| # taz.de -- Holocaustüberlebende in der Pandemie: Wenn die Vergangenheit zurü… | |
| > Walter Frankenstein träumt wieder von der Verfolgung. Bella | |
| > Szwarcman-Czarnota hat Angst. Überlebende des Holocausts trifft die | |
| > Pandemie doppelt. | |
| Walter Frankenstein hat nur ein Wort: „Furchtbar“ sei die Situation für ihn | |
| gewesen, monatelang. Von März bis Anfang Oktober war der 96-Jährige in der | |
| Wohnung seines Seniorenheims am Rande von Stockholm quasi eingesperrt. Die | |
| Coronaschutz-Regelungen mochten für die meisten Schweden recht angenehm | |
| gewesen sein, für Menschen wie ihn waren sie es ganz gewiss nicht. In | |
| Alten- und Pflegeeinrichtungen gab es einen kompletten Lockdown, mit | |
| Ausgangsverbot für die Senioren und Besuchsverbot für die Jüngeren. | |
| Geholfen hat das nicht: Durch das Pflegepersonal kam das Virus in viele der | |
| Einrichtungen und sorgte dafür, dass die Todesrate in Schweden ganz | |
| besonders hoch ausfiel. „Ich verstehe nicht, dass manche Menschen so | |
| unvernünftig sind. Man muss doch vorsichtig sein“, sagt Frankenstein am | |
| Telefon. | |
| Walter Frankenstein ist ein Überlebender des Holocausts, seit 63 Jahren ist | |
| Schweden sein selbst gewähltes Exilland. Von 1943 an lebte der deutsche | |
| Jude mit seiner jungen Familie verborgen in Berlin und Umgebung, bedroht | |
| von den Streifen der Gestapo und Denunzianten, von Versteck zu Versteck | |
| eilend, ohne Geld und Papiere, in ständiger Furcht vor einer Entdeckung. Es | |
| gleicht einem Wunder, dass die vierköpfige Familie die Verfolgung durch die | |
| Nazis überlebt hat. | |
| Frankenstein, ein schmaler, hoch aufgeschossener Mann mit Brille, ist | |
| überhaupt kein ängstlicher Mensch. Er besitzt noch immer einen | |
| messerscharfen Verstand. Auch wenn sein Augenlicht stark nachgelassen hat | |
| und obwohl er zum Gehen auf einen Rollator angewiesen ist, reist der | |
| frühere Ingenieur regelmäßig in seine alte Heimatstadt Berlin, hält | |
| Vorträge vor Schulklassen und in Museen. Mit den Berichten aus seiner | |
| Jugend will er die Jugendlichen vor den Gefahren des Neonazismus warnen. | |
| Doch die Pandemieregeln führen ihn zurück in die Vergangenheit, in | |
| Einsamkeit und Abgeschlossenheit. Die Reisen nach Berlin wurden abgesagt. | |
| Die Vorleserin, die sonst in seiner Wohnung im Seniorenheim vorbeikam, | |
| konnte ihn nicht mehr besuchen. Die eigenen Söhne und Verwandten blieben | |
| ausgesperrt, so wie alle Besucher. Vor allem aber kehrte die verfluchte | |
| Vergangenheit zurück. | |
| ## Erinnerungen an seine Kindheit kamen wieder hoch | |
| „Das alles hat mich an die damalige Zeit erinnert“, sagt er. „Ich war ja | |
| eingesperrt und eingeengt. Ich musste damals vor 80 Jahren wie in einer | |
| Zwangsjacke leben. Das kehrte zurück.“ Frankenstein begann wieder von der | |
| Verfolgungszeit zu träumen. Er sagt: „Ich halte diese Eingeengtheit nicht | |
| aus. Ohne das Telefon wäre ich wahnsinnig geworden. Das Telefon war mein | |
| Lebensretter.“ | |
| Erinnerungen an seine Kindheit im westpreußischen Flatow seien wieder | |
| hochkommen, berichtet Frankenstein: „Dort hatten wir bis 1936 christliche | |
| Freunde, die kamen durch den Hintereingang zu uns. Doch die christlichen | |
| Kinder durften nicht mehr mit uns spielen, weil deren Eltern das verboten | |
| hatten. Wir waren ja abgesperrt. Wenn ich heute die Augen schließe, kommt | |
| das alles wieder zurück.“ | |
| Die letzten Überlebenden des Judenmords unter den Nationalsozialisten | |
| stehen heute im neunten oder zehnten Lebensjahrzehnt, so wie Walter | |
| Frankenstein. Es sind, über die ganze Welt verteilt, nur noch wenige | |
| Hunderttausend Menschen. Die Coronapandemie hat sie doppelt getroffen – als | |
| besondere Gefahr für sie als alte Menschen und als eine Erfahrung, die alte | |
| Traumata wieder erwecken kann. | |
| Dalia Sivan ist Psychologin und Direktorin von Amcha Nord Israel, einem | |
| Zentrum, das den Überlebenden der Schoah psychosoziale Hilfe bietet. Ihre | |
| Zweigstelle in der Küstenstadt Haifa kümmert sich um etwa 2.500 Menschen. | |
| ## Die Krisenhotline war zu Pessach besonders stark frequentiert | |
| Bei einigen Überlebenden habe die Isolation die posttraumatischen | |
| Erinnerungen verstärkt, berichtet Sivan: „Der Holocaust hat Beziehungen | |
| zerstört, Familien wurden auseinandergerissen, Kinder von ihren Eltern | |
| getrennt. Der Lockdown hat einige Überlebende wieder in die Einsamkeit | |
| geworfen.“ | |
| Bei der ersten Coronawelle im Frühjahr seien die Überlebenden in Israel | |
| extrem isoliert worden. Selbst zu Pessach, dem Fest, zu dem normalerweise | |
| die ganze Familie zusammenkommt, war es nicht erlaubt, mit Mitgliedern aus | |
| anderen Haushalten zusammenzukommen. „Kinder und Enkelkinder kamen nicht zu | |
| Besuch. Besuche in anderen Haushalten waren komplett verboten“, sagt Sivan. | |
| Amchas Krisenhotline sei an diesem Tag besonders stark frequentiert | |
| gewesen, berichtet die Psychologin und nennt ein Beispiel: „Eine | |
| Überlebende, die als Fünfjährige den Holocaust überlebt hat, erlitt an | |
| diesem Feiertag aufgrund der Isolation und der Polizei und den Soldaten auf | |
| den Straßen eine Angstattacke, obwohl diese zur Unterstützung der Älteren | |
| unterwegs waren.“ | |
| Sivan nennt als ein Ziel ihrer Arbeit, bei den Überlebenden das Gefühl von | |
| Autonomie und Handlungsfähigkeit zu stärken. Sie erzählt an einem Beispiel, | |
| wie es gut laufen kann: Eine Überlebende aus Ungarn hatte das Gefühl, Essen | |
| hamstern zu müssen. Ein junger Mann bot ihr an, für sie einkaufen zu gehen. | |
| Obwohl Pessach war und der Tisch zu diesem Fest normalerweise üppig gedeckt | |
| ist, bat sie den Helfer lediglich, Brot und Kartoffeln zu kaufen, das, was | |
| man zum Überleben braucht, so ihr Glaubenssatz aus der Zeit des Holocausts. | |
| Der junge Mann kaufte ihr nicht nur Brot und Kartoffeln, sondern auch | |
| Gemüse, Bananen und Erdbeeren. Sie war so gerührt davon, dass sie in die | |
| aktive Rolle wechselte: Sie ist eine großartige Bäckerin und backte dem | |
| Freiwilligen zum Dank eine ungarische Spezialität.“ | |
| ## Freiwillige besuchen die Überlebenden nun wieder persönlich | |
| Doch auch die Angst davor, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden und dort | |
| alleine sterben zu müssen, ist unter Überlebenden in der Coronapandemie | |
| groß. Auch dies verweist zurück auf den Holocaust, darauf, dass während des | |
| Holocausts Menschen allein gestorben sind, in allen möglichen Umständen und | |
| ohne dass irgendjemand davon wissen konnte, sagt Sivan. „Je länger die | |
| Pandemie anhält, desto klarer wird uns jedoch, dass wir uns mit den Älteren | |
| und insbesondere den Überlebenden beraten müssen, was gut und angemessen | |
| für sie ist“, erklärt sie. | |
