| # taz.de -- Göring-Eckardt über die Grünen im Osten: „Im Ländlichen ist e… | |
| > Die Grünen haben zu wenig berücksichtigt, dass Veränderungen bei vielen | |
| > Menschen im Osten mit Sorgen verbunden sind, sagt die | |
| > Fraktionsvorsitzende. | |
| Bild: Fuhr mit ihrer Partei eher maue Wahlergebnisse im Osten ein: Katrin Göri… | |
| taz: Frau Göring-Eckardt, bei den [1][Wahlen in Sachsen, Brandenburg und | |
| Thüringen] haben die Grünen die Umfragen gewonnen, nicht die Wahlen. Warum? | |
| Katrin Göring-Eckardt: Weil es bei allen drei Wahlen am Ende ein | |
| Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der stärksten demokratischen Partei und der | |
| AfD gegeben hat. Manche Wähler*innen haben dann doch nicht Grün gewählt, | |
| sondern den jeweiligen Ministerpräsidenten, um zu verhindern, dass die AfD | |
| stärkste Kraft wird. Das war so bei Kretschmer und Woidke, und noch mehr | |
| bei Ramelow. | |
| Also sind die Grünen unverschuldet unter die Räder gekommen? | |
| So weit würde ich nicht gehen. Wir haben keine Zweitstimmenkampagne | |
| gemacht, das war ein Fehler. Außerdem ist insbesondere Thüringen sehr | |
| ländlich geprägt, und da tun wir uns vielerorts in Deutschland traditionell | |
| schwerer. Wir haben zu wenig berücksichtigt, wie unser Anspruch zu | |
| Verändern dort ankommt. Die Leute haben schon viele große Veränderungen | |
| erlebt. 1989, die Demokratie, Jobverluste, die Finanzkrise, das reicht | |
| quasi für drei Leben. Jetzt kommen Digitalisierung und der ökologische | |
| Umbau. Wir Grüne haben das als Versprechen formuliert – bei vielen kam das | |
| nicht an. Gerade im Osten verbinden viele Menschen Veränderungen mit | |
| Sorgen. | |
| Die Grünen verkörpern die nötige Veränderung, aber leider sind die | |
| Wählerinnen nicht reif dafür. War das grüne Hybris? | |
| Nein, Hybris wäre es, zu versprechen, dass alles so bleibt, wie es ist, | |
| wenn man nichts ändert. Wir haben schon gewusst, dass unsere Botschaft von | |
| ökologischem Fortschritt Fingerspitzengefühl und sozialen Ausgleich | |
| braucht. Die Kritik an uns war eher so: Ihr versprecht uns, dass wir mit | |
| 2-Euro-Tickets durch Thüringen fahren können, aber bei uns fährt kein Bus. | |
| Ihr redet von Digitalisierung, wir haben keinen Empfang. Wir glauben euch | |
| nicht. Das Zutrauen bei Modernisierungsverlierern, dass es besser wird, ist | |
| nicht besonders groß. Das hat uns Grüne besonders getroffen. | |
| Was tun? | |
| Wir müssen aufpassen, dass die ländlichen Regionen nicht abgehängt werden. | |
| Auch nicht von oder durch unsere Debatten und die Art zu argumentieren. Die | |
| rechte Revolte in Frankreich kommt aus den Provinzen, durch die der TGV | |
| ohne Stopp durchrauscht und in denen die Leute das Gefühl haben, dass sie | |
| auch sonst keinen Anschluss mehr haben. Der ländliche Raum darf in | |
| Deutschland kein Drive-through werden. | |
| Ist das ein Rezept gegen die AfD? | |
| Die wird inzwischen gewählt, weil sie völkisch und rassistisch ist. Dagegen | |
| hilft die Förderung des ländlichen Raums wenig. | |
| Verstehen Sie die Wut der Leute? | |
| Ich verstehe, dass Modernisierungsverlierer enttäuscht oder wütend sind. | |
