# taz.de -- Hamburgs CO2-Bilanz 2019: Rückgang dank Strommix | |
> Hamburg hat seinen CO2-Ausstoß 2019 gegenüber 2018 reduziert. Die | |
> Industrie feiert sich als „Klimaschutz-Macher“, hat aber kaum etwas | |
> beigetragen. | |
Bild: Licht und Schatten: Windrad vor den Schornsteinen des Kohlekraftwerks Moo… | |
HAMBURG taz | Wie steht es um Hamburgs Klimabilanz und die Klimaziele? | |
Aktuellen Daten zufolge hat die Stadt den Ausstoß des klimawirksamen | |
Kohlendioxids im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr reduziert – um 1,233 | |
Millionen Tonnen auf insgesamt 15,088 Millionen Tonnen. Damit fällt der | |
Rückgang mit 7,55 Prozent klar stärker aus als noch von 2017 auf 2018 mit | |
0,47 Prozent. Jedes Jahr veröffentlicht das Statistikamt Nord diese | |
sogenannte Energiebilanz und CO2-Bilanzen für Hamburg mit zwei Jahren | |
Verzug. | |
Der Umweltverband BUND bewertet die Bilanz als relativ schwach. In | |
wesentlichen Bereichen liege Hamburg deutlich hinter den Einsparzielen. Die | |
Emissionsminderung gehe weitgehend auf Verbesserungen im bundesdeutschen | |
Strommix zurück. „Insgesamt sehen wir einen tatsächlichen CO2-Rückgang von | |
ein bis zwei Prozent“, sagt Pressesprecher Paul Schmid. Das sei zu wenig, | |
gerade da die ersten Einsparungen am leichtesten zu erreichen seien, | |
während die späteren mit systemischen Veränderungen verbunden seien. | |
Ähnlich schätzt auch der Hamburger Klimabeirat, der den Senat als | |
unabhängiges wissenschaftliches Gremium berät, die Daten ein. „Hamburg muss | |
seine Anstrengungen beim Klimaschutz deutlich verstärken, die bisherigen | |
CO2-Einsparungen reichen nicht aus“, erklärt die Vorsitzende Daniela Jacob. | |
Fakt ist: Hamburg hat die Emissionen gegenüber 1990 um rund 27 Prozent | |
reduziert. Damit wird die Stadt das ursprüngliche Ziel von 2013, die | |
Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, voraussichtlich verfehlt | |
haben. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bilanz um Daten | |
von 2019 handelt. Erst am Ende des Jahres verabschiedete die Bürgerschaft | |
damals den Klimaplan und das Klimaschutzgesetz. Wo Hamburg in Bezug auf das | |
aktuelle Zwischenziel steht, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent | |
gegenüber 1990 zu reduzieren, soll alle zwei Jahre beurteilt werden – | |
erstmals im kommenden Jahr. | |
Die Ziele und Maßnahmen werden dabei derzeit überarbeitet, nachdem sich SPD | |
und Grüne nach [1][koalitionsinternem Streit] auf stärkere Anstrengungen im | |
Klimaschutz geeinigt hatten. Daher betont Umweltsenator Jens Kerstan | |
(Grüne) in Bezug auf die Erkenntnisse aus der Bilanz: „Wir haben uns im | |
Senat auf mindestens 65 Prozent CO2-Einsparung bis 2030 geeinigt und setzen | |
alles daran, dies zu erreichen beziehungsweise zu übertreffen.“ Alles in | |
allem zeige sich, dass viele Maßnahmen ineinandergreifen müssten, um diese | |
Ziele zu erreichen. | |
Das Statistikamt unterscheidet in der CO2-Bilanz verschiedene Sektoren. Wie | |
unterschiedlich die Daten dabei interpretiert werden, verdeutlicht die | |
Diskussion um die Emissionen der Hamburger Industrie. Sie hat ihre | |
Emissionen innerhalb des einen Jahres um 10,5 Prozent reduziert. | |
Der Vorstandsvorsitzende des [2][Industrieverbandes Hamburg], Matthias | |
Boxberger, zeigt sich stolz angesichts des „signifikanten Beitrags“ der | |
Industriebetriebe zum Erreichen der Klimaschutzziele: „Jetzt haben wir es | |
schwarz auf weiß: Während andere noch demonstrieren und fordern, macht die | |
Industrie ihren Teil der Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz.“ | |
Ganz anders sieht es naturgemäß der [3][BUND]: „Dieser Rückgang beruht zum | |
allergrößten Teil auf dem wachsenden Anteil von Solarenergie und Windstrom | |
im deutschen Strommix.“ Die Hamburger Industrie habe dazu keinen | |
nennenswerten Beitrag geleistet und ihren Primärenergieverbrauch lediglich | |
um etwa 1,3 Prozent reduziert. | |
Auf taz-Nachfrage bestätigt die zuständige Behörde für Innovation und | |
Wirtschaft die Kritik des Umweltverbandes: Es sei „richtig, dass der | |
Rückgang der CO2-Zahlen zu einem guten Teil auch auf den veränderten | |
Bundesstrommix zurückzuführen ist“. | |
Der Strommix soll in Hamburg aber tatsächlich einen wichtigen Beitrag | |
leisten, wie ein Blick auf die [4][Hamburger Klimaziele] zeigt. [5][Im | |
Dezember 2019] hat die Stadt Hamburg mit dem neuen [6][Klimaplan] und dem | |
neuen [7][Klimaschutzgesetz] neben Klimaschutzzielen für Hamburg allgemein | |
auch für die einzelnen Sektoren konkrete Ziele zur Reduktion von Emissionen | |
festgelegt. Dabei wurde berücksichtigt, wie viel CO2 durch den Energiemix | |
eingespart werden könnte. | |
Die Industrie muss demnach bis 2030 lediglich gut ein Drittel der | |
Einsparungen durch spezifische Maßnahmen erreichen, der Rest soll über | |
Einsparungen durch den Energiemix geschehen. Dennoch wirkt es unpassend, | |
dass sich der Industrieverband nun bei einer Reduktion um lediglich 1,3 | |
Prozent als „Klimaschutz-Macher“ feiert. | |
Während der Bilanz zufolge auch die Emissionen im zweiten Sektor rund um | |
Haushalte, Handel, Dienstleistungen und Kleingewerbe um 10,7 Prozent | |
zurückgingen, bleibt – ähnlich wie auf Bundesebene – der Verkehr das | |
Sorgenkind: Als einziger Bereich stiegen die Emissionen dort sogar leicht | |
an. | |
26 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-Klimaschutz-in-Hamburg/!5789513 | |
[2] https://www.bdi-hamburg.de/presse/pressearchiv_2021/waehrend_andere_noch_de… | |
[3] https://www.bund-hamburg.de/service/presse/detail/news/neue-co2-bilanz-fuer… | |
[4] https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/13278828/2019-12-03-sk-bue-hamburge… | |
[5] /Klimaplan-fuer-Hamburg/!5641601 | |
[6] https://www.hamburg.de/contentblob/13647730/82f1c3fe9959d1d7f70106ae89a8078… | |
[7] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-KlimaSchGHA2020V1IVZ | |
## AUTOREN | |
Tjade Brinkmann | |
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