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# taz.de -- Flüssiggas gegen die Energiekrise: Habecks Einkaufsoffensive
> Beim Flüssiggas macht Robert Habeck mächtig Tempo. Einerseits
> beeindruckend. Andererseits: Sind die Pläne wirklich durchdacht?
Bild: Großer Kahn, große Hoffnungen: Das LNG-Schiff „Höegh Esperanza“
Knackige acht Grad minus sind hierzulande jetzt keine Seltenheit. Wo ist
das Enteisungsspray für die Schlösser von Auto und Rad? Da halten es viele
Leute für eine gute Nachricht, dass an diesem Samstag das erste deutsche
Terminal für den Import von Flüssiggas in Wilhelmshaven in Betrieb geht.
Der Brennstoff kommt.
Dass die Bundesbürger:innen dessen sicher sein können, schien in den
ersten Monaten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine fraglich. Die
Gasspeicher waren ziemlich leer, die Einfuhr durch die Pipelines aus
Russland versiegte. Doch die Regierung, vor allem der grüne
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, taten das Nötige, sie kümmerten
sich um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung. Eine warme Wohnung gehört
dazu. Dass Geschäfte, Handwerk und Industrie Energie bekommen und die
Beschäftigten Geld verdienen, ist auch nicht unwichtig.
Um die russischen Gaslieferungen zu ersetzen, braucht es Brennstoff aus
anderen Quellen. Das Erdgas, das durch Pipelines aus den Niederlanden,
Belgien, Norwegen und Frankreich strömt, reicht nicht. So sind neue
Erdgashäfen erforderlich. Am ersten – in der Nordseestadt Wilhelmshaven –
legte bereits am Donnerstag ein Spezialschiff an, das künftig Flüssiggas
(Liquid Natural Gas, LNG) von Tankern übernimmt, es in den gasförmigen
Zustand zurückversetzt und an Land pumpt.
## Konsequenzen sind zweitrangig
Normalerweise kann es sechs Jahre dauern, bis ein Windrad steht, zehn
Jahre, bis eine Autobahnbrücke erneuert wird. Das Flüssiggasterminal in
Wilhelmshaven wird schon nach zehn Monaten arbeiten – rekordverdächtig. In
Kürze sollen ähnliche Anlagen in Brunsbüttel bei Hamburg und in Lubmin an
der Ostsee in Betrieb gehen. Bis Ende 2023 könnten acht Spezialschiffe in
hiesigen Häfen liegen. [1][Vermutlich wird also genug Gas da sein], um über
die Runden zu kommen, zwar teuer, aber immerhin.
Alles andere ist erst mal zweitrangig, hat die Regierung entschieden.
Trotzdem sind die Langzeitwirkungen zu diskutieren. Ist diese
Tempostrategie unverantwortlich, weil Anlagen ohne gründliche Prüfung
errichtet und die [2][Beteiligungsrechte von Bürgern und Verbänden
ausgehebelt] werden? Das befürchtet die Deutsche Umwelthilfe. Deren
Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner bezeichnete es als „Gipfel der
Ignoranz“, dass in Wilhelmshaven „sämtliche Einwendungen und Bedenken ohne
nachvollziehbare Begründung abgeschmettert wurden“. So bestehe die Gefahr,
dass große Mengen Chlor ins Wasser gerieten – [3][in der Nähe des
Nationalparks Wattenmeer].
Übertreibt Habeck es mit seiner Einkaufsoffensive? Augenblicklich seien
zehn schwimmende und drei stationäre Importpunkte für LNG mit einer
Gesamtkapazität bis zu 120 Milliarden Kubikmetern pro Jahr in Planung,
heißt es in einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums – deutlich mehr
als die rund 50 Milliarden, die vor dem Krieg aus Russland importiert
wurden. Ein solches Überangebot an Erdgas könne [4][den Umstieg auf
erneuerbare Energien erschweren.]
## Sicherheitspuffer gegen Knappheit im Frühjahr
Allerdings ist aus heutiger Perspektive schwer zu beurteilen, welche
Gasmengen später wirklich ankommen. Auch das Wirtschaftsministerium
bezweifelt, dass alle Häfen in Betrieb gehen. Außerdem könnten schwimmende
Terminals abgeschaltet werden, wenn stationäre am gleichen Ort ihre Arbeit
aufnehmen. Dementsprechend sänke die Gesamtkapazität. Unter dem Strich
kalkuliert die Regierung aber wohl einen Sicherheitspuffer ein, um eine
dramatische Knappheit wie im Frühjahr zu vermeiden.
Die festen Terminals brauche man auch, um künftig sogenannten [5][grünen
Wasserstoff] zu importieren, argumentiert die Regierung. Dieser soll etwa
in Kanada, Australien oder Namibia mittels Ökostrom aus Wasser gewonnen
werden. Wegen physikalischer Unterschiede der Gase sei die Umrüstung von
Erdgas auf Wasserstoff sehr teuer und müsse von Anfang an mitgeplant
werden, merkte das Fraunhofer-Institut ISI an. Das aber ist schwierig, weil
die Produktions- und Transportkette für grünen Wasserstoff bisher nur eine
politische Hoffnung darstellt. Noch gibt es sie nirgendwo auf der Welt.
Wie tragfähig Habecks Wasserstoffkonzept also ist: Man weiß es noch nicht.
Die Möglichkeit, dass es funktioniert, scheint immerhin vorhanden. Und das
kann man, neben einem warmen Hintern, in der augenblicklichen Lage schon
für eine ganze Menge halten.
16 Dec 2022
## LINKS
[1] /Berechnungen-der-Speicherbetreiber/!5896133
[2] /LNG-Terminal-in-Wilhelmshaven/!5893962
[3] /Konferenz-zum-Schutz-des-Wattenmeeres/!5898268
[4] /Kritik-an-LNG-Vertraegen/!5899485
[5] /Investition-in-gruenen-Wasserstoff/!5896650
## AUTOREN
Hannes Koch
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Energiekrise
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