# taz.de -- Ex-Obama-Wahlkämpfer über Laschet: „Wer erklärt, verliert“ | |
> CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist in der Defensive. Er verbringe zu | |
> viel Zeit damit, Fehler zu erklären, sagt Kampagnenexperte Julius van de | |
> Laar. | |
Bild: Die Macht der Bilder: Armin Laschet vor einem großen Müllhaufen | |
taz: Herr van de Laar, die Zustimmungswerte für die Union sinken, | |
[1][Spitzenkandidat Armin Laschet] schneidet in Umfragen inzwischen | |
historisch schlecht ab und kriegt bislang die Kurve nicht. Sie sind | |
Kampagnenexperte: Was läuft da schief? | |
Julius van de Laar: Armin Laschet ist solide in das Wahljahr gestartet. | |
Wahlkampf ist jedoch immer ein Wettlauf um die Deutungshoheit. Und Laschet | |
hat nie genau definiert, wo er hin möchte. Das wird ihm im Moment zum | |
Verhängnis. | |
Obwohl die Probleme – Stichwort Klima, Stichwort Corona – so groß sind, | |
schien es anfangs so, als könnte er genau mit diesem Kurs erfolgreich sein: | |
Vage bleiben, auch im Wahlprogramm, niemandem weh tun. | |
Wenn man Laschet im Frühjahr zugehört hat, lautete die Botschaft: Um auch | |
in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, braucht Deutschland ein Update, das er | |
durchführen möchte. Im Kontrast dazu steht jedoch die grüne Partei, die | |
kein Update, sondern eine radikale Revolution anzetteln will. Laschet hat | |
dadurch die Bundestagswahl als eine Weggabel definiert, mit | |
unterschiedlichen Pfaden in die Zukunft. Das war clever, denn er weiß: Die | |
meisten Deutschen scheuen sich vor einer Revolution. Hinzu kommt: Solange | |
die Aufmerksamkeit auf Annalena Baerbocks Fehlern lag, war es aus Sicht der | |
Union richtig, die Füße still zu halten. | |
Und als Annalena Baerbock die Aufmerksamkeit nicht mehr alleine auf sich | |
gezogen hat? | |
Als die CDU ihr Regierungsprogramm veröffentlicht hat, richtete sich das | |
Scheinwerferlicht auf Armin Laschet und die Frage: Wo genau will er | |
eigentlich als Bundeskanzler hin und wie will er für all die | |
Wahlkampfversprechen bezahlen? Aber wirklich gewendet hat sich das Blatt | |
mit der Flut und den vielen Pannen, die passiert sind … | |
… das Lachen während Steinmeiers Rede, der Ausspruch, wegen eines solchen | |
Tages ändere man nicht die Politik, die Ansprache vor dem Müllberg. | |
Das hätte natürlich nie passieren dürfen. In Deutschland unterschätzt man | |
noch immer die Macht der Bilder im Wahlkampf. Auch dieses Bild, auf dem es | |
so scheint, als würde Laschet beim Gespräch mit einem aufgebrachten Bürger | |
im Flutgebiet unter einem Regenschirm, der Mann aber im Regen stehen … | |
Was nicht stimmt, sondern nur an dem Bildausschnitt lag. Der Mann stand | |
auch unter einem Regenschirm. | |
Absolut richtig. Aber dennoch wird die optische Wahrnehmung zur Realität | |
des Betrachters. Das Bild erzählt eine andere Geschichte und festigt ein | |
Narrativ, was an die vorherigen Fehler anknüpft: Laschet lässt die Bürger | |
im Regen stehen. Und statt vorzupreschen, die Deutung zu übernehmen und zu | |
sagen, wie er sich den Aufbau vorstellt, waren er und sein Team zu lange | |
damit beschäftigt, dieses Bild wieder zu korrigieren. Zwei Fehler reichen, | |
um einen Abwärtstrend einzuleiten. Im Wahlkampf gilt: Wer erklärt, der | |
verliert. Die effektivste Waffe im Wahlkampf ist die neue Information. Wenn | |
ich nicht kommuniziere, tun es andere – und man selbst findet sich in der | |
Defensive wieder. | |
Was hätte er also tun sollen? | |
Laschet hätte in der Rolle als zukünftiger Kanzler noch am ersten | |
Nachmittag Annalena Baerbock und Olaf Scholz direkt ins Krisengebiet | |
einladen können. Die Botschaft: In dieser Katastrophe geht es nicht um | |
Wahlkampf. Wir müssen gemeinsam als Team die besten Ideen finden – unter | |
meiner Leitung, versteht sich von selbst. So werde ich Deutschland auch in | |
den kommenden Jahren durch die Krisen navigieren. | |
So funktioniert ja auch seine Regierung in NRW. Laschet kann anderen die | |
Bühne überlassen. Malu Dreyer und Angela Merkel haben im Übrigen genau das | |
vorgemacht: Sie sind [2][zusammen durch das Krisengebiet gelaufen] und | |
haben das getan, was sich viele in dem Moment gewünscht haben: Empathie | |
zeigen und keinen Wahlkampf machen. Währenddessen wurden starke Bilder | |
produziert. | |
Andere Politiker – Helmut Schmidt beispielsweise und Gerhard Schröder – | |
haben sich über Fluten profiliert. Warum gelingt Laschet das nicht? | |
Das war tatsächlich der Moment, in dem Laschet den Sack hätte zumachen | |
können – er, der die Krise managen kann und bereit ist, Verantwortung an | |
vorderster Front zu übernehmen. Es war richtig, dass er am Vorabend der | |
Flut den geplanten Termin bei der CSU in Seon abgesagt hat und in NRW | |
geblieben ist. Dann aber ist er nicht in die Offensive gegangen – was er | |
jetzt erst, drei Wochen später, in seiner Rede vor dem Landtag nachgeholt | |
hat. | |
Wartet Armin Laschet zu lange, bis er sich eines Themas annimmt? Bei Corona | |
war das ja auch der Fall. | |
Ja. Gerhard Schröder stand damals mit Gummistiefeln und in Regenjacke auf | |
dem Deich. Stoiber, sein Kontrahent, kam zu spät und in schicken Klamotten. | |
Das sind Bilder, die hängen bleiben. Schröder stand für Tatkraft, Stoiber | |
für Zaudern. Dieses Bild festigt sich und die Frage, die bei Wählerinnen | |
und Wählern hängen bleibt, ist: Kann er in Krisen adäquat handeln? Ist er | |
der Richtige? | |
Als Campaigner: Was würden Sie Laschet und der CDU nun raten? | |
Elections are about the Future, not the past – es geht um die Zukunft, | |
nicht die Vergangenheit. Das war auch schon das Motto von Bill Clinton. | |
Übersetzt heißt das: Raus aus der Defensive. Rein in den Angriff. Die | |
Erzählung muss rückfokussiert werden auf das Bild des Updates. Allerdings | |
gibt es dabei auch ein Problem. Durch die Flutkatastrophe und die | |
verheerenden Hitzewellen und Waldbrände in den USA, aber auch in Europa | |
werden einige denken: Müssen wