| # taz.de -- Genehmigung für 20 Jahre: LNG-Schiff darf Wattenmeer chloren | |
| > Niedersachsen hat die Reinigung eines Flüssiggas-Schiffes mit Chlor | |
| > erlaubt – trotz Alternativen. Das Monitoring soll der Betreiber selbst | |
| > übernehmen. | |
| Bild: Dreckschleuder an der Jade: Es gibt gibt längs sauberere LNG-Schiffe als… | |
| Osnabrück taz | Die „Höegh Esperanza“ ist ein ziemlicher Brocken. Mit 294… | |
| Länge ist das norwegische LNG-Speicher- und Verdampfungsschiff an seinem | |
| Anleger im Wilhelmshavener Jade-Weser-Port nicht zu übersehen. | |
| Seit Mitte Dezember 2022 liegt der Koloss hier, als Import-Terminal. Er | |
| soll dazu beitragen, Deutschland unabhängiger von russischem Erdgas zu | |
| machen. [1][Bundeskanzler Scholz hat das Terminal eröffnet.] „Ein guter Tag | |
| für unser Land!“, hat er dabei gesagt. | |
| Das ist eine gewagte Behauptung, zumal ökologisch. Denn das hier ankommende | |
| Erdgas ist verflüssigt, das verdichtet sein Volumen um den Faktor 600. Das | |
| Terminal macht das Gas wieder gasförmig. Die „Höegh Esperanza“ setzt dabei | |
| Meerwasser ein. Es wird an Bord gesogen, mitsamt vieler Lebewesen, von der | |
| Muschel bis zur Alge. Damit die das Rohrsystem des Schiffes nicht | |
| verstopfen, [2][werden sie durch Chlor getötet.] Ins Meer zurückgepumpt, | |
| spült das Wasser nicht nur die tote Biomasse mit, sondern auch das Biozid. | |
| Der Terminal-Betreiber Uniper Global Commodities SE hat dafür eine | |
| wasserrechtliche Einleitungserlaubnis bis 2043, ausgestellt durch den | |
| Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und | |
| Naturschutz (NLWKN). Der gehört zum Geschäftsbereich des niedersächsischen | |
| Umweltministers Christian Meyer (Grüne). In seiner Einleitungserlaubnis | |
| schreibt das NLWKN, der Betrieb sei „dauerhaft gewässerökologisch | |
| unbedenklich“. | |
| ## Kumulative Effekte nicht berücksichtigt | |
| Matthias Brenner, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, | |
| sieht das anders. Das Terminal sei „eine von vielen Punktquellen für | |
| Schadstoffe beziehungsweise andere problematische Substanzen, die durch | |
| industrielle oder landwirtschaftliche Prozesse in die Nordsee gelangen“, | |
| sagt er der taz. „Gemäß der Gesetzeslage wird diese Emission über | |
| Grenzwerte verhandelt, über deren Kurzzeitwirkung man in der Regel Bescheid | |
| weiß, aber deren chronische Langzeitwirkungen selten erforscht werden.“ | |
| Unberücksichtigt blieben „Cocktail-Wirkungen“, sagt Brenner. Am Ende stelle | |
| man fest, „dass der Zustand der Nordsee besorgniserregend ist, weil die | |
| kumulativen Effekte aller Einleitungen und Stressoren das Ökosystem Nordsee | |
| eben sehr wohl schädigen, obwohl in der Einzelfallbetrachtung eine | |
| Schädigung ausgeschlossen wurde“. Man müsse „hin zu | |
| Null-Emissionssystemen“. | |
| Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht das ähnlich. Sie hat Widerspruch gegen | |
| die Betriebsgenehmigung und wasserrechtliche Erlaubnis des Terminals | |
| eingelegt. Das Chlorverfahren sei veraltet, gefährde die Pflanzen- und | |
| Tierwelt im Nationalpark Wattenmeer. „Die Nutzung von tonnenweise Chlor als | |
| Biozid ist eine Katastrophe für die Artenvielfalt der Jade“, sagt | |
| Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der DUH. | |
| Uniper räumt ein, dass Chlor als Biozid eingesetzt wird. Aber auf dem Weg | |
| durch das Schiff, erläutert Unternehmenssprecher Lucas Wintgens der taz, | |
| verringere sich die Konzentration im Seewasser durch Zerfall, unter anderem | |
| die Ausgasung von Chlor, durch die Reaktion mit Mikroorganismen, Algen und | |
| anderen oxidierbaren Substanzen. „Die hohe Abbaurate der Chlorrückstände | |
| innerhalb des Seewassersystems selbst führt dazu, dass die Summe der | |
| Konzentrationen an Chlor-Oxidantien im in die Jade zurückgeführten | |
| Seewasser die zulässigen Grenzwerte nicht überschreiten.“ Der Abbauprozess | |
| setze sich danach weiter fort, „verbunden mit zusätzlichen | |
| Verdünnungseffekten durch den Jadestrom“. | |
| ## Das Ministerium will selbst geprüft haben | |
| Den im NDR-Magazin „Panorama“ erhobenen Vorwurf, die Einleitungsgenehmigung | |
| beruhe lediglich auf von Uniper in Auftrag gegebenen Gutachten, weist das | |
| Umweltministerium zurück: Zugrunde liege eine „umfassende Prüfung und | |
| unabhängige Bewertung unserer Fachbehörden im Ministerium, Gewerbeaufsicht | |
| und NLWKN“, teilt Ministeriumssprecher Matthias Eichler mit. Das von Uniper | |
| bestellte Gutachten der Oldenburger Firma Aqua Ecology sei „lediglich als | |
| unabhängiges Fachgutachten Bestandteil der Unterlagen zur Einleitung | |
| biozidhaltiger Abwässer“. Aus Sicht des Ministeriums gebe es „keine | |
| Anhaltspunkte für Zweifel an der unabhängigen und wissenschaftlich | |
| neutralen Erstellung der Gutachten“. | |
| Das Ministerium habe sich „auch gegen die Betreiberwünsche für ein | |
| Höchstmaß an Umweltstandards eingesetzt“. Ziel sei es, so schnell wie | |
| möglich ohne Biozide zu arbeiten. Ende August 2023 muss Uniper ein Konzept | |
| zur Reduzierung des Biozideinsatzes vorlegen. | |
| Das Ministerium räumt indes ein: Das Beweissicherungsmonitoring, das die | |
| Auswirkungen der Einleitung im Gewässer untersucht, wird von Uniper selbst | |
| durchgeführt, so sei es „von der Erlaubnisbehörde auferlegt“. Nach | |
| Unabhängigkeit und Neutralität klingt das nicht. | |
| 3 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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