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# taz.de -- Imkern als Hobby: To bee or not to bee
> Wer der Biodiversität einen Gefallen tun will, kann die Imkerei getrost
> vergessen. Über ein In-Hobby mit Katastrophenpotenzial.
Bild: Quicklebendig: die Honigbiene
Bienenberichterstattung ist ein Katastrophengenre. Schädlinge, Vergiftungen
durch Pestizide, Nahrungsknappheit durch insektenfeindliche Monokulturen
auf Agrarflächen und die nachteilige Veränderung der Lebensbedingungen
infolge des Klimawandels: Es sieht mies aus für die Bienen, und wir müssen
ihnen helfen.
So denken immer mehr Menschen, gerade in Städten, und fangen an zu imkern.
Dabei ist die seit Jahrtausenden domestizierte Honigbiene vom
Insektensterben kaum betroffen – ganz im Gegensatz zur Wildbiene, von der
es Hunderte Sorten gibt. Wer der Biodiversität einen Gefallen tun will,
kann die Imkerei deshalb getrost vergessen und sollte sich lieber mit
Bienenweiden, also bunt blühender Balkon- und Gartenbepflanzung, oder
Nisthilfen beschäftigen.
Dennoch ist die Imkerei in den vergangen Jahren so etwas wie ein In-Hobby
geworden. Eigener Honig ist einfach auch ein sehr schönes Geschenk für so
ziemlich jeden Anlass. An dieser Stelle kann von der Bienenhaltung aber
eigentlich nur abgeraten werden, denn auch die ist über weite Strecken ein
Katastrophengenre.
Gewiss, die Betreuung eines oder mehrerer Bienenvölker hat etwas
Kontemplatives und erzeugt für die Imker*innen eine seltsam paradoxe
Naturnähe. Paradox deshalb, weil die Haltung der Honigbiene nun gerade kein
Beispiel für naturbelassene Ökologie ist, sondern eine der ältesten heute
noch praktizierten Kulturleistungen der Menschheit. Wer Bienen hält, hat
eine Tierwirtschaft, fliegende Kühe gewissermaßen, alle Verantwortung und
Arbeit inklusive.
Deshalb sollte bei Interesse für die Imkerei in jedem Fall nach lokalen
Angeboten von Kursen und Betreuung durch erfahrene Imker*innen Ausschau
gehalten werden. So kann man eine informierte Entscheidung treffen, ob die
Anschaffung eines Bienenvolkes wirklich infrage kommt. Es ist gut möglich,
dass in Großstädten eher davon abgeraten wird, da bereits eine im wahrsten
Wortsinne „Überbevölkerung“ beobachtet wird.
Die in Kursen erlernte Praxis ist außerdem nötig, um eine eigene entwickeln
zu können. Kein YouTube-Videokurs ersetzt das Erlebnis, das erste Mal einen
Rahmen aus der Beute (so heißt der Bienenkasten im Jargon) zu nehmen und
die verschiedenen Stadien der Brut aus nächster Nähe zu sehen. Auch die
Mitgliedschaft in einem Verein bringt Vorteile, vergünstigte Versicherungen
und erleichterter Zugang zu veterinärmedizinischer Betreuung gehören dazu.
Bei der Haltung wird zwischen zwei Methoden unterschieden: der
„konventionellen“ und der „wesensgemäßen“ Imkerei. Letztere orientier…
an anthroposophischen Lehren und beansprucht für sich, die Bienen besonders
naturnah zu halten, während konventionelle Imkerei auf besonders effiziente
Honigproduktion ausgerichtet ist.
Dafür wird zum Beispiel durch den Bienenkasten – im Fachjargon „Beute“
genannt – eine bestimmte Wabenkonstruktion erzwungen, die sowohl
Drohnenbrut als auch natürlichen Schwarmdrang unterdrückt. In der
wesensgemäßen Haltung hingegen wird die Aufzucht männlicher Bienen
zugelassen, genauso wie das Schwärmen, also die Teilung des Bienenvolkes.
