| # taz.de -- Grünen-Duo über seine Kandidatur: „Vielfältiger als unser Ruf�… | |
| > Ricarda Lang und Omid Nouripour wollen Grünen-Chefs werden. Ein Gespräch | |
| > über Streit, sozial verträgliche Klimapolitik – und den vermasselten | |
| > Wahlkampf. | |
| Bild: Zurück zu Realo und Fundi? Omid Nouripour und Ricarda Lang betonen Gemei… | |
| taz: Frau Lang, Herr Nouripour, gibt es in Zukunft endlich wieder Streit an | |
| der Grünen-Spitze? | |
| Omid Nouripour: Warum? | |
| Bevor das Traumduo Baerbock und Habeck kam, waren bei den Grünen Konflikte | |
| in der Doppelspitze an der Tagesordnung. | |
| Ricarda Lang: Die Geschlossenheit der letzten Jahre war genau das, was uns | |
| stark gemacht hat. Klar: Sollten wir gewählt werden, wird es auch mal | |
| ruckeln. Es wird Dinge geben, wo wir unterschiedlicher Meinungen sind. | |
| Alles andere wäre gruselig in einer lebendigen Partei. Aber am Ende werden | |
| wir geschlossen agieren, weil wir es nur alle gemeinsam schaffen, unsere | |
| Ziele zu erreichen und den Koalitionsvertrag umzusetzen. | |
| Die alte Spitze bestand aus zwei Realos. Nun soll mit Ihnen, Frau Lang, | |
| auch wieder eine Vertreterin des linken Flügels in die Parteiführung. Gibt | |
| es da nicht automatisch mehr Spannungen? | |
| Lang: Wir kandidieren beide nicht für Teile der Partei, sondern für Bündnis | |
| 90/Die Grünen. Zudem wird die Vorstellung, dass sich innerparteiliche | |
| Diskussionen einfach nur in zwei Lager unterteilen lassen, den Debatten | |
| überhaupt nicht gerecht. | |
| Nouripour: So ist es. | |
| Als es um die Verteilung der Posten in der Regierung ging, waren die Flügel | |
| zuletzt aber doch sehr deutlich wahrnehmbar. Anton Hofreiter, der Frontmann | |
| der Linken, wurde [1][in letzter Minute ausgebootet]. Wie tief sitzt der | |
| Stachel? | |
| Nouripour: Es ist ja nicht nur Hofreiter nicht zum Zuge gekommen, sondern | |
| auch seine Co-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Das ist so, wenn | |
| man mehr gute Leute hat, als Jobs zu vergeben sind. Entscheidend wird sein, | |
| dass wir jetzt geschlossen weitermachen. Es gab Verletzungen und wir werden | |
| alle miteinander dafür sorgen, dass wir jetzt wieder vertrauensvoll | |
| miteinander arbeiten. | |
| Lang: Am Ende sind wir alle Profis. Was wir jetzt politisch erreichen | |
| können, steht über individuellen Fragen. | |
| Unabhängig von Flügelfragen: Doppelspitzen sind eine besondere | |
| Konstellation, sie bergen immer Risiken. Wie bereiten Sie sich darauf vor? | |
| Nouripour: Ich danke für diese Erfahrungsteilung seitens einer | |
| Zeitungsredaktion, die diese Strukturen auch innehat. Wir reden schon jetzt | |
| sehr viel miteinander und werden noch mehr miteinander sprechen, sollten | |
| wir gewählt werden. Wenn wir dann Meinungsverschiedenheiten haben, werden | |
| wir sie gemeinschaftlich lösen. Hinterher rufen wir dann vielleicht auch | |
| die taz an. | |
| Gerne schon vorher. | |
| Lang: Den Anruf wird es nicht geben. Da müssen wir jetzt schon enttäuschen. | |
| [2][Baerbock und Habeck] hatten ihre Büros in der Parteizentrale | |
| zusammengelegt und einen gemeinsamen Büroleiter engagiert. Werden Sie das | |
| beibehalten? | |
| Lang: Die Aufstellung des Teams klären wir nach der Wahl. Aber wir werden | |
| darauf schauen, dass wir dauerhaft in Kontakt sind. Omid, du bist gerade | |
| die oberste Person in meiner Anrufliste. Wahrscheinlich wird sich daran in | |
| den nächsten Monaten wenig ändern. | |
| Nouripour: Ich habe diese Anruf-Priorität vorab mit meiner Frau diskutiert | |
| und das ist völlig okay. | |
| Wie oft am Tag telefonieren Sie denn miteinander? | |
| Nouripour: Minimum fünf Mal. | |
| Und worüber reden Sie dann? | |
| Lang: Gewählt ist man erst, wenn man gewählt ist. Aber wir müssen uns jetzt | |
| schon vorbereiten. Wir sind nach 16 Jahren Opposition in einer komplett | |
| neuen Rolle mit neuen Kabinettsmitgliedern, mit einer Fraktion und mit | |
| einer Partei, die sich alle neu definieren müssen. Und natürlich besprechen | |
| wir jetzt schon, wie wir das angehen wollen. | |
| Frau Lang, Sie betonen, dass Sie erst noch gewählt werden müssen – obwohl | |
| es eigentlich keine aussichtsreichen Gegenkandidaturen gibt. Könnten Sie | |
| noch über die [3][Ermittlungen der Staatsanwaltschaft] gegen Sie stolpern, | |
| die letzte Woche publik wurden? Als Teil des bisherigen Bundesvorstands | |
| hatten Sie sich selbst einen Coronabonus genehmigt. Es steht der Verdacht | |
| der Untreue im Raum. | |
| Lang: Der Sachverhalt ist ja bereits länger bekannt und die Boni | |
| zurückgezahlt. Nun wird das noch einmal von der Staatsanwaltschaft | |
| durchleuchtet, mit der wir selbstverständlich vollumfänglich kooperieren. | |
| Und dann, denke ich, wird das Thema auch abgeschlossen. | |
| Sie haben selbst angesprochen, dass sich durch den Regierungseintritt der | |
| Grünen etwas verändert. Die Macht hat sich in Richtung der Ministerien | |
| verschoben. Wie stellen Sie sicher, dass Sie als Parteivorsitzenden auch | |
| noch etwas zu sagen haben? | |
| Lang: Wir werden in Zukunft mehr Machtzentren haben als in der | |
| Vergangenheit. Das ist gut so. Ich habe ein Interesse daran, dass wir ein | |
| starkes Kabinett haben, dass unsere Leute da gute Arbeit machen. Ich habe | |
| auch ein Interesse an einer starken Fraktion. Wir werden alle gemeinsam im | |
| Team spielen müssen und die Partei hat dabei eine ganz zentrale Rolle. Sie | |
| wird auch über die Legislatur hinausdenken. Und sie isch das Scharnier – | |
| oh, jetzt fange ich an, schwäbisch zu reden – zwischen der Regierung und | |
| den Mitgliedern. | |
| Sind Sie auch dafür verantwortlich, den Finger in Wunden zu legen und | |
| Fehler aufzuarbeiten? Stichwort: Wahlanalyse. [4][Winfried Kretschmann] | |
| spricht von einer „krachenden Niederlage“, die aufgearbeitet werden muss. | |
| Nouripour: Als Hesse muss ich jetzt erst mal den Dialektwettbewerb | |
| aufnehmen und die Antwort ist: Ei, logisch! Wir haben ein historisches | |
| Ergebnis, sind aber unter unserem Potenzial geblieben. Alle, die | |
| Verantwortung für diesen Wahlkampf getragen haben, stehen bereit, um das | |
| zusammen aufzuarbeiten. Es ist bisher nicht passiert, weil niemand dafür | |
| Zeit hatte. Wir waren ab dem Wahlabend in der Regierungsbildung. Jetzt | |
