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# taz.de -- Geschlechtersensible Medizin: Eine Frau ist kein Mann plus Hormone
> Der Maßstab der meisten medizinischen Studien ist immer noch der
> 75-Kilo-Mann. Dabei könnte eine geschlechtersensiblere Medizin Leben
> retten.
Bild: Sollen Männer früher geimpft werden, weil sie häufiger einen schweren …
Vor Kurzem schrieb ein Autor bei Zeit Online einen aufsehenerregenden
Kommentar: „[1][Männer first!]“ Gemeint war, dass Männer früher als Frau…
die Corona-Impfung bekommen sollten. Der Grund: Männer erkranken häufiger
schwer an Covid-19 und haben ein höheres Sterberisiko als Frauen.
Ich kann den Autor verstehen. Er ärgert sich über die geschlechterneutrale
Medizin. Andere tun das schon lange. Der Autor benutzt das Wort zwar nicht,
aber sein Text ist im Prinzip ein [2][Plädoyer für die
„geschlechtersensible Medizin“].
Also eine Medizin, die sowohl die biologisch-naturwissenschaftlichen und
soziokulturellen Aspekte der Geschlechter als auch die personellen
Geschlechterkonstellationen in Behandlung und Forschung berücksichtigt. Ob
ihm die Ironie klar war, dass er mit seinem Kommentar für etwas plädiert,
das [3][Frauen und LGBTI-Personen] schon lange fordern?
Mir gefällt der Begriff „geschlechtersensibel“ nicht, weil er suggeriert,
Medizin müsse super sensibel gegenüber anderen Geschlechtern (außer dem
männlichen) sein, weil das „politisch korrekt“ sei. Medizin, die Menschen
als das behandelt, was sie sind, ist vor allem eins: vernünftig.
## Die Suche nach „emotionalen“ Ursachen
Man weiß noch nicht, woran es genau liegt, dass Männer häufiger an Covid-19
versterben. Es gibt zwar erste Studien, die nahelegen, dass das etwas mit
dem Immunsystem zu tun hat. Aber für eindeutige Antworten ist es zu früh.
Das Immunsystem allein erklärt zum Beispiel nicht, dass in Indien als
scheinbar einzigem Land der Welt nicht Männer, sondern deutlich mehr Frauen
an Covid-19 sterben.
Das Problem ist eben, dass nicht das Geschlecht allein eine höhere
Sterblichkeit verursacht. Es spielen immer auch individuelle Faktoren eine
Rolle, wie Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deswegen
kann auch nicht generell entschieden werden, dass Männer vor Frauen geimpft
werden. Wäre das Geschlecht der einzige Faktor – na klar müssten dann
Männer zuerst geimpft werden!
Gesichert sind generell aber folgende Fakten: [4][Medikamentenstudien
werden nicht] verpflichtend an allen Geschlechtern durchgeführt; bei Frauen
wird der Herzinfarkt oft spät oder gar nicht erkannt, weil Frauen nicht die
„typischen“ (also männlichen) Symptome haben; bei Frauen mit Schmerzen wird
eher nach „emotionalen“ Ursachen als nach körperlichen Ursachen gesucht;
Osteoporose betrifft auch Männer; bei Männern wird häufiger nach
körperlichen Symptomen gesucht und Depressionen werden seltener erkannt.
Und vieles mehr.
Alles, was ich im Medizinstudium gelernt habe, war ausgerichtet am
75-Kilo-Mann. Eine Frau ist aber kein Mann plus Hormone. Sexuelle und
geschlechtliche Vielfalt spielt in der Forschung bisher kaum eine Rolle. Es
ist an der Zeit, dass sich das ändert. Also bitte nicht „Männer first!“,
sondern „Alle first!“.
22 Feb 2021
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/2021/05/coronavirus-impfung-maenner-prioritaet-strategi…
[2] /Sexismus-in-der-Coronapandemie/!5685388
[3] /Wissensportal-fuer-LGBTI-Personen/!5590047
[4] /Lehren-aus-der-Coronapandemie/!5743582
## AUTOREN
Gilda Sahebi
## TAGS
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Medizin
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