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# taz.de -- Proteste in Belarus: Geschlagen und gefoltert
> Über tausend Inhaftierte werden freigelassen, der Innenminister
> entschuldigt sich. Dennoch wird weiter demonstriert und gestreikt.
Bild: Angehörige von Oppositionsdemonstrant*innen vor einem Gefängnis in Mins…
Kiew taz | Menschenketten und Streiks haben auch am Freitag das öffentliche
Leben in Belarus bestimmt. Die Demonstrierenden forderten ein Ende der
[1][Gewalt], die Freilassung aller politischen Gefangenen und Neuwahlen.
Die Polizei hielt sich weitgehend zurück.
Seit Sonntagabend halten die Proteste gegen die massiven Fälschungen bei
der Präsidentschaftswahl an, bei denen [2][Staatschef Alexander Lukaschenko
angeblich 80 Prozent der Stimmen] erhalten haben und seine Herausforderin
Swetlana Tichanowska auf nur 10 Prozent gekommen sein soll.
In der Folge wurden über 6.000 Demonstranten*innen und zufällige
Passant*innen festgenommen, über 250 Teilnehmer*innen von Aktionen mussten
in Krankenhäusern behandelt werden. Zwei Personen wurden getötet.
Inzwischen haben die Behörden die Todesursache von Alexander Wichor
bekanntgegeben, der in der Haft in Gomel gestorben war. Wichor sei einer
Überdosis Drogen erlegen, erklärten sie. Seine Angehörigen wollen diese
Erklärung nicht glauben.
## Keine Medikamente
Sie berichten, so die belarusische Nachrichtenagentur tut.by, dass Wichor
nicht an den Aktionen teilgenommen und sich nur zufällig dort aufgehalten
habe. Sie glauben, Wichor habe in der Haft keine Medikamente gegen seine
Herzkrankheit erhalten und sei in der Folge von Misshandlungen gestorben.
Innenminister Jurij Karajew hat sich nun für die Festnahmen entschuldigt
und erklärt, er übernehme die Verantwortung für Verletzungen, die Personen
bei Protesten zugefügt worden seien. Ebenfalls am Freitag wurden über
tausend Festgenommene freigelassen. Einige sagten, sie seien in Haft
geschlagen und gefoltert worden.
In einem Telefonat mit der taz berichtet Irina Kravetz von der
Menschenrechtsorganisation „Nasch Dom“ (Unser Haus) über ihre zwei Tage in
der Minsker Haftanstalt in der Okrestina-Straße. So sei sie in einer
4-Personen-Zelle mit 35 anderen Frauen inhaftiert gewesen, ohne Essen und
Trinken. Man habe nur stehen können. „Immer wieder haben wir in der
Nachbarzelle die Schreie der Männer gehört, die dort verprügelt wurden.
Auch von uns Frauen wurden einige geschlagen. Ungefähr jede achte Frau
haben sie willkürlich heraus geholt und sie geschlagen. Und zwar so, dass
hinterher keine Spuren zu sehen waren.“
Eine Mitgefangene habe Panikattacken erlitten, eine Diabetikerin musste
ohne Medikamente auskommen, manchen seien immer wieder wegen des
Sauerstoffmangels ohnmächtig geworden. „Irgendwann baten wir, man möge doch
die Luke für die Essensausgabe aufmachen, damit wir Luft bekommen. Als
Antwort schüttete uns ein Wächter einen Eimer Wasser in die Zelle.“
## Zwei Minuten Haftprüfung
Gerade einmal zwei Minuten hätten sich die Richter Zeit für die
Haftprüfungstermine genommen. Die Bitte von Kravetz, ihren Anwalt zu diesem
Termin hinzuzuziehen, sei abgelehnt worden. Unter Coronabedingungen sei
dies nicht möglich, zudem könne sie keinen Vertrag mit dem Anwalt vorlegen.
Noch in der Haft hatte sich Kravetz mit ihren Mithäftlingen geeinigt, sich
in einer Viber-Gruppe zu organisieren und gemeinsam gegen die
Misshandlungen in der Haft zu klagen und an die Öffentlichkeit zu gehen.
Unterdessen schließen sich immer mehr Betriebe den Streiks gegen
Festnahmen, Polizeigewalt und für Neuwahlen an. Tausende streiken im
Minsker Traktorenwerk. Das Werk ist mit 17.000 Arbeiter*innen eine der
weltweit größten Fabriken für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge.
Auch das Fleischwerk Grodno, das Werk für Fenster und Türen „Terrasit“ in
Grodno, das Minsker Automobilwerk, zahlreiche Eisenbahner*innen,
U-Bahn-Angestellte und Pädagog*innen sind in den Ausstand getreten.
## Dialog findet statt
Obwohl Präsident Alexander Lukaschenko einen Dialog mit den Protestierenden
ablehnt, findet dieser statt. So will der Bürgermeister von Brest,
Alexander Rogatschuk, Demonstrationen erlauben. Und Premierminister Raman
Haloutschenka traf sich mit streikenden Arbeiter*innen des Minsker
Traktorenwerkes.
Lukaschenko warnte auf einer Pressekonferenz vor Streiks. Freuen über diese
Streiks würde sich vor allem die ausländische Konkurrenz. Gleichzeitig
dementierte er Gerüchte, er wolle sich ins Ausland absetzen.
15 Aug 2020
## LINKS
[1] /Proteste-in-Belarus/!5702280
[2] /Wiederwahl-von-Lukaschenko-in-Belarus/!5706071
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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