| wollen wir aber die Lehren ziehen. | |
| Lang: Genau. Es wäre ja auch ziemlich blöd von der Partei, das nicht zu | |
| tun. Das Ziel, die führende Kraft der linken Mitte zu werden und das | |
| Kanzleramt zu beanspruchen, war richtig und bleibt es auch für 2025. Um | |
| dahin zu kommen, müssen wir schauen: Wo müssen wir besser werden? Worauf | |
| können wir aufbauen? Wie stellen wir uns auf für die nächsten Jahre? | |
| Sie haben jetzt lauter Fragen gestellt. Haben Sie auch schon Antworten? Was | |
| lief aus Ihrer Sicht schief? | |
| Nouripour: Ich habe eine präzise Vorstellung über die Inklusivität des | |
| Verfahrens. Deswegen gehe ich hier nicht mit zehn Thesen voran, sondern | |
| will erst mal die Erfahrungen breit einsammeln – auch von denen, die | |
| ehrenamtlich an vorderster Front an den Wahlkampfständen standen. Am Ende | |
| müssen wir einhellig aus allem die Lehren ziehen. Die Struktur der | |
| Geschäftsstelle und die der Partei sind ja gebaut worden für eine Partei | |
| von 45.000 Mitgliedern. Jetzt sind wir bei 125.000. Das muss alles | |
| zusammengedacht werden. | |
| Die Parteizentrale war personell überfordert? | |
| Lang: Unsere Leute haben einen Wahnsinns-Job gemacht und die Partei in | |
| kürzester Zeit auf ein vollkommen neues Level gehoben. Das war ein | |
| Beschleunigungsprozess, den selten eine Partei in der Form erlebt hat – | |
| allein schon, was das Mitgliederwachstum angeht. Jetzt gilt es, das | |
| Fundament zu stärken. | |
| In Zukunft sollte also auch jemand Zeit haben, den [5][Lebenslauf der | |
| Kandidatin] zu prüfen? | |
| Nouripour: Wir können jetzt einzelne Fehler hoch- und runtergehen. Das | |
| bringt aber nichts, wir müssen es gebündelt machen und daraus Konsequenzen | |
| ziehen. Und um die Folgefrage vorwegzunehmen: Nein, sie war die richtige | |
| Kandidatin. Das ist überhaupt keine Frage. Ich habe erfolglos | |
| Literaturwissenschaften studiert. Es gibt da ein Genre, das heißt | |
| „What-if“-Roman. Das sind meist ganz tolle Bücher, die haben aber keinerlei | |
| Mehrwert für Politik. | |
| Haben Sie für die Aufarbeitung denn schon einen genauen Zeitplan? | |
| Nouripour: Das muss der neue Bundesvorstand einheitlich mit den | |
| Landesverbänden entscheiden. Wenn ich mir aber eins erlauben darf: Das | |
| sollte nach Möglichkeit schon dieses Jahr fertig werden und nicht die | |
| nächsten Jahre die gesamte Partei beschäftigen. Das wäre nicht hilfreich | |
| und würde langfristig von der politischen Arbeit ablenken. | |
| Nach den Koalitionsverhandlungen waren Teile Ihrer Basis enttäuscht, dass | |
| man sich bei wichtigen Fragen nicht durchgesetzt hat. Wie wollen Sie | |
| verhindern, dass die Sachzwänge und Kompromisse überhandnehmen und die | |
| Zufriedenheit der Basis immer weiter nachlässt? | |
| Lang: Diese hohen Erwartungen sind doch erst mal gut. Aber wir haben in den | |
| Koalitionsverhandlungen eben nicht nur auf symbolische Gewinne gesetzt, | |
| sondern darauf, die Instrumente zu schaffen, die wir brauchen, um | |
| langfristig Erfolge zu erzielen und vor allem endlich Kurs auf den Pfad des | |
| Pariser Klimaabkommens zu nehmen. Und das ist uns gelungen. | |
| Das sehen [6][große Teile der Klimabewegung] anders. Die meinen, schon das | |
| grüne Wahlprogramm habe nicht fürs 1,5-Grad-Ziel gereicht – und der | |
| Koalitionsvertrag erst recht nicht. | |
| Lang: Es ist die Aufgabe der Klimabewegung, weiter Druck zu machen. Und wir | |
| werden da weiterhin ein offenes Ohr haben. Das ist für mich eine wichtige | |
| Aufgabe des Parteivorstands: den Kontakt halten, auch da, wo es Kritik oder | |
| Unzufriedenheit gibt. Weiter zusammenzuarbeiten, weil man weiß, dass man | |
| ein gemeinsames Ziel hat. Ich kann jedenfalls gut vertreten, dass wir | |
| diesen Koalitionsvertrag eingegangen sind. Wir sorgen dafür, dass sich die | |
| Klimapolitik als roter Faden durch alle Bereiche zieht. | |
| Und Sie glauben, das überzeugt die Bewegung? | |
| Lang: Mein Eindruck ist, dass die Klimabewegung durchaus die Fortschritte | |
| sieht – gerade auch im Vergleich zur Großen Koalition. Wesentlich für den | |
| Dialog ist, dass wir ehrlich kommunizieren und nicht jeden Kompromiss | |
| schönreden. Sondern klar sagen: Das wollten wir, das haben wir erreicht und | |
| das haben wir nicht erreicht. Und dann auch selbstbewusst dazu zu stehen, | |
| dass es aus unserer Sicht richtig ist, die Chancen, die wir jetzt haben, | |
| auch zu nutzen. Vier weitere Jahre Stillstand können wir uns nicht leisten. | |
| Das heißt, Ihr Job als Parteichefin und Parteichef ist es künftig weniger, | |
| die Regierung anzutreiben, als die Basis und die Bewegung zu | |
| beschwichtigen? | |
| Nouripour: Nein. Es geht um Kommunikation, darum, ihre Kritik ernst zu | |
| nehmen und in die Regierungsarbeit zu tragen. Aber auch zu vermitteln, | |
| warum wir bestimmte Kompromisse gemacht haben und was die Perspektive ist. | |
| Während der Klimabewegung alles zu langsam geht, finden viele Menschen, vor | |
| allem auf dem Land, die Energiewende zu schnell und zu einseitig: Sie sind | |
| es, die Windräder und Strommasten angucken müssen, sie brauchen neue | |
| Elektroautos, um zur Arbeit zu pendeln, sie müssen ihre Häuser dämmen. | |
| Welche Kritik fürchten Sie mehr? | |
| Lang: Das wird die große Kunst sein, mit beidem umzugehen. Also den | |
| Handlungsspielraum zu erweitern und gleichzeitig die Menschen mitzunehmen, | |
| die von dieser Politik konkret tangiert werden. Zentral ist, dass die | |
| Menschen merken, dass sie von mehr Klimaschutz auch profitieren. Wenn ich | |
| den Bürgermeistern in meinem Wahlkreis in der Nähe von Stuttgart, in dem | |
| noch wenig Windräder stehen, sagen kann: Ihr bekommt dadurch Geld für eure | |
| Schwimmbäder, für die Rathaus-Renovierung, für eine gute wirtschaftliche | |
| Anbindung – dann wird die Energiewende zum Gemeinschaftsprojekt, auf das | |
| man am Ende stolz ist. | |
| Nouripour: Dazu kommt: Der Ausbau der Erneuerbaren ist der einzige Weg, die | |
| Energiepreise runterzubekommen. Denn der Hunger nach fossiler Energie | |
| schafft größere Abhängigkeit und höhere Preise. | |
| Im Moment gilt die Energiewende bei den Menschen eher als Grund für die | |
| hohen Preise. | |
| Nouripour: Das stimmt aber nicht. Wir haben mit der Abschaffung der | |
| EEG-Umlage die größte Energiepreis-Entlastung der Geschichte der | |