| Aber warum man rechts wählt, wenn der Bus nicht kommt, das erschließt sich | |
| mir nicht. | |
| Die Grünen wurden in Thüringen als Einthemapartei wahrgenommen: Klima. | |
| Bei Bildung und Soziales traut ihnen kaum jemand etwas zu. Haben Sie das | |
| unterschätzt? | |
| Die Spitzenkandidaten in Erfurt haben das Thema Bildung in gefühlt jedem | |
| Interview angesprochen. Aber das Thema wurde eher mit Ramelow verbunden. | |
| Wir gelten als kompetent beim Klimaschutz – und darüber müssen wir uns | |
| andere Kompetenzen erschließen. Es ist uns nicht gelungen, deutlich zu | |
| machen, dass die ökologischen Veränderungen Jobs garantieren und dass zum | |
| Beispiel die Kommunen von Windrädern profitieren können. | |
| Die Wahlergebnisse der Grünen waren zwar bescheiden, aber sie regieren im | |
| Osten, außer in Mecklenburg-Vorpommern, in allen Landesregierungen … | |
| … in Sachsen noch nicht, aber vielleicht bald … | |
| Sind solche Notbündnisse mit rechten CDUlern gegen die AfD nicht auch | |
| zweifelhaft? | |
| In Sachsen bilden wir keine Notregierung gegen jemand, wir werden dort | |
| mitgestalten. Und wir haben in dieser fragmentierten Parteienlandschaft | |
| eine staatspolitische Verantwortung. Das Wichtigste ist, [2][dass die CDU | |
| nicht mit der AfD gemeinsame Sache macht]. Ich hoffe, dass dies in | |
| Thüringen mit der Ankündigung von Mike Mohring, sich nicht von der AfD zum | |
| Ministerpräsidenten wählen zu lassen, vom Tisch ist. | |
| Glauben Sie Mohring? | |
| Man wird sehen. Es hat recht lange genug gedauert, ehe Mike Mohring das | |
| erkannt hat. Er ist bei der Landtagswahl tief gefallen und hat offenbar | |
| eine hitzige Fraktionssitzung mit anschließender Fraktionsvorsitzendenwahl | |
| … | |
| … er bekam nur 66 Prozent … | |
| … gebraucht, um in Sachen AfD klar zu sehen. Bei dieser Erkenntnis hat wohl | |
| auch der Einfluss der Bundes-CDU geholfen. | |
| Mohring will eine Minderheitsregierung von CDU, FDP, Grünen und SPD. Ist | |
| das denkbar? | |
| Mike Mohring hat noch nicht einmal das Vertrauen der eigenen Leute. Und | |
| eine Mehrheit der Thüringer*innen wollen Bodo Ramelow als MP. | |
| Wie geht es in Erfurt weiter? | |
| Man muss viel reden. Auch mit der FDP. | |
| In der CDU Thüringen gibt es eine Minderheit, die mit Höcke | |
| zusammenarbeiten will. Ist die Union weiter nach rechts offen als vermutet? | |
| In Sachsen-Anhalt haben CDUler manchmal mit der AfD gestimmt. Insofern | |
| überrascht mich das nicht, aber es trifft mich als Thüringerin, dass zwei | |
| CDU-Landtagsabgeordnete mit Höcke Politik machen wollen. Mit einem | |
| Faschisten. Die AfD ist keine Wut- und Protestpartei mehr, sondern eine | |
| völkische Partei mit einer verfestigten faschistischen Ideologie, die die | |
| Demokratie aushöhlen will. Die CDU-Politiker, die mit der AfD an die Macht | |
| wollen, wissen das. Das erschüttert mich. | |
| Die Grünen haben mal angekündigt, dass es kein Schwarz-Grün im Bund gibt, | |
| wenn die CDU in einem Land mit der AfD zusammenarbeitet. Gilt das noch? | |
| Ja, das steht. Das weiß die CDU auch. | |
| 11 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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