| # taz.de -- Grundsatzprogramm der AfD: Darf's noch ein wenig rechter sein? | |
| > Der Programmentwurf der Rechtspopulisten sorgt auch in der Partei für | |
| > Streit. Vielen ist er nicht rechts genug. Hunderte Änderungsanträge | |
| > liegen vor. | |
| Bild: Welche Teile vom Grundsatzprogramm der AfD kommen wohl unter die Räder? | |
| Berlin taz | Wolfgang Gedeon bringt seine Gedanken gern zu Papier – und | |
| unter die Menschen. Der Mediziner, der sich selbst auch als Philosoph | |
| versteht, gab 2005 seine Praxis auf, dann schrieb er ein dreibändiges Werk | |
| über die „Christlich-europäische Leitkultur“. Wenig später publizierte d… | |
| heute 68-Jährige, der während seiner Studentenzeit Maoist war, „Der grüne | |
| Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“. Die Titel sind Programm. | |
| Als die AfD sich gründete, trat Gedeon bei, er gehört zum rechten Flügel | |
| der Partei. Inzwischen sitzt er als Abgeordneter im baden-württembergischen | |
| Landtag. Die Vorlage des Bundesvorstands für ein Grundsatzprogramm, das | |
| sich die rechtspopulistische Partei bei ihrem Parteitag am übernächsten | |
| Wochenende geben will, hält der Mann vom Bodensee für „nicht geeignet“. | |
| Der 74-seitige Entwurf sei einerseits „zu ausführlich und überdetailliert�… | |
| Andererseits würden die grundsätzlichen Probleme „nicht klar dargestellt“. | |
| Also hat Gedeon einen eigenen Vorschlag eingereicht, 20 Seiten lang. | |
| Er beginnt beim griechischen Göttervater Zeus, der die phönizische | |
| Königstochter Europa raubt, und endet bei seinem Bild vom Menschen, „ein | |
| letztlich zur Göttlichkeit bestimmtes Wesen“. Dazwischen: weniger USA, mehr | |
| Russland; weniger Multikulti, mehr deutsche Leitkultur; weniger EU, mehr | |
| Deutschland; weniger „Ideologieterror“, mehr Demokratie; weniger Islam, | |
| mehr Christentum „und nicht zuletzt: viel mehr Abschiebungen und viel | |
| weniger Zuwanderung“. | |
| Von der Tendenz dürften dem fast alle in der Partei zustimmen. | |
| Gedeons Pamphlet ist einer von drei kompletten Gegenentwürfen zu dem | |
| Vorschlag, den die Programmkommission mit dem Segen des Bundesvorstands | |
| eingebracht hat. Hinzu kommen Hunderte von Änderungsanträgen, insgesamt | |
| sind sie 1.425 Seiten lang. Darunter: Nebensächliches und Abseitiges, auch | |
| einige Versuche, den Entwurf in einzelnen Punkten zu liberalisieren. Die | |
| meisten Vorschläge aber wollen das Grundsatzprogramm zuspitzen. Und hinter | |
| den Kulissen werden dafür bereits die Mehrheiten organisiert. | |
| ## Anträge vom „Flügel“ | |
| Im Entwurf der Programmkommission, der unter Federführung der Parteivizes | |
| Albrecht Glaser und Beatrix von Storch entstanden ist, heißt es gleich zu | |
| Beginn: „Wir sind Liberale und Konservative. Wir sind freie Bürger unseres | |
| Landes. Wir sind überzeugte Demokraten.“ Die mehrfach erhobene Forderung: | |
| Die Selbstbezeichnung als Liberale und Konservative soll gestrichen werden. | |
| Stattdessen soll von „selbstbewussten Patrioten“ die Rede sein. | |
| Einen entsprechenden Änderungsantrag hat Daniel Roi gestellt, | |
| parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Magdeburger Landtag. „Der | |
| Flügel“, in dem sich die AfD-Rechten unter der Führung von Thüringens | |
| Landeschef Björn Höcke zusammengeschlossen haben, veröffentlicht seit | |
| Montag täglich einen aus seiner Sicht unterstützenswerten Änderungsantrag | |
| zum Programmentwurf. Der erste Vorschlag: der Antrag von Roi. | |
| „Der Flügel“, seit der Abspaltung der Lucke-Anhänger im Sommer 2015 auf d… | |
| Vormarsch und durch den Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt gestärkt, hat bereits | |
