# taz.de -- Klage der Deutschen Umwelthilfe: Saubere Rohre, dreckiges Wattenmeer | |
> Am LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird chlorhaltiges Wasser ins Meer | |
> eingeleitet. Ist das Ökosystem der Jade und des Wattenmeers in Gefahr? | |
Bild: Chlor in der Nase? Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner bei d… | |
HAMBURG taz | Am mobilen [1][Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven] | |
verstopfen Muscheln und Seepocken die Rohre, wenn sie nicht durch | |
Chlorierung oder andere Methoden davon abgehalten werden. Die Deutsche | |
Umwelthilfe (DUH) klagt deshalb nun wegen der Erlaubnis des Einsatzes von | |
Chlor als Biozid vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den | |
Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und | |
Umweltschutz (NLWKN). | |
Wenn an einem Terminal flüssiges Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) | |
angeliefert wird, muss dieses Gas erwärmt und vom flüssigen in den | |
gasförmigen Zustand zurückversetzt werden. Zum Transport wird das Gas auf | |
minus 161 bis 164 Grad Celsius gekühlt. Dadurch wird sein Volumen um das | |
600-fache verringert – es kann statt per Pipeline dann per Schiff | |
transportiert werden. Der größte Teil des deutschen LNG kommt aus den USA. | |
Der erste Tanker landete Anfang dieses Jahres am Terminalschiff „Höegh | |
Esperanza“ in Wilhelmshaven. | |
Um das LNG zu erwärmen, wird das flüssige Gas durch Rohre geleitet, die | |
wiederum von weiteren Rohren umschlossen sind, durch die Meerwasser | |
geleitet wird. Der Temperaturunterschied zwischen dem Meerwasser im äußeren | |
und dem flüssigen Gas im inneren Rohr erwärmt das LNG. | |
Bei der Höegh Esperanza wird ein offenes System genutzt, in dem immer | |
wieder frisches Meerwasser in den Prozess eingeleitet wird. Dieses Wasser | |
bringt aber auch Mikroorganismen, Algen und Muscheln mit sich, die die | |
Rohre verstopfen. Deshalb wird „das Seewasser mittels Elektrochlorierung | |
behandelt“, wie das Niedersächsische Umweltministerium auf seiner Homepage | |
schreibt. Das im „Seewasser enthaltene Natriumchlorid wird mittels | |
elektrischer Energie zu aktivem Chlor“. Dieses wird mit dem verbrauchten | |
Meerwasser im Anschluss ins Wattenmeer ausgeleitet. | |
## Belastung für das Ökosystem | |
Genau hier liegt für die Umwelthilfe das Problem. Das Chlor belaste „das | |
sensible Ökosystems der Jade und des Wattenmeers erheblich“, kritisiert die | |
DUH. „Das Wattenmeer wird damit leichtfertig als Müllhalde missbraucht“, | |
sagt Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der DUH. Das Vorgehen am | |
Terminal sei „nicht nur falsch, sondern auch rechtswidrig“. | |
Laut Umweltministerium wurden [2][in den ersten elf Monaten des Betriebs] | |
„bisher keine negative Auswirkung auf das Gewässer“ festgestellt. Im | |
Gegenteil: „Die Messwerte der verschiedenen Chlor- und Nebenprodukte lagen | |
überwiegend sogar unter der jeweiligen Nachweisgrenze“, sagt Korbinian | |
Deuchler vom Umweltministerium der taz. | |
Das sieht die DUH anders. Sie kritisiert, dass die Messungen, auf die sich | |
das Umweltministerium bezieht, nicht zum richtigen Zeitpunkt, – nämlich | |
nicht bei vollem Betrieb der Anlage – durchgeführt wurden. Und es musste, | |
ausnahmsweise, vor der Inbetriebnahme des Terminals keine | |
Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. | |
„Welche Umwelteinflüsse es gibt, wissen wir nicht“, sagt Müller-Kraenner. | |
Er weist darauf hin, dass genau das Terminalschiff, das nun in | |
Wilhelmshaven LNG umschlägt, in Australien, wo es zuvor vor Anker lag, | |
keine Zulassung erhalten hatte, da Schäden an den dortigen Riffen | |
befürchtet wurden. | |
## Umweltschonende Alternativen | |
Dabei gibt es [3][durchaus Alternativen zur Chlorierung], etwa die | |
Reinigung durch Utraschall. „Das zweite Terminalschiff ‚Excelsior‘, das ab | |
kommendem Jahr am gleichen Standort betrieben werden soll, soll ohne Biozid | |
gereinigt werden“, sagt Müller-Kraenner und fragt: „Warum gelingt das nicht | |
auch für die Höegh Esperanza?“. Laut Müller-Kraenner sei dies vor allem | |
eine „Kostenfrage“, denn die Reinigung durch Ultraschall sei „ein bisschen | |
teurer“ als die mit Chlor. Die Argumente der Umweltschützer seien „seit | |
Monaten von den Behörden ignoriert“ worden, die Klage damit unvermeidbar. | |
Für das zuständige niedersächsische Umweltministerium hingegen ist die | |
Abkehr vom Chlor nur eine Frage der Zeit „Das Ministerium setzt sich für | |
eine Reduzierung des Chloreinsatzes in Wilhelmshaven ein“, sagt Deuchler. | |
Zudem sei es der Initiative des Umweltministers zu verdanken, dass das | |
zweite Terminalschiff, das im Frühjahr 2024 eröffnet werden soll, auf das | |
Ultraschallverfahren umgerüstet wird. Dafür habe man sich um Bundesmittel | |
bemüht. Auch die Höegh Esperanza soll umgerüstet werden. Aber dafür müsse | |
zuerst das zweite Schiff in Betrieb sein, da sonst das erste „ersatzlos | |
ausfallen würde“. | |
Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven sowie weitere schwimmende Terminals in | |
Brunsbüttel und Lubmin wurden eröffnet, um das fehlende russische Gas zu | |
kompensieren. Seit ihrer Planung stehen sie aber in der Kritik. Während die | |
DUH anerkennt, dass LNG – als Übergangslösung – sinnvoll sein kann, | |
kritisiert sie, dass die aufgebauten Kapazitäten viel zu hoch sind. Das | |
moniert inzwischen auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. | |
20 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Franziska Betz | |
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