| Bundesrepublik beschlossen. Wir wissen, dass wir das Soziale mit dem | |
| Ökologischen verbinden müssen – nicht nur, um die Akzeptanz für den | |
| Klimaschutz zu erhalten, sondern auch, um die Gesellschaft | |
| zusammenzuhalten. Und wir tun noch mehr – vom Heizkostenzuschuss bis zum | |
| höheren Mindestlohn. | |
| Versprochen hatten Sie im Wahlkampf aber etwas anderes: ein Energiegeld, | |
| das pro Kopf ausgezahlt wird und die Belastung durch den CO2-Preis komplett | |
| ausgleicht. Das hätte jeder bemerkt. Dass jetzt der Strompreis ein bisschen | |
| sinkt – oder sogar nur weniger stark steigt –, dürfte dagegen vielen gar | |
| nicht auffallen. Verspielen Sie da nicht Ihre Glaubwürdigkeit? | |
| Nouripour: Die Leute, bei denen das Geld knapp ist, schauen schon sehr | |
| genau auf ihre Rechnungen. Und die Senkung der EEG-Umlage lässt sich sehr | |
| kurzfristig umsetzen. | |
| Lang: Es ist ja nicht so, dass wir von einem Rückerstattungsmechanismus | |
| Abstand genommen haben – er findet sich unter dem geeinten Begriff | |
| Klimageld im Koalitionsvertrag wieder. | |
| Aber nur als Stichwort ohne Eckpunkte und Zeitplan. | |
| Lang: Das Vorhaben steht und die Regierung wird sich an eine wirkungsvolle | |
| Umsetzung machen. Klar ist aber: Am Ende kommt es nicht nur darauf an, ob | |
| etwas kommunikativ funktioniert, sondern was wirklich bei den Menschen | |
| ankommt. Zusätzlich soll der CO2-Preis beim Heizen gerecht zwischen Mietern | |
| und Vermietern aufgeteilt werden und es wird einen Sofortzuschlag für | |
| Familien geben, den unsere Familienministerin Anne Spiegel im Moment | |
| vorbereitet. | |
| Aber wir dürfen auch nicht Ursache und Wirkung verwechseln: Dass die | |
| aktuell hohen Energiepreise oder auch steigende Lebensmittelpreise für | |
| manche Menschen ein Problem sind, liegt zunächst mal daran, dass die | |
| Menschen zu wenig verdienen und die Grundsicherung zu gering ist. Das | |
| ändern wir nicht mit weniger Klimaschutz, sondern mit guter Sozialpolitik. | |
| Aber gerade bei diesem Thema gibt es ein gewisses Misstrauen gegenüber den | |
| Grünen. | |
| Nouripour: Es gibt diesen alten Ruf, dass Ökologie etwas Postmaterielles | |
| sei. Das war noch nie so absurd wie heute, wo die materiellen Folgeschäden | |
| der Klimakrise täglich sichtbar sind, etwa weil wir einen | |
| „Jahrhundertsommer“ mit Hitzerekorden nach dem anderen haben. | |
| Lang: Glaubwürdige Sozialpolitik ist für mich ein Kernanliegen. Ich kenne | |
| das aus meiner eigenen Geschichte: Ich bin bei einer alleinerziehenden | |
| Mutter aufgewachsen, die als Sozialarbeiterin gearbeitet hat. Ich weiß, wie | |
| es ist, wenn man 40 Stunden und mehr arbeitet und trotzdem schwer über die | |
| Runden kommt. Und ich bin gerade wegen dieser Gerechtigkeitsthemen zu den | |
| Grünen gekommen – und dort geblieben. | |
| Aber fühlen Sie sich mit dieser Biografie bei den Grünen, die ja doch eine | |
| [7][Mittelschicht-Partei] sind, nicht ein bisschen fremd? | |
| Lang: Nein. Wir sind vielfältiger, als unser Ruf vermuten lässt. Ich war in | |
| den Koalitionsverhandlungen dabei und kann Ihnen sagen, dass es die Grünen | |
| waren, die für höhere Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger gekämpft haben. | |
| Nouripour: Meine Eltern waren obere Mittelschicht im Iran, aber nach der | |
| Migration waren sie ganz unten auf der sozialen Leiter. Wir haben jahrelang | |
| zu viert in zwei Zimmern gewohnt. Unsere gemeinsame Kandidatur ist eine | |
| klare Botschaft, dass wir Politik für alle machen wollen. | |
| Aber die Grünen waren auch diejenigen, die Hartz IV einst eingeführt haben. | |
| Warum haben Sie damals mitgemacht, Herr Nouripour? | |
| Nouripour: Weil die Absicht an sich nicht falsch war. Und auch die | |
| Dynamisierung des Niedriglohnsektors war grundsätzlich eine richtige Idee. | |
| Es ist die Umsetzung, die über die Jahre viele Probleme verschärft hat. Und | |
| dann gab es Dinge wie die Zumutbarkeitsregeln, auf die die Union immer | |
| bestanden hat, die haben die Situation noch mal verschlimmert. | |
| Schuld waren also nur die anderen? | |
| Nouripour: Nein. Es war eine gut gemeinte Idee, die in der Breite einfach | |
| schlecht umgesetzt worden ist. | |
| Lang: Ich bin erst lange nach den Hartz-IV-Beschlüssen bei den Grünen | |
| eingetreten – und zwar als ich 18 war und meine Mutter ihren Job im | |
| Frauenhaus verloren hat. Das war ein Moment der sehr unmittelbar | |
| wahrgenommenen Ungerechtigkeit. Für mich ist darum klar, dass die | |
| Hartz-IV-Reformen eine große Hypothek für unsere Partei sind. Aber mit | |
| unserem Konzept der Garantiesicherung haben wir gezeigt, wie wir uns ein | |
| soziales Sicherheitssystem für die Zukunft vorstellen und Hartz IV | |
| überwinden können. Das gehört auch zu einer Partei dazu: Parteien lernen | |
| und entwickeln sich weiter. | |
| Wir wollen noch mal zu unserer Einstiegsfrage zurückkommen, ob es in | |
| Zukunft wieder mehr Streit in der Grünen-Spitze gibt. Sie haben sich auch | |
| in diesem Gespräch mehr ergänzt als widersprochen. Können Sie uns einen | |
| Punkt nennen, in dem Sie doch etwas trennt? | |
| Lang: Das größte Konfliktpotenzial gibt es bisher bei der Frage, wie viel | |
| Raum Fußball einnehmen sollte. Omid redet sehr gerne über Eintracht | |
| Frankfurt. | |
| Bei Baerbock und Habeck traten Konflikte am Schluss auf, als es um die | |
| Folgejobs ging. Wo sehen Sie sich in vier Jahren? | |
| Nouripour: Das wichtigste Ziel ist, dass wir durch gute Arbeit in der | |
| Regierung, Fraktion und Partei die führende Kraft der linken Mitte werden | |
| und die K-Frage erneut stellen können. Jetzt müssen wir aber erst mal vom | |
| Parteitag gewählt werden. Dann müssen wir liefern und dann … | |
| … müssen Sie sich einigen, wer von Ihnen kandidiert? | |
| Nouripour: Wofür kandidiert? | |
| Sie haben doch gerade die K-Frage angesprochen. | |
| Nouripour: Meine persönliche K-Frage lautet: Wie werde ich Kapitän bei der | |
| Eintracht, ohne die Leistung der Mannschaft zu ruinieren? | |
| Lang: Wir kandidieren als Parteivorsitzende. Die Partei ist weder | |
| Sprungbrett noch Wartestand für irgendwas anderes, sondern ein unfassbar | |
| spannender Ort in den nächsten Jahren. | |
| 23 Jan 2022 | |
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