| Wenn sich alle Beteiligten gut und sicher damit fühlen, dann besuchen die | |
| Therapeuten und Therapeutinnen sowie Freiwilligen die Überlebenden | |
| mittlerweile auch wieder persönlich – natürlich an der frischen Luft und | |
| mit großem Abstand. Auch Yogastunden finden wieder statt und Treffen in den | |
| Sozialklubs von Amcha, in kleinen Gruppen mit ausreichendem Abstand. | |
| Vieles finde aber nach wie vor über Zoom statt. Jede Bezugsgruppe trifft | |
| sich in Zoom-Konferenzen, Sänger und Schauspielerinnen machen auf Zoom | |
| Veranstaltungen für die Überlebenden. Immer mit dem Ziel, ein Gefühl der | |
| Verbundenheit herzustellen und den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Ihrer | |
| Erfahrung nach ist das Wichtigste, das Gemeinschaftsgefühl | |
| aufrechtzuerhalten, in Kontakt zu bleiben und den Überlebenden zu zeigen, | |
| dass sie keine Wiederholung des Holocaust erleben. | |
| In den letzten Monaten beobachtet Sivan unter den Überlebenden in Israel | |
| immer häufiger die Sorge um die nächsten Generationen: „Es gibt so viele | |
| Arbeitslose im Moment, die Kinder können nicht zur Schule gehen. Und | |
| während wir den zweiten Lockdown durchlaufen, wird uns immer mehr bewusst, | |
| dass es nicht die eine richtige Antwort auf die Pandemie gibt, keine | |
| Gewissheit, wie wir damit umgehen sollen. Unsere Regierung zumindest hat | |
| keine klare Antwort. Und für Menschen, die nach dem Holocaust nach | |
| Sicherheit suchten und hofften, sie in Israel zu finden, ist das schwer.“ | |
| ## Schön sei das diesjährige jüdische Neujahrsfest gewesen | |
| Die Warschauer Philosophin Bella Szwarcman-Czarnota ist 1945 geboren. „Der | |
| Krieg und die Schoah liegen vor meiner Zeit. Aber meine Eltern haben viel | |
| über ihr damaliges Exil in der Sowjetunion erzählt.“ Während sich Juden in | |
| Westeuropa und auch in Polen vor den Nazis verstecken mussten und ihre | |
| Bleibe möglichst nicht verlassen durften, konnten sich Juden in der | |
| Sowjetunion frei bewegen. | |
| „Natürlich haben mein Mann Kazik und ich große Angst, uns mit Corona | |
| anzustecken“, erzählt sie über Skype. „Aber Erinnerungen an den Krieg lö… | |
| das bei mir nicht aus. Mehr Angst als um uns haben wir um unsere Kinder“ – | |
| die Tochter Roza und den Schwiegersohn Michal – sowie um die kleinen Enkel | |
| Dawid und Maja. Um sie nicht anzustecken, hätten sie fast ihr gesamtes | |
| soziales Leben ins Internet verlegt. „Wir kaufen nur noch online ein – da | |
| bieten inzwischen sogar kleine Gemüseläden ihre Waren an und bringen sie | |
| dann per Bote vorbei.“ | |
| Sie umschließt die große Teetasse mit beiden Händen und nimmt einen | |
| Schluck. Hinter ihr ist im Skypebild ein Bücherregal zu sehen. „Vor Corona | |
| habe ich mich jeden Tag mit Freundinnen und Bekannten getroffen. Trotz | |
| meiner 75 Jahre bin ich auch immer noch beruflich aktiv, halte viele | |
| Vorträge und moderiere Diskussionen. Das läuft jetzt alles über Zoom und | |
| Skype.“ Sie zuckt mit den Achseln und streicht sich über die hellbraune | |
| Kurzhaarfrisur. „Was uns wirklich fehlt, sind die Schabbatgäste am | |
| Freitagabend bei uns zu Hause und die Vorfreude auf unsere Winterreise. | |
| Seit vielen Jahren entfliehen wir dem polnischen Weihnachtstrubel. Letztes | |
| Jahr waren wir über die Feiertage im italienischen Turin. Das war einfach | |
| wunderbar! Aber jetzt können wir ja nicht weg.“ | |
| Sie senkt den Kopf, richtet die Kamera am Computer und lächelt dann wieder. | |
| „Wirklich großartig ist aber, wie viel Mühe sich alle geben, unser | |
| Gemeindeleben nicht einschlafen zu lassen.“ So feiere die Warschauer | |
| Synagoge des Reformjudentums Ec Chaim ihre Gottesdienste inzwischen online. | |
| Das könne die Gemeinde der orthodoxen Nozyksynagoge natürlich nicht, da | |
| deren Regeln etwas strenger seien. „Aber an den hohen Feiertagen war auch | |
| unsere Synagoge geöffnet. Ich bin an Kol Nidre, dem Vorabend des höchsten | |
| jüdischen Feiertags Yom Kippur, in die Synagoge gegangen. Alle trugen | |
| Masken, hielten Abstand und begrüßten sich nur mit den Ellenbogen, statt | |
| sich zu küssen. Das war sehr beeindruckend!“ | |
| Ein sehr schönes Erlebnis sei auch das diesjährige jüdische Neujahrsfest | |
| Ende September gewesen. „Wir trafen uns unten an der Weichsel. Und als die | |
| Sonne unterging, haben wir symbolisch unsere Sünden vom letzten Jahr in den | |
| Fluss geworfen, dazu gesungen und den Schofar geblasen.“ Auch hier hatten | |
| alle ihre Gesichtsmasken auf. „Aber es war wirklich schön, nach so langer | |
| Zeit des Lockdowns und der Quarantäne viele Freunde und Bekannte aus der | |
| Vor-Corona-Zeit wiederzusehen.“ | |
| ## Bei vielen Betroffenen schwinde das Gefühl der Sicherheit | |
| Szwarcman-Czarnota schaut auf die Uhr. Gleich kommt ihr fünfjähriger Enkel | |
| Dawid für ein paar Stunden zu Besuch. „Beim ersten Lockdown im Frühjahr“, | |
| sagt sie, „kannten wir noch niemanden, der an Covid-19 erkrankt war. Jetzt | |
| sind es doch schon etliche. Hoffentlich stehen wir das durch, bis ein | |
| Impfstoff gefunden sein wird.“ | |
| Auch Walter Frankenstein in Stockholm kennt solche Gefühle: Zwei Enkel | |
| seien in Schweden an Covid-19 erkrankt, berichtet er: „Es ist alles gut | |
| gegangen. Aber man weiß nicht, was noch folgt.“ Damals, während der | |
| Nazizeit, „lebte man nur von der Hoffnung, dass Hitler verschwindet. Jetzt | |
| redet man vom Impfen und dass alles wieder verschwinden würde.“ | |
| Sandro Huberman hat in Frankfurt am Main ähnliche Erfahrungen gesammelt wie | |
| Dalia Sivan in Haifa. Der 38-Jährige leitet seit dem November vergangenen | |
| Jahres das Altenzentrum der Jüdischen Gemeinde. Unter den 174 Bewohnerinnen | |
| und Bewohnern, die dort untergebracht sind, befinden sich auch etwa 15 | |
| Überlebende der Schoah. „Bruchstücke traumatischer Erinnerungen kehren bei | |
| ihnen zurück. Je älter sie werden, desto eher kommen die Ängste zurück an | |
| die Oberfläche.“ | |
| Bei vielen Betroffenen schwinde das Gefühl der Sicherheit, berichtet | |
| Huberman. Kämen weitere Ereignisse wie das Attentat in Wien in der Nähe | |
| einer Synagoge hinzu, löse das häufig massive Ängste aus. Huberman | |
| bestätigt, dass das Besuchsverbot im Frühjahr besonders große Belastungen | |
| zur Folge gehabt habe: „Unsere Mitarbeiter erhielten eine ganz besondere | |
| Rolle als die wichtigsten und einzigen Bezugspersonen“, sagt er. | |
| ## Zahlreiche Palästinenser haben keine Krankenversicherung | |
| Das Frankfurter Altenzentrum ist dabei noch in einer guten Lage. Unter den | |
| Bewohnern habe es bisher keinen einzigen Covid-19-Fall gegeben. Zudem sei | |
| das Seniorenheim personell besonders gut ausgestattet, vergleicht man es | |
| mit anderen Einrichtungen. Auch stehe ein Psychologe zur Verfügung. | |
| Huberman möchte unbedingt vermeiden, dass das Altenzentrum angesichts der | |
| stark steigenden Corona-Infektionen in Deutschland nochmals in einen | |
| Lockdown gehen muss. Er setzt dabei auf Schnelltests, mit denen die | |
| Bewohner und Betreuer, vor allem aber die Besucher ab Mitte November | |
| untersucht werden können. | |
| Chana Arnons Stimme klingt wie die einer jungen Frau, dabei ist sie 81 | |
| Jahre alt. „Viele sprechen derzeit hier in Israel von | |
| Holocaust-Überlebenden in der Coronapandemie“, sagt sie. Zwar könne sie die | |
| Assoziation verstehen: „Man muss sich verstecken, und allein sein. Und man | |
| hat einen unsichtbaren Feind und kennt die Taktik nicht.“ Aber: „Verglichen | |
| mit dem Zweiten Weltkrieg ist das nichts.“ Der Unterschied ist für sie sehr | |
| deutlich: „Während des Zweiten Weltkriegs gab es eine Kampagne gegen die | |
| Juden. Als Jude warst du zum Tod verurteilt, und zwar aufgrund von | |
| Rassismus. Hier muss man keine Angst vor anderen Menschen haben, eher im | |
| Gegenteil. Der Lockdown wird ja aus Solidarität verhängt und ohne diese | |
| Solidarität kannst du die Krankheit nicht bekämpfen, viele Menschen würden | |
| sterben.“ | |
| Arnon war ein Baby, als die Niederlande am 14. Mai 1940 kapitulierten und | |
| ihre Eltern und die Großmutter sich mit ihr im Arm an holländischen | |
| Soldaten vorbeischlichen, an den Hafen von Ijmuiden eilten und einen | |
| Fischer auftrieben, der sie und andere Flüchtlinge nach England brachte. | |
| Von dort flohen sie über Australien nach Indonesien und wurden nach der | |
| Eroberung durch die Japaner dort in ein Lager gesperrt. | |
| Arnon überlebte, gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Großmutter, doch als | |
| die vier 1946 nach Holland zurückkehrten, war der Großteil ihrer Familie | |
| von den Nazis ermordet worden. Sie wanderten in die USA aus. Als Arnon | |
| neunzehn Jahre alt war, ging sie allein nach Jerusalem. Geplant war ein | |
| Studienjahr. Daraus sind mittlerweile 63 Jahre geworden. Drei ihrer Kinder | |
| leben ebenfalls in Israel, sie kommen Arnon und ihren Mann auch während der | |
| Pandemie besuchen. Gemeinsam mit den Enkelkindern sitzen sie draußen und | |
| tragen Masken. | |
| Fragt man Arnon am anderen Ende der Telefonleitung, was das Härteste an der | |
| Pandemie für sie sei, antwortet sie: „Um ehrlich zu sein, meistens genieße | |
| ich die Situation.“ Obwohl sie nur zu Spaziergängen das Haus verlässt, hat | |
| sie viel zu tun. Sie sieht fern, vertieft ihr Französisch per | |
| Zoom-Unterricht und zieht Bücher aus dem Regal, für deren Lektüre sie | |
| ansonsten niemals Zeit gehabt hätte. | |
| Allerdings sieht auch sie die ungleich schwerere Situation von Freunden und | |
| Freundinnen in Altenheimen, für die sich der Lockdown anders anfühle. Sie | |
| kennt viele Palästinenser und Palästinenserinnen im Westjordanland, von | |
| denen zahlreiche keine Krankenversicherung haben und auch unter den | |
| wirtschaftlichen Folgen leiden. Und sie ist sich der Situation von | |
| israelischen Ladenbesitzern, die durch die Lockdowns in große | |
| Schwierigkeiten gebracht worden sind, sehr bewusst. „Wichtig wäre, dass sie | |
| Kompensation bekommen. Aber die derzeitige Regierung ist einfach nicht | |
| besonders gut.“ | |
| 13 Nov 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
| Gabriele Lesser | |
| Judith Poppe | |
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