| Sympathien für einen zweiten Gegenentwurf bekundet. Der aus Niederbayern | |
| sei „eine wohltuend deutliche Positionierung“, die es verdiene, „als | |
| ernsthafte Alternative einer jungen aufbrechenden Partei wahrgenommen zu | |
| werden“. | |
| Die Niederbayern gehen in vielen Punkten über den Entwurf der | |
| Programmkommission hinaus. Am deutlichsten ist das beim Umgang mit dem | |
| Islam, der nach dem Rückgang der Flüchtlingszahlen wieder das Topthema der | |
| AfD werden dürfte. Dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, ist Konsens | |
| in der Partei. | |
| Die Programmkommission will Minarette und Muezzinrufe verbieten und | |
| verfassungsfeindlichen Vereinen den Bau und Betrieb von Moscheen | |
| untersagen. Gebetshäuser sollen nicht mehr mit Geld aus dem Ausland gebaut | |
| oder finanziert werden dürfen. Das wäre das Aus für Ditib, den größten | |
| Moscheeverein in Deutschland. Die Imame des Vereins werden aus der Türkei | |
| entsandt und vom türkischen Staat bezahlt. Der Entwurf will | |
| Vollverschleierung verbieten und nicht nur Lehrerinnen und Dozentinnen, | |
| sondern auch Schülerinnen und Studentinnen das Kopftuch untersagen. | |
| Die Niederbayern gehen weiter: Sie erklären den Islam als solchen für | |
| verfassungsfeindlich und wollen deshalb den Bau und Betrieb von Moscheen | |
| generell verbieten. Das wäre ein schwerer Eingriff in die grundgesetzlich | |
| verbriefte Religionsfreiheit – und ist damit verfassungsfeindlich. | |
| Sie wollen zudem das Schächten von Tieren und die Beschneidung von Jungen | |
| ohne medizinische Indikation verbieten, was auch die jüdischen Riten | |
| betreffen würde. Zahlreiche Einzelanträge unterstützen diese Vorschläge. | |
| Öffentlich stellt sich ihnen bislang keiner aus der Bundesspitze entgegen. | |
| Im Gegenteil: Am Wochenende haben von Storch und ihr Mit-Parteivize | |
| Alexander Gauland die Diskussion weiter angeheizt. | |
| Heftig umkämpft ist die sozialpolitische Ausrichtung der AfD. So heftig, | |
| dass die Sozial- und Rentenpolitik im Entwurf der Programmkommission kaum, | |
| Gesundheitspolitik gar nicht vorkommen. Der Bundesvorstand will die | |
| Diskussion vertagen. Die ursprüngliche Forderung, das Arbeitslosengeld I zu | |
| privatisieren, ist im Entwurf gestrichen. Der Mindestlohn aber soll | |
| erhalten bleiben. | |
| Die Änderungsanträge gehen kreuz und quer. Da wollen manche | |
| Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wieder einführen, | |
| andere Hartz IV auf sechs Monate begrenzen und die biometischen Daten der | |
| Empfänger zentral erfassen. Es gibt Forderungen, das Renteneintrittsalter | |
| wieder zu senken und eine Mindestrente einzuführen, die private | |
| Krankenversicherung abzuschaffen und eine Bürgerversicherung sowie eine | |
| Bundeskrankenkasse einzuführen. Nimmt man die Anzahl der Anträge als Indiz, | |
| dürfte es der wirtschaftsliberale Flügel schwer haben, sich in der | |
| Sozialpolitik durchzusetzen. | |
| ## Der Ort ist wichtig | |
| Umstritten ist – neben vielem anderen – auch die Außenpolitik. | |
| Grundsätzlich gilt: Mehr Nähe zu Russland, mehr Abstand zu den USA. Aber | |
| wie weit soll das gehen? Im Programmentwurf heißt es, die Mitgliedschaft in | |
| der Nato entspreche den Interessen Deutschlands, wenn sie sich auf ihre | |
| Aufgabe als Verteidigungsbündnis beschränke. Änderungsanträge wollen | |
| wahlweise Russland in die Nato aufnehmen, mit dem Nato-Austritt drohen oder | |
| ihn gleich vollziehen. | |
| Wie der Parteitag ausgeht, gilt als völlig offen. In die Stuttgarter Messe | |
