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# taz.de -- Kunstausstellung zur Energiegewinnung: Hängende Flügel
> Eine Ausstellung in Wilhelmshaven zeigt Kunst, die sich mit den Themen
> Erdöl, Gas und Windkraft befasst. Lokale Anknüpfungspunkte gibt es
> genügend.
Bild: Ein bisschen flügellahm, die Energiewende: Der regionale Bezug von Bram …
Wilhelmshaven vermarktet sich als Energiedrehscheibe: Am einzigen deutschen
Tiefseewasserhafen wird Erdöl, Flüssiggas, Kohle angelandet, verarbeitet
oder gleich deutschlandweit per Kabel, Pipelines, LKWs und Bahn verteilt.
Daraus eine Ausstellung zu entwickeln, leuchtet ein: „–162 °C, 450 kg/m³ …
Fossile Energie, fragile Zukunft“ hat die Berliner Kuratorin Lena Johanna
Reisner sie genannt. Sie fokussiert die Ambivalenz des Geschäfts.
Die ist in Wilhelmshaven ständig präsent. So wird das umgeschlagene Rohöl
unter dem nahegelegenen Dorf Etzel in Höhlen gelagert, in denen sich auch
der Hamburger Fernsehturm verstecken ließe. [1][Bürgerinitiativen kämpfen
gegen die Gefahren des weiteren Ausbaus] der Kavernenanlage.
Für den Steinkohleimport war Wilhelmshaven bis zum Ukrainekrieg ein
zentraler Ort, auch zwei Kraftwerke standen bereit, eines ist inzwischen
stillgelegt, das andere soll demnächst Holzpellets verstromen. Aber auch
für On- und Offshore-Windkraftanlagen ist der Jade-Weser-Port als
Umschlagplatz eingeplant.
Die Temperaturangabe im Ausstellungstitel bezieht sich auf das zum
Verflüssigen heruntergekühlte und komprimierte Erdgas: In Wilhelmshaven
war 2022 das erste LNG-Terminal Deutschlands [2][in Betrieb gegangen], ein
zweites soll folgen. Das Gas kommt per Schiff [3][aus den USA], wo es mit
dem hoch riskanten Fracking-Verfahren gewonnen wird.
40 Plakate dagegen, gestaltet von Visual-Arts-Studierenden in New York,
zeigt Reisner in ihrer Schau. Für eines davon sind – hübsch böse – dem L…
des Fracking-Unternehmens Exxon Mobil ein paar Buchstaben geklaut worden,
so dass nur noch „Mob“ übrigbleibt. „Frack off America“ prangt auf ein…
weiteren Poster. Kunst im Demonstrationsmodus.
Die Auswahl der Werke sei nicht einfach gewesen, da sich nicht allzu viele
Künstler:innen mit fossilen und regenerativen Energien beschäftigten,
bemerkt Reisner. Gas, Wind, Sonnenlicht, Strom, Wärme sind schwer
darstellbar. Mit Öl ist das anders. Und so startet die Schau mit einer
abgefilmten Performance von Ayò Akínwándé. Rücksichtslose Ausbeutung
[4][bescherte dem Nigerdelta eine Umweltkatastrophe.]
Mit bloßen Händen versucht der Künstler, die Millionen Tonnen des
ausgelaufenen Rohöls wegzuschaufeln und mit Frischwasserzufuhr eine
Reinigung zu vollziehen. Das aussichtslose Unterfangen ist eine Anklage
gegen gierige Ölkonzerne und die tatenlose Politik Nigerias. Mit dem Video
wird klar: Die Schau nähert sich dem Energiethema eher auf globaler Ebene.
Mit Ausnahme eines Werks von Bram Kuypers. Der Niederländer bastelte ein
Windrad als Modell für das absehbare Scheitern der Energiewende. Statt zu
rotieren, hängen seine Rotorblätter erschlafft herab und werden nur von
Computergebläsen in zittriger Bewegung gehalten. Ein ironischer Kommentar
zur Zeit, in der das klimaneutrale Deutschland in weite Ferne rückt, da
die anfängliche Energiewendedynamik durch [5][das gerade reformierte
Klimaschutzgesetz aufgeweicht wurde].
Auf Klebe-Aktionen der Letzten Generation verzichtet die Schau, stellt aber
den Widerstandsgeist im [6][Hambacher Forst] aus. Über die von Oliver
Ressler gefilmten Bilder vom Wald, den Baumhäusern und der Abraumkante des
Braunkohle-Tagebaus berichten einige Besetzer von ihrem Kampf gegen die
polizeilich geschützten Interessen der RWE AG und denken mit geradezu
naturromantischer Begeisterung über das Ökosystem Wald nach.
Noch ein Film widmet sich dem Aufbegehren. Indigene Künstler:innen
Australiens erklären in Rachel O’Reillys einstündiger Dokumentation, wie
ihr Land durch Fracking kontaminiert und ihm Wasser entzogen wird.
Nicht alle Werke überzeugen. Flimmernde Zahlen zur Sonneneinstrahlung
bleiben genauso unverständlich wie Versuche, das Greenwashing der
Energiekonzerne zu entlarven. Kuratorisches Konzept scheint zu sein,
möglichst viele Aspekte anzutippen, statt einige etwas genauer zu
betrachten. Dabei sucht die Schau nach Möglichkeiten, wo und wie sich Kunst
involvieren kann in die Debatten um eine „fragile Zukunft“. Das überzeugt
nicht immer.
Künstlerisch zu beeindrucken, vermag hingegen die zentral unter der Decke
rotierende Skulptur „Medusa’s Fossil Addiction“ der Venezolanerin Ana
Alenso. Von Zapfhähnen genährte Schläuche, Autoteile, Asphaltfragmente und
Kunsthaarsträhnen lassen die Sucht nach immer noch mehr Öl assoziieren.
Denken wir die fossilen Rohstoffe aus der Historie unseres Lebensstils
heraus, verschwindet ja nahezu alles, was sich in den letzten 200 Jahren an
Wohlstand entwickelt hat.
19 May 2024
## LINKS
[1] /Streit-um-Salzstock-in-Ostfriesland/!5433248
[2] /Kritik-an-LNG-Terminal/!5900446
[3] /LNG-Boom-in-den-USA/!5975624
[4] /Oelverschmutzung-im-Niger-Delta/!5743880
[5] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!6003633
[6] /Schwerpunkt-Hambacher-Forst/!t5013292
## AUTOREN
Jens Fischer
## TAGS
Wilhelmshaven
zeitgenössische Kunst
Energiewende
fossile Energien
Schwerpunkt Klimawandel
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