| # taz.de -- Gallery Weekend in Berlin: Den Marathon immer weitertanzen | |
| > Nicht alles ist wie immer: In Berlin fand eine abgespeckte und trotzdem | |
| > lohnenswerte Version des Gallery Weekends statt. | |
| Bild: Blick in die Ausstellung „Maniac“ von Émilie Pitoiset in der Kreuzbe… | |
| Während der Zeit der Großen Depression in den späten 1920er und frühen | |
| 1930er Jahren entstand in den USA das merkwürdige Phänomen der | |
| Tanzmarathons. Dabei maßen sich Paare im Wettbewerb aneinander in Sachen | |
| Durchhaltevermögen. Wer den Körper, die physischen Limits ignorierend und | |
| länger als alle anderen in Bewegung hielt, gewann das Preisgeld. | |
| In der Interpretation der Künstlerin Emilie Pitoiset wird diese Form des | |
| Dauertanzes zu einer Metapher für Widerstand in Krisensituationen. | |
| „Maniacs“ heißt die Ausstellung in der Galerie Klemm’s, die während des | |
| Gallery Weekends in Berlin eröffnet wurde. Sinnbildlich könnte sie auch für | |
| die Widerstandskraft der Berliner Kunstszene herhalten. | |
| [1][Das Gallery Weekend], ist eigentlich selbst ein Marathon. Und getanzt | |
| wurde früher auch immer irgendwo. In diesem Jahr mussten die Partys | |
| naturgemäß ausfallen. Mehr zu sehen, als an den paar Tagen zu schaffen wäre | |
| – als Vorsichtsmaßnahme wurden der Mittwoch und Donnerstag als VIP-Tage | |
| vorangestellt –, gab es aber weiterhin. | |
| Normalerweise findet das Galerienwochenende immer rund um den 1. Mai statt. | |
| In diesem Jahr wurde dies wie so vieles in den September verschoben, auf | |
| den [2][Termin der Art Week]. Man kann es niemandem verdenken, dass in | |
| diesem Jahr der spontanen Entscheidungen diese Planung nicht ganz so gut | |
| aufging. Nicht nur an der verlängerten Laufzeit lag es vermutlich, dass der | |
| große Trubel vor allem an den ersten Tagen ausblieb. | |
| Kunst in Ruhe betrachten | |
| Viele der üblichen Besucher*innen von auswärts werden die Reise gar nicht | |
| erst auf sich genommen haben, auch Konkurrenzveranstaltungen in München und | |
| Zürich könnten potenzielles Publikum abgeworben haben. Möglicherweise muss | |
| man das 2020 einfach so hinnehmen und sich vielmehr – zumindest als | |
| Besucher*in – daran erfreuen, die Kunst mit ein wenig mehr Ruhe betrachten | |
| zu können. | |
| Zum Beispiel die mit dem [3][VBKI-Preis für junge Galerien] ausgezeichnete | |
| Schau aus dem Nachlass von Rosemary Mayer bei ChertLüdde. Die | |
| (Wieder-)Entdeckung der Saison sind die in Europa noch kaum gezeigten | |
| textilen Skulpturen und Zeichnungen der 2014 verstorbenen New Yorker | |
| Künstlerin aus den frühen 1970er Jahren, in dramatische Falten geworfene | |
| Stoffe, die Frauen der Geschichte nachempfunden sind. | |
| Aus dem Schauen kaum heraus kommt man auch bei Esther Schipper, wo | |
| [4][Philippe Parreno] eine Reihe installativer Elemente zu einem | |
| Versuchsaufbau verknüpft hat, in deren Mittelpunkt ein Schneemann aus | |
| schmelzendem Eis und ein mal tickendes, mal rasendes Schweizer Uhrwerk aus | |
| Plexiglas stehen. Einen kurzen Fußmarsch davon entfernt öffnet Seth Price | |
| bei Isabella Bortolozzi sein neues Buch der Zeichnungen und Gedichte. | |
| „Dedicated to Life“ feiert die Widersprüchlichkeit des Lebens, die Abgrün… | |
| und die Hoffnungen. Ein Stockwerk darüber lässt Catherine Biocca in einer | |
| bühnenhaften Installation Häuser schnarchen und unbekleidete ältere Damen | |
| tanzen. | |
| Wer nicht nur schauen, sondern auch kaufen möchte, hat indes bei BQ auch | |
| mit kleinstem Budget Gelegenheit: David Shrigley hat dort einen radikal | |
| konsequenten Kunstsupermarkt eingerichtet, proppenvoll mit bunten Produkten | |
| ab 1,50 Euro. Für den Hunger nach der Galerientour gibt es sogar Tomaten in | |
| der Dose zu erwerben. Dabei ist also wirklich für jede*n etwas. | |
| Die meisten Ausstellungen laufen noch bis Mitte Oktober. | |
| 14 Sep 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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