Glaubensfreiheit, sie beleidigt die Gefühle der Gläubigen | |
und verlässt den Rahmen von menschlichen und göttlichen Gesetzen“, so der | |
Weihbischof auf dem Portal catholic.by. | |
## Katholische Kirche solidarisiert sich | |
Am Donnerstagmorgen gab der Vorsitzende der belarussischen | |
Bischofskonferenz, Tadeusz Kondrusiewicz, seinen „entschiedenen Protest | |
gegen die rechtswidrigen Handlungen“ zu Protokoll. „Das Blockieren der | |
Eingänge einer Kirche ist eine grobe Verletzung der Rechte der Gläubigen | |
und der Glaubensfreiheit“, so Kondrusiewicz. Derartige und weitere | |
Handlungen der Sicherheitskräfte seien nicht geeignet, die Spannungen in | |
der Gesellschaft zu mindern. Die katholische Kirche stehe jedenfalls für | |
Versöhnung und Dialog. | |
Der Streit um die rote Kirche ist nicht der erste Konflikt zwischen | |
Katholischer Kirche und belarussischem Staat. Sofort nach den ersten | |
Verhaftungen von Personen, die gegen die Wahlfälschungen der | |
Präsidentschaftswahl vom 9. August auf die Straße gegangen waren, hatte die | |
Katholische Kirche die Regierung entschieden aufgefordert, [2][die Gewalt | |
zu beenden] und die politischen Gefangenen freizulassen. | |
Die überwiegende Mehrheit der Belarussen sind Christen. Dies geht aus einer | |
Anfang 2019 veröffentlichten Befragung durch das beim Präsidenten | |
angesiedelte Zentrum für Information und Analyse (IAZ) hervor. Danach sind | |
84,5 Prozent orthodoxe Christen, 8 Prozent katholische Christen und 1,5 | |
Prozent Protestanten. | |
Von staatlicher Seite werden die Religionen weitgehend gleich behandelt. So | |
ist der 25. Dezember als katholischer Feiertag genauso arbeitsfrei wie der | |
7. Januar, an dem die orthodoxen Gläubigen Weihnachten feiern. In der | |
gleichen Umfrage gaben 62 Prozent der Befragten an, dass sie gläubig seien. | |
Einer der wenigen, die sich öffentlich als Atheist bezeichnen, ist | |
[3][Präsident Alexander Lukaschenko]. Er sei „orthodoxer Atheist“, hatte er | |
einmal verlauten lassen. | |
## Kritik der Orthodoxen an Lukaschenko | |
Auch in der orthodoxen Kirche wird der Unmut über die Polizeigewalt immer | |
lauter. Am Dienstag tagte unter Vorsitz von Patriarch Kirill I., dem | |
Patriarchen von Moskau und Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, eine | |
Synode in Moskau. | |
Die Russisch-Orthodoxe Kirche gilt in Russland als sehr regierungsnah. Die | |
Synode hatte die Position der belarussischen orthodoxen Kirche als | |
„friedensstiftend“ gelobt. Am 15. August hatte Pawel Saslawskij, | |
russisch-orthodoxer Exarch von ganz Belarus und Metropolit von Minsk, von | |
Präsident Lukaschenko ein Ende der Gewalt gefordert. Saslawskij hatte auch | |
[4][Demonstrant*innen, die von der Polizei misshandelt worden waren], in | |
Kliniken besucht. | |
Wenige Stunden nach dem Lob der belarussischen Kirche durch die | |
Russisch-Orthodoxe Kirche indes wurde Pawel Saslawskij in das russische | |
Kuban versetzt. Vielleicht gibt es auch in der Russisch-Orthodoxen Kirche | |
unterschiedliche Sichtweisen auf die Ereignisse in Belarus. | |
27 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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