| kommen keine Delegierten, sondern einfache AfD-Mitglieder, die | |
| Bundesgeschäftsstelle geht von 2.000 Teilnehmern aus. Jedes Mitglied, das | |
| sich anmeldet, kann mitreden und abstimmen. | |
| Deshalb ist der Veranstaltungsort wichtig – in Stuttgart kommen andere | |
| Mitglieder als in Magdeburg oder Bremen. Baden-Württemberg ist kein | |
| dezidiert rechter Landesverband, Landeschef Jörg Meuthen, der gemeinsam mit | |
| Frauke Petry auch Bundesvorsitzender ist, gilt sogar als | |
| wirtschaftsliberales Aushängeschild. | |
| Doch in Baden-Württemberg sind auch die Patriotische Plattform, der rechte | |
| Rand der AfD, und der Pforzheimer Kreis stark, in dem sich die radikalen | |
| Christen in der AfD zusammengeschlossen haben. Hinter vorgehaltener Hand | |
| hört man im Bundesvorstand, dass man froh sei, wenn der Entwurf der | |
| Programmkommission als Grundlage für die weitere Diskussion angenommen | |
| wird. | |
| 20 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
| ## TAGS | |
| Grundsatzprogramm | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Parteitag | |
| Jörg Meuthen | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Junge Alternative (AfD) | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Parteiprogramm | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| AfD-Fraktion in Baden-Württemberg: Antisemit für Deutschland | |
| Die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg stimmt für den Ausschluss ihres | |
| Landtagsabgeordneten Gedeon. Die endgültige Entscheidung fällt später. | |
| AFD-Parteitage in Bremen und Meck-Pom: Kerndeutsche Beauty | |
| Die zwei AfD-Landesparteitage im Norden werden am Wochenende von hitzigen | |
| Personaldiskussionen geprägt sein. | |
| Rechtsruck der AfD: „Junge Freiheit“ mit Liebeskummer | |
| Dem Zentralorgan der „Neuen Rechten“ rutscht die AfD zu weit nach rechts. | |
| Es fallen Worte wie „dämlich“ und „irrsinnig“. | |
| Richtungsstreit in der AfD: Wie rechts hätten Sie's denn gern? | |
| Die AfD will am Wochenende Teile ihres Programms beschließen. Vor dem | |
| Parteitag bricht ein alter Streit wieder auf, diesmal zwischen Petry und | |
| Höcke. | |
| Verfassungsschutzbericht Sachsen: Pegida? Kein Problem | |
| Der sächsische Verfassungsschutz veröffentlicht seinen neuen Jahresbericht. | |
| Die Pegida-Bewegung ist für ihn weiter kein Thema. | |
| Kommentar AfD-Programm: Ein Echo aus dunkelster Zeit | |
| Religionsfreiheit in Europa ist ein Erbe der Aufklärung. Der | |
| antimuslimische Rassismus der AfD sollte nicht als „Islamkritik“ | |
| verharmlost werden. | |
| Kommentar AfD-NSDAP-Vergleich: Inhaltlich blödsinnig | |
| Der Zentralrat der Muslime vergleicht die AfD mit der NSDAP. Das ist schief | |
| und krumm, geschichtsvergessen und politisch gefährlich. | |
| Wagenknecht über Rechtspopulisten: „Dämonisierung nutzt der AfD“ | |
| Die Regierung treibt der AfD die Stimmen zu, sagt Sahra Wagenknecht. Die | |
| Linken-Politikerin will die Sorgen der Bürger ernst nehmen. | |
| Kommentar Rechtspopulisten im Landtag: Vitaminspritze für die AfD | |
| Es ist unklug, Rechtspopulisten einfach auszugrenzen. Ein Fiasko ist jedoch | |
| das Verbrüderungsverhalten der CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt. | |
| Programmdebatte auf dem AfD-Parteitag: Streit ums Grundsätzliche | |
| Die AfD will sich Ende April zum Parteitag ein Programm geben. Viele | |
| Mitglieder sind mit dem entschärften Entwurf nicht einverstanden. | |
| Kommentar Landtag in Sachsen-Anhalt: Blumen für Rechtspopulisten | |
| Die Wahl eines AfD-Mannes zum Landtagsvize in Sachsen-Anhalt ist | |
| beängstigend. Es ist kein Ausdruck von Macht, mit dieser Partei zu spielen. |