| # taz.de -- Jiddische Evergreens: Mit großer Geste | |
| > Kein nostalgisches Reenactment und trotzdem mit Tanzpalast-Flair: Die | |
| > Berliner Sängerin Sharon Brauner und ihr neues Album „Lounge Jewels“. | |
| Bild: Glamour und Melancholie: Sharon Brauners Cocktailkleid hat eine Träne im… | |
| Wer sagt eigentlich, dass jiddische Musik gleichbedeutend mit Klezmer ist? | |
| Schließlich wird in Brasilien auch exzellenter Heavy Metal gespielt. Und es | |
| gibt den jiddischen Evergreen „Bei mir bistu sheyn“ im Samba-Shuffle. | |
| Zu hören auf „Lounge Jewels“, dem neuen Album von Sharon Brauner, auf dem | |
| die Berliner Sängerin und Schauspielerin jiddische Standards für | |
| zurückgelehnte Abende im Clubsessel aufbereitet. | |
| „Wir hatten die Idee, diese Lieder in die Flaggen der Länder zu hüllen, in | |
| die Juden ausgewandert sind“, sagt Brauner. Und die Copacabana war auch | |
| darunter. Brauner gelingt dabei ein seltenes Kunststück. Denn einerseits | |
| umflort die 14 Interpretationen eine ziemlich erotische Aura. Andererseits | |
| evozieren Vortrag und die manchmal etwas zu glatte Produktion das ganze | |
| Panoptikum der alten BRD, Café Kranzler inklusive. | |
| ## Präziser Stimmeneinsatz | |
| Erotisch, weil Brauner ihre Stimme präzise einzusetzen weiß und trotz | |
| amtlicher Produktion gekonnt kokettiert mit dem Flair der alten | |
| Tanzpaläste, wie sie es vor 1933 in Berlin gab. Sie verirrt sich dabei aber | |
| nicht in nostalgischem Reenactment: Ihre Version des „Chassene Walz“ | |
| verbindet ganz selbstverständlich Electro-Sounds mit Grammofonkrächzen und | |
| verbreitet gerade durch diese Reibung ein heimeliges Gefühl. | |
| In puncto Rampenlicht ist Sharon Brauner familiär vorbelastet. Ihr Onkel, | |
| der Filmproduzent Artur Brauner, prägte die bundesdeutsche | |
| Fernsehlandschaft entscheidend mit. Die 43-Jährige stand schon als Kind vor | |
| der Kamera, besuchte in Berlin eine Musicalschule und ging dann zum Studium | |
| ans Strasberg Institute nach New York. | |
| Mit den jiddischen Evergreens ist Sharon Brauner von Kindheit an vertraut. | |
| Aufnahmen der Berry Sisters lenkten ihre Aufmerksamkeit auf die | |
| vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten dieser musikalischen Juwelen. | |
| Zunächst hat sie die Songs für ihren Vater gesungen, der Jiddisch beim | |
| Kartenspielen mit Freunden spricht. Brauner stellt klar, dass Jiddisch in | |
| ihrer in Berlin verwurzelten Familie als unfein und altmodisch galt. | |
| ## Privater Hintergrund | |
| Der private Hintergrund ist auf „Lounge Jewels“ immer präsent. So hat | |
| Brauner das Familienalbum für das Booklet geöffnet, viele der abgebildeten | |
| Fotos stammen von ihrem Vater Wolf Brauner. Diese Herangehensweise ist | |
| bewusst gewählt. Ihr Beitrag, ein Stück jüdischer Kulturgeschichte | |
| unverkrampft lebendig zu halten, gelingt im Vorbeigehen. Als Politikum will | |
| sie ihr Album ausdrücklich nicht verstanden wissen. Die Geschichte schwingt | |
| ohnehin mit. Brauner gibt an, sich mit der althergebrachten jüdischen | |
| Tradition nicht stark zu identifizieren, sie sei im „Multikulti-Berlin | |
| verwurzelt“. | |
| Ihr Interesse gilt der Kultur vor 1933. „Natürlich habe ich von meinen | |
| Eltern als direkten Überlebenden des Holocaust viel über diese Geschichte | |
| erfahren“, sagt sie. Obwohl oder vielleicht gerade weil etliche Verwandte | |
| von den Nazis ermordet wurden, bleibt dieser Teil der Geschichte auf dem | |
| Album im Hintergrund. Stattdessen fokussiert Brauner auf Lebensfreude, | |
| Wärme und seelenvolle Würde, die die jiddischen Lieder zeitlos verströmen. | |
| Das gelingt ihr sehr entspannt. Dabei tauscht sie das Klarinetten-gespickte | |
| Folklore-Gewand – sogar die „Tumbalalaika“ swingt mit bisher nicht gehör… | |
| Sexappeal – gegen ein glitzerndes Cocktailkleid, in dem sich auch das | |
| Knopfloch für eine Träne findet. Den lichten Erinnerungen an unbeschwerte | |
| Kindertage werden in „Belz“ mit großer Geste und würdigem | |
| Orchesterarrangement melancholische Töne beigemischt, wozu die aus weiter | |
| Ferne lockende Stimme Brauers beiträgt. Stimmakrobatik, | |
| fernsehballettkompatible Streicher und das obligatorische Saxofon auf der | |
| zweiten Version von „Bay mir bistu sheyn“ duften allerdings ein wenig zu | |
| sehr nach Primetime-TV. | |
| Sharon Brauner: „Lounge Jewels. Sharon Brauner sings Yiddish Evergreens“ | |
| (Solo Musica/Sony); Live, bis 5. Mai täglich in der Bar Jeder Vernunft, | |
| Berlin. | |
| 3 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Sylvia Prahl | |
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