# taz.de -- Verfassungsschutzbericht Sachsen: Pegida? Kein Problem | |
> Der sächsische Verfassungsschutz veröffentlicht seinen neuen | |
> Jahresbericht. Die Pegida-Bewegung ist für ihn weiter kein Thema. | |
Bild: Total ungefährlich: Pegida | |
BERLIN taz | Es klingt fast nach einem Persilschein. Spätestens mit Ende | |
des Sommers 2015 könnten „alle rechtsextremistischen Einflussnahmeversuche | |
auf GIDA-Bewegungen als gescheitert betrachtet werden“, so das Urteil des | |
sächsischen Verfassungsschutzes. Erfolge in dieser Richtung „konnten nicht | |
festgestellt werden“. Deshalb sei Pegida weiter kein Beobachtungsobjekt der | |
Behörde. | |
Die Einschätzung ist Teil des [1][am Dienstag veröffentlichten, neuen | |
Jahresberichtes des sächsischen Verfassungsschutzes]. Wiederholt hatte das | |
Bundesland im vergangenen Jahr Schlagzeilen mit rassistischen Protesten | |
gegen Flüchtlinge gemacht. In Heidenau randalierten Neonazis stundenlang | |
vor einer Unterkunft, in Clausnitz blockierten Anwohner einen Bus mit | |
Asylbewerbern, in Freital ermittelt inzwischen die Bundesanwaltschaft wegen | |
Rechtsterrorismus. | |
Dazu erlebte die Dresdner Pegida-Bewegung eine erneute Hochphase – mit | |
zuletzt immer brachialeren Reden. Selbst SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte | |
darauf, die Bewegung vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. | |
Das sächsische Landesamt sieht dafür indes keine Veranlassung. So sei es | |
zwar bei Pegida zu einigen „ressentimentbehafteten Redebeiträgen oder | |
Sprechchören“ gekommen, auch zeige ein Teil der Sympathisanten „ein | |
Misstrauen bis hin zur Feindschaft gegenüber etablierten Parteien und | |
Politikern, Medien sowie gegenüber Flüchtlingen“. Ausreichende | |
Anhaltspunkte für eine „verfassungsfeindliche Bestrebung“ lägen „in der | |
Gesamtschau“ aber nicht vor, so der Verfassungsschutz. Im Gegenteil: Dass | |
sich einige Gruppen radikalisiert und abgespalten hätten, zeige, „dass die | |
Abgrenzung zwischen bürgerlichem und offen extremistischem asylbezogenen | |
Protest nach wie vor überwiegend besteht“. | |
Linken-Landeschef Rico Gebhardt kritisierte die Einschätzung scharf. „Ein | |
Verfassungsschutz, der ‚asylkritische‘ Bewegungen gegen jeden Verdacht | |
verteidigt und dabei die Selbstradikalisierung scheinbarer Normalos bis zum | |
Terrorismus nicht sieht, hat versagt.“ Auch Grünen-Landeschef Jürgen Kasek | |
warf dem Verfassungsschutz vor, rechte Gewalt zu verharmlosen. „Ihr seid | |
ein Problem für diese Demokratie“, schrieb er auf Twitter. | |
## Mehr Anti-Asyl-Proteste | |
Jenseits von Pegida machte der sächsische Verfassungsschutz im vergangenen | |
Jahr in Sachsen 177 Anti-Asyl-Proteste mit „relevanten | |
rechtsextremistischen Bezügen“ aus. Daran beteiligten sich 35.400 Personen. | |
Ein deutlicher Anstieg: Im Vorjahr waren es 47 Veranstaltungen mit 7.500 | |
Teilnehmern. Schwerpunkte waren vor allem die Landkreise Bautzen und | |
Sächsische Schweiz. Die Teilnehmerzahlen, so der Verfassungsschutz, | |
überstiegen für das rechtsextreme Spektrum „das eigene szeneinterne | |
Mobilisierungspotenzial in ganz erheblichem Umfang“. | |
Auch die Zahl der Rechtsextremen im Land stieg erstmals seit Jahren wieder | |
an: auf aktuell 2.700. Im Vorjahr waren es noch 200 weniger. Knapp die | |
Hälfte der Neonazis gilt dem Verfassungsschutz als gewaltbereit – auch hier | |
300 mehr als im Vorjahr. Und auch das schlägt sich in Zahlen nieder. 2.234 | |
rechtsextreme Straftaten notierten die Sicherheitsbehörden 2015. Im Vorjahr | |
waren es 1.710. | |
Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte, er verfolge „mit Sorge, dass | |
Extremisten zunehmend Gewalt einsetzen – gegen Asylbewerber, ihre | |
Unterkünfte, ihre Betreuer und gegen Institutionen unseres Rechtsstaates | |
wie beispielsweise unsere Polizisten“. Ulbig bezog dabei aber auch | |
Linksradikale mit ein. Auch dort seien die Straftaten von 821 auf 977 | |
Delikte gestiegen. Inzwischen habe sich Leipzig neben Berlin und Hamburg | |
als dritter, bundesweiter „Schwerpunkt linksextremer Gewalt“ etabliert. | |
Der Verfassungsschutz warnte links wie rechts vor weiter steigender Gewalt. | |
Gerade unter „aktionsorientierten“ Rechtsextremen sei eine „tendenzielle | |
Unzufriedenheit mit dem mittlerweile routiniert ablaufenden asylbezogenen | |
Veranstaltungsgeschehen“ zu erwarten, so die Prognose. Dies könne dazu | |
führen, dass in der Szene „verstärkt Überlegungen zu massiven Gewalttaten | |
gegen Asylbewerber“ verfolgt würden. | |
In Freital war in der vergangenen Woche die Bundesanwaltschaft gegen eine | |
achtköpfige Gruppe vorgegangen, denen sie nach einer Anschlagsserie | |
Rechtsterrorismus vorwirft. Deren mutmaßlicher Anführer Timo S. wurde am | |
Dienstag vor dem Amtsgerichts Dresden zu einer 12-monatigen Freiheitsstrafe | |
auf Bewährung verurteilt. Er gestand, im Juni 2015 mit zwei Kumpanen in | |
Freital Flüchtlingshelfer mit einem Baseballschläger angegriffen zu haben. | |
Für die anderen Tatvorwürfe wird sich der 27-Jährige dann vor höheren | |
Instanzen zu verantworten haben. | |
26 Apr 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.verfassungsschutz.sachsen.de/download/VSB_2015_INTERNET2.pdf | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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