# taz.de -- LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Keine Zeit für Fragen und Kritik | |
> Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wurde mit minimierter Bürgerbeteiligung | |
> realisiert. Die ausgeblendete Kritik bringen nun Umweltverbände zur | |
> Sprache. | |
Bild: Hier könnten schon in einem Monat große Mengen Chlor verklappt werden: … | |
BREMEN taz | Ein Schiff wird kommen – und alle wollen dabei sein: Wenn die | |
„Esperanza“ Mitte Dezember in Wilhelmshaven einfährt, dann werden Olaf | |
Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner als Begrüßungskomittee an der | |
Hafenkante stehen; auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil | |
(SPD), Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und Umweltminister Christian | |
Meyer (Grüne) wollen vor Ort sein, wenn das Schiff voll betankt mit | |
flüssigem Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) zum ersten Mal das Terminal | |
anläuft. | |
Vergangenen Donnerstag war der Andrang von Politikern in Wilhelmshaven | |
nicht so groß: Der Einladung von drei Umweltverbänden war keiner von ihnen | |
gefolgt, auch nicht die Vertreter der zuständigen Genehmigungsbehörden. | |
BUND, Nabu und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatten Bürger*innen, | |
Politiker*innen und Behördenvertreter*innen zu einer | |
„alternativen Erörterung“ geladen, um über das Für und Wider des Termina… | |
in Wilhelmshaven zu diskutieren und offene Fragen zu beantworten. | |
Eine Erörterung ist für gewöhnlich ein integraler Bestandteil jeglicher | |
Genehmigungsverfahren für Bau- und Infrastrukturprojekte. Dieses Mal | |
entfällt sie: Das im Mai eigens verabschiedete LNG-Beschleunigungsgesetz | |
des Bundes [1][hebelt die üblichen Mechanismen der Bürgerbeteiligung] aus. | |
Das Gesetz hat noch andere Auswirkungen: Die Auslegungsfrist ist viel | |
kürzer als bei normalen Verfahren: eine Woche statt vier. Und für | |
Einwendungen gab es nur eine Woche Zeit. 300 kamen trotzdem zusammen. | |
Zu diskutieren gäbe es also einiges: Schlagzeilen verursacht hat die | |
[2][mögliche Einleitung von Bioziden ins Meer.] Bei der Regasifizierung des | |
flüssigen Gases werden die Anlagen mit Chlor und Brom vor Algenwachstum und | |
anderen Verschmutzungen geschützt. Die Chemikalien werden danach ins Meer | |
geleitet – 102 Kilogramm Chlor täglich. | |
## Gutachten statt Umweltverträglichkeitsprüfung | |
Eine ausführliche Umweltverträglichkeitsprüfung sieht das | |
Beschleunigungsgesetz nicht vor. Stattdessen gibt es nur ein einfaches | |
Gutachten. Das sieht bisher keine Probleme voraus. Doch Frederik Eggers vom | |
Nabu Niedersachsen kritisiert: „Hier findet nur eine Modellierung statt. | |
Die tatsächlichen Auswirkungen können damit nicht bewertet werden.“ Die | |
„Esperanza“ ist das einzige Schiff für Flüssiggas, das mit dieser | |
chemischen Reinigung arbeitet. Vor Australiens Küste wurde ihr daher schon | |
2021 nach einer ausführlichen Umweltverträglichkeitsprüfung der Betrieb | |
untersagt. | |
Offiziell ist noch offen, ob der Einwand der Umweltverbände gegen die | |
Nutzung ausgerechnet dieses Schiffes auch in Deutschland Konsequenzen für | |
die Genehmigung haben könnte. Eigentlich sind genau solche Modifizierungen | |
der ursprünglichen Planung Ziel und Folge von Beteiligungsverfahren. Doch | |
im Fall der „Esperanza“ bleibt wenig Zeit für eine neue Entscheidung gegen | |
das Schiff oder für eine entsprechende Umrüstung. „Die Behörden bekommen | |
Druck, dass alles stehen muss, wenn das erste Mal Flüssiggas kommt“, | |
fürchtet Eggers. | |
## Flüssiggas ja – aber wie lange und wie viel? | |
In Fundamentalopposition gegen die Flüssiggasterminals ist keine der | |
Umweltorganisationen. Das ist keine Selbstverständlichkeit: Erdgas ist ein | |
fossiler Energieträger und damit klimaschädlich. Noch im Frühjahr mit einer | |
neuen [3][Studie des DIW argumentiert,] die eine sichere Energieversorgung | |
auch ohne LNG-Terminals für möglich hielt. Doch dafür wurde bis zum Herbst | |
nicht genug Energie gespart. „Wir erkennen an, dass es in der aktuellen | |
Lage für die Versorgungssicherheit Flüssiggas braucht“, so Constantin | |
Zerger von der DUH. Aber: „Daraus darf eben keine langfristige | |
Verpflichtung für den Import folgen.“ | |
Aktuell sieht das Genehmigungsverfahren für das Terminal keine | |
Laufzeitbegrenzung vor. Theoretisch könnte es bis 2043 mit fossilem | |
Flüssiggas beliefert werden – zu diesem Zeitpunkt wollen Land und Bund | |
schon lange klimaneutral sein. „Die Nutzung fossiler Energieträger wird so | |
über Jahrzehnte zementiert“, sagt Susanne Gestner, Landesvorsitzende des | |
BUND. Neben der Laufzeit kritisiert sie die Anzahl: Allein sechs | |
schwimmende LNG-Terminals sind geplant. „Dabei gibt es nach wie vor kein | |
Konzept das sagt, wieviele wir überhaupt für eine Überbrückung der Krise | |
brauchen.“ | |
Das niedersächsische Umweltministerium verteidigt sich – zumindest die | |
sechs Schwimmterminals würden ja nur für fünf bis zehn Jahre gechartert. | |
Einen Umweltrabatt werde es bei der Genehmigung für keines der Terminals | |
geben, alles werde ausreichend geprüft und noch im Betrieb durch | |
ausführliches Monitoring begleitet. „Das ist zu spät“, moniert Zerger von | |
der DUH, „die Umweltschäden sind dann ja schon passiert.“ | |
Die Fragen und Kritikpunkte, die am Donnerstagabend bei ihrer alternativen | |
Erörterung mit Bürger*innen zusammengekommen sind, wollen die | |
Umweltverbände an die Behörden übergeben. „Wir erwarten, dass wenigstens | |
dann alles ausführlich beantwortet wird“, sagt Zerger. | |
28 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Umweltverbaende-zu-LNG-Terminals/!5851974 | |
[2] /LNG-Terminal-in-Wilhelmshaven/!5884134 | |
[3] https://www.diw.de/de/diw_01.c.838843.de/publikationen/diw_aktuell/2022_008… | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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