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# taz.de -- Expertin über Umgang mit AfD in Kommunen: „Es braucht klare Abgr…
> Wie umgehen mit der AfD in Kommunalparlamenten? Die Demokratieberaterin
> Anne Mehrer rät auch dort zu klarer Haltung – und mehr Solidarität mit
> Angefeindeten.
Bild: Auch in Magdeburg wurde am Wochenende Haltung gegen die AfD gezeigt
taz: Frau Mehrer, die AfD gab sich auf ihrem [1][Parteitag in Magdeburg]
über weite Strecken unverhohlen rechtsextrem, Verfassungsschutzchef Thomas
Haldenwang sieht [2][verfassungsfeindliche Positionen]. CDU-Chef Friedrich
Merz plädierte dagegen zuletzt, zumindest kurzzeitig, für einen
pragmatischeren Umgang mit der [3][AfD in der Kommunalpolitik]. Was halten
Sie von dem Vorschlag?
Anne Mehrer: Natürlich nichts. Die AfD ist eine Partei mit einer
antidemokratischen Agenda und das spielt sie auch in der Kommunalpolitik
aus. Wer Mitglied dieser Partei ist und deren weltanschauliche Kampfansagen
an demokratischen Institutionen und an eine liberale, offene Gesellschaft
teilt, der geht für diese Partei nicht in die Kommunalpolitik, um dort
ausschließlich Sachpolitik zu machen. Diese Person wird an gegebener Stelle
immer auch AfD-Positionen einbringen, also rassistische, abwertende und
geschichtsvergessene Positionen. Daher braucht es auch in der
Kommunalpolitik eine klare Abgrenzung.
Sie beraten in Sachsen lokale Akteure im Umgang mit Rechtsextremen. Wie ist
Ihre Erfahrung? Gibt es diese Brandmauer? Oder wird nicht längst mit der
AfD kooperiert?
Tatsächlich ist eine Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen längst
Alltag. Dafür gibt es viele Beispiele. Wir erleben das in Sachsen im Grunde
seit 2019, seit die AfD bei den Kommunalwahlen breit in die Stadt- und
Gemeinderäte gewählt wurde, teils als zweit- oder drittgrößte Kraft.
Vereinzelt gab es diesen „Pragmatismus“ auch schon bei der NPD. Auch da
hieß es, dass doch Kommunalpolitik vor allem Sacharbeit für die Menschen
vor Ort sei und nichts mit Ideologie und der großen Parteipolitik zu tun
habe. Aber das stimmt natürlich nicht.
Aber im Kommunalen geht es doch tatsächlich um Kindergärten, Radwege oder
die Feuerwehrsanierung.
Aber auch das sind doch hochpolitische Entscheidungen, die rückgebunden
sind an bestimmte Vorstellungen von Gesellschaft – und die sind bei der AfD
eben demokratiefeindlich. Wenn ich da anfange zu unterscheiden zwischen
sogenannter Sach- und Ideologiepolitik, normalisiere ich letztlich auch die
Politikangebote der AfD.
Auch wenn die AfD die Feuerwehr sanieren will?
Der AfD geht es nie nur darum. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die
Partei als Bewegungspartei versteht mit dem Ziel, das Land grundsätzlich zu
verändern – zurück zu einer autoritären Gemeinschaft ohne Gleichheit aller
hier Lebenden. Auch die Kommunalvertretungen werden instrumentell genutzt,
um demokratiefeindliche Haltungen salonfähig zu machen, als
Selbstinszenierung einer Protestpartei gegen „die da oben“ und letztlich,
um ihren Machtanspruch auszubauen. Und es ist ja auch nicht so, dass es in
der Kommunalpolitik mit der AfD ohne Konfliktlinien zugeht. Aktive
Kommunalpolitikerinnen berichten uns immer wieder, wie wenig konstruktiv
und wie diffamierend die AfD in den Kommunalvertretungen auftritt. Wer
nicht in ihr Bild passt, wer sich für Jugendarbeit, Geflüchtete oder
Marginalisierte engagiert, ist schnell Bedrohungen und Anfeindungen
ausgesetzt. Da ist es wichtig, dass die demokratischen Stadt- und
Gemeinderäte mehr Solidarisierung mit den Betroffenen zeigen, deutlich und
öffentlich.
Was also raten Sie demokratischen Kommunalpolitiker*innen, wenn die
Rettung des Jugendclubs nur mit AfD-Stimmen möglich ist?
Grundsätzlich vorab: Mir ist keine Kommunalvertretung in der Bundesrepublik
bekannt, in der die Demokrat*innen weniger als 50 Prozent der Stimmen
vereinen. Auch wenn es bei bestimmten Fragen große Konfliktlinien unter den
Parteien und Wählergemeinschaften gibt – man kann sich bei wichtigen Themen
zusammenraufen und ist überhaupt nicht auf AfD-Stimmen angewiesen. Dass die
AfD am Ende Anträgen der Demokrat*innen zustimmt, wird sich kaum
verhindern lassen.