In der Praxis sind die Grenzen zwischen beiden Haltungsmethoden nicht ganz
so scharf, gerade in der Hobbyimkerei. Das liegt nicht zuletzt daran, dass
die Methoden in der konventionellen Haltung sowieso schon sehr divers sind,
aber auch an rein pragmatischen Erwägungen. So ist die Verwendung von
sogenannten Magazinbeuten, die Honiglagerungs- und Brutbereich trennen, in
der wesensgemäßen Haltung eigentlich verpönt. Dennoch kann die
Magazinvariante gerade für Anfänger*innen viel leichter zu bearbeiten sein
als die wesensgemäße Einraumbeute.
Auch bei guter Ausbildung bleibt eines jedenfalls schmerzlich klar: In
vielen Zweifelsfällen der Bienenhaltung sind richtig oder falsch kaum
eindeutig zu unterscheiden. Erfahrene Imker*innen berichten, dass auch nach
langjähriger Beobachtung und praktischer Tätigkeit zumindest ein Teil ihrer
Methoden die Validität eines Münzwurfs hat. Manchmal klappt’s, manchmal
eben nicht. Die Empirie ist für ein seit Jahrtausenden domestiziertes
Geschöpf erstaunlich gering.
Das benötigte Material für den Beginn einer eigenen Imkerei verursacht
bereits in der sparsamsten Grundausstattung schnell Kosten in Höhe von
mehreren Hundert Euro. Schutzkleidung braucht es natürlich. Besser sind
zwei Ausstattungen, denn einige Arbeiten an der Beute werden vor allem von
frischgebackenen Hobbyimker*innen besser nicht allein gemacht. Ein
Stockmeißel ist für das Handling der teilweise fest mit Propolis –
Bienenharz – verklebten Rahmen unverzichtbar.
Ein Smoker gehört ebenfalls zum nötigen Werkzeug. Dabei beruhigt in die
Beute geblasener Rauch die Bienen übrigens nicht, im Gegenteil. In Panik
und Antizipation eines Feuers und gegebenenfalls nötiger Flucht saugen sich
die Tiere mit Vorräten voll und werden auf diese Weise abgelenkt von diesem
verschleierten Menschen, der Dach und Einrichtung der Heimstatt entnimmt.
Und dann braucht es natürlich eine Beute. Die ist der teuerste Einzelposten
der Ausrüstung und kostet neuwertig je nach Typ zwischen 100 und 300 Euro.
Ein Problem, mit dem die Verfechter*innen der wesensgemäßen Haltung
häufiger konfrontiert sind, ist die unkontrollierte Teilung von Völkern,
das sogenannte Schwärmen. Hat das Volk eine bestimmte Größe erreicht,
werden neue Königinnen herangezogen, die dann mit einem Teil der Bienen die
Beute übernehmen. Die alte Königin verlässt den Stock mit dem Rest und
sucht ein neues Zuhause.
Bei regelmäßiger Kontrolle lässt sich der Moment des Schwärmens bis auf
wenige Tage eingeschränkt vorhersagen oder durch Entfernung der Brutwaben
für Königinnen sogar verhindern, absolute Sicherheit gibt es jedoch nicht.
Deshalb wird das Schwärmen bisweilen vorweggenommen, das heißt, es werden
einfach nach Augenmaß Bienen inklusive der alten Königin entnommen und
umgesiedelt.
Das muss das Volk nicht an weiteren Teilungen (Nachschwärme) hindern. Die
Ausgezogenen hängen dann irgendwo im nahen Umkreis als Traube herum und
lassen ihre Scouts eine geeignete Unterkunft suchen. Das kann Tage dauern –
und wird schnell zum Albtraum, wenn man seinen Schwarm einsammeln will,
dieser sich aber beispielsweise für ein Zwischenquartier an einem Baum in
fünf Metern Höhe entscheidet.
In den ersten Monaten des Jahres nimmt die Imkerei Fahrt auf. Gerade ein
milder Winter wie der diesjährige lässt die Völker bisweilen schon im
Januar ein bisschen ausfliegen und einen Blick auf die Umgebung werfen. Ab
etwa zehn Grad Außentemperatur zeigen sich die Insekten beweglich, ist es
kälter, halten sie sich in einer temperaturregulierten Traube in der Beute
auf.
Ein ungefähr wöchentlicher Blick in die Beute ist nötig, um über den
Zustand des Bienenvolkes im Bilde zu bleiben. Sind es zwei, drei oder mehr,
summiert sich der Zeitaufwand zügig. Sehr unsichere Angaben resultieren
naturgemäß aus Versuchen, diesen zu schätzen. Wie lange ungeübte
Imker*innen schon unter idealen Bedingungen für die Standardaufgaben
benötigen, ist individuell recht unterschiedlich.
Kommt dann ein schlimmerer Krankheitsbefall dazu, hat das Volk großen
Schwarmdrang, räubern andere Bienen, Insekten oder sonstige Schädlinge,
wird die Angelegenheit schnell zeitraubend stressig. Von der emotionalen
Belastung ganz zu schweigen. Regelmäßig sprechen Imker*innen von ihren
Bienen in liebevollen, fast romantischen Tönen. Es ist ein Wunder, dass
daneben gelegentlich noch Platz für eine Paarbeziehung oder Ehe bleibt.
Aber immerhin gibt es Honig. Nicht jedoch im ersten Jahr, jedenfalls nicht
von den wesensgemäß gehaltenen Bienen. Der Honig ist schließlich der
Wintervorrat der Tiere, und im ersten Jahr muss dieser zunächst eine
kritische Menge übersteigen. Tut er das nicht, zum Beispiel weil das Volk
zu spät erworben wurde, muss mit Zuckerwasser oder einem Nährteig
zugefüttert werden, die Honigernte ist dann aufs nächste Jahr verschoben.
Bei konventioneller Haltung wird sowieso zugefüttert, dafür kann mehr Honig
entnommen werden.
Und der Verkauf? Nicht so schnell! Die Regeln für die kommerzielle
Verwertung von Honig folgen den üblichen recht strengen
Lebensmittelvorschriften. Die Etikettierung ist penibel reguliert,
inklusive Mindesthaltbarkeitsdatum, was ein bisschen ein Witz ist, da Honig
im Prinzip nicht schlecht werden kann. Den ganzen Stress kann man sich auch
sparen und einfach die Produkte der Berufsimker*innen erwerben und eine
Bienenweide pflanzen. Das schont Nerven und Geldbeutel.
Dass Bienenweiden besonders Wildbienen helfen, liegt an einer Besonderheit
der Honigbiene: ihrer Trachtentreue. Als Tracht wird das Angebot an Nektar
und Pollen bezeichnet. Während Wildbienen oft relativ erratisch
verschiedenste Blüten ansteuern, ziehen Honigbienen ein uniformes Angebot
unbedingt vor, zum Beispiel Rapsfelder oder Obstplantagen. Die Aussaat
gemischter Bienenweiden ist deshalb vor allem ein Beitrag zum Futterangebot
für Wildbienen. Deren hippieskes Getaumel ist neben der mangelnden
Vorratshaltung einer der wichtigsten Unterschiede zur fast soldatisch
anmutenden Effizienz der Honigbienen.
Der sich im Zuge der Marihuanalegalisierung ausbreitende Hanfanbau in
Nordamerika erweitert nach einer aktuellen [1][US-Studie der
Cornell-Universität] übrigens das Nahrungsangebot der Wildbienen. Während
die Honigbienen zwischen August und September schon längst ihre
Wintervorräte vervollständigt haben, sind die dann blühenden Hanfpflanzen
eine willkommene Zusatztracht für die wilden Schwestern. Das ist letztlich
aber doch weniger hippiesk, als man vielleicht denken mag, denn Bienen
haben keine THC-Rezeptoren.
1 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.jetzt.de/umwelt/cornell-universitaet-bienen-moegen-hanfpflanzen
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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