Dieses Zusammenraufen gelingt aber eben nicht immer.
Gerade bei so einer wichtigen Frage wie der stark eingekürzten und
unterversorgten Kinder- und Jugendarbeit im ländlichen Raum ist es an den
demokratischen Stadt- und Gemeinderäten, gemeinsam aktiv zu werden und mehr
Räume zu schaffen mit guter pädagogischer Begleitung. Im Übrigen machen wir
in Sachsen eher die Erfahrung, dass die AfD wenig Interesse an Jugendarbeit
hat und sich eher hervortut, soziokulturelle Zentren und Räume für
Jugendliche zu beschneiden und deren Förderung infrage zu stellen, als hier
konstruktiv mitzuwirken. Generell sind die Demokrat*innen in den
kommunalen Vertretungen gut beraten, sich schon im Vorfeld intern zu
verständigen, wie sie mit der AfD umgehen wollen, mit deren Anträgen und
der Wahl von Ausschüssen und kommunalen Gremien. Das schafft auch
Handlungssicherheit.
Kann das nicht auch wieder der AfD für eine Opferrolle nutzen, wenn die
demokratischen Parteien so geschlossen auftreten?
Es bleibt zentral und wichtig, dass die demokratischen Parteien
untereinander kontrovers diskutieren, Meinungsverschiedenheiten gehören zur
Demokratie. Aber es gibt Grenzen: Dort, wo Menschengruppen ausgegrenzt und
diffamiert werden, wo demokratische Institutionen abgelehnt und bekämpft
werden oder wo Verschwörungserzählungen echte Kritik ersetzen. Und die
Kommunalpolitik muss aufpassen, sich von der AfD nicht eine Agenda
bestimmen zu lassen, wo am Ende nur noch übers Gendern gesprochen wird und
nicht mehr Themen der Daseinsvorsorge und des Zusammenlebens bearbeitetet
werden. Das würde dann nicht nur den politischen Diskurs verderben, sondern
den der ganzen Gemeinde.
Und dennoch kooperieren einige Kommunalpolitiker*innen längst
[4][mit der AfD.]
Ich gebe zu, dass die Konfrontation keine leichte Aufgabe ist: Die
Engagierten in der Kommunalpolitik sind Ehrenamtliche, die sich in eine
große Themenvielfalt einarbeiten müssen und oft unter großem Druck
Entscheidungen treffen müssen. Dazu gibt es wenig Handlungsspielräume
aufgrund klammer kommunaler Kassen. Auch sind die demokratischen Parteien
im ländlichen Raum oft schwach aufgestellt: wenige Mitglieder, wenige
Austauschräume, wenige Menschen, die sich überhaupt kommunalpolitisch
engagieren wollen. Auf dieser Grundlage in die Konfrontation zu gehen, ist
herausfordernd – aber auch unabdingbar.
Sehen Sie denn eine breitere Bereitschaft, dass
Kommunalpolitiker*innen das tun wollen?
Zu uns in die Beratung kommen ja die, die eine Bedrohung sehen und dagegen
ansteuern wollen. Aber es stimmt, viele andere sehen diese Bedrohung nicht.
Umso wichtiger ist es, diejenigen Mandatsträger zu unterstützen und
handlungsfähig zu machen, die offen sind und die mit den antidemokratischen
Themen in der Kommunalpolitik umgehen müssen. Und von denen gibt es immer
noch sehr viele, auch im ländlichen Raum. Denen hilft die aktuelle Debatte
gar nicht.
Warum?
Weil es mehr Rückhalt braucht, gegenüber der AfD klar und deutlich zu
bleiben. Und weil wir lieber über die Stärkung von demokratischen
Gemeinderäten und kommunalpolitischen Handlungsräumen sprechen sollten,
über Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Einwohner*innen, als uns
an der AfD abzuarbeiten. Die große Frage ist doch: In welcher Gesellschaft
wollen wir leben? Mit einer Politik, die inklusiv ist und auf alle Menschen
im Gemeinwesen ausgerichtet? Oder mit einer Klientelpolitik für dominante
Gruppen?
Die AfD-Anhänger*innen wollen offenbar genau diese Klientelpolitik.
Ich glaube, dass viele andere das aber nicht wollen, diese übergeordnete
Frage auch erkennen und sich letztlich daran stoßen, wenn die AfD etwa vor
Ort ein seit Jahren bestehendes soziokulturelles Zentrum schließen will.
Und es geht doch auch um handwerklich gute Kommunalpolitik. Diese
Selbstbeschreibung als Kümmerer vor Ort, das löst die AfD ja überhaupt
nicht ein. Ich wüsste nicht, wo sich die Partei in den letzten Jahren als
besonders innovativ und für die Belange der Menschen vor Ort erwiesen
hätte. Auch das bemerken die Leute.
1 Aug 2023
## LINKS
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[4] /AfD-Parteitag-in-Magdeburg/!5946568
## AUTOREN
Konrad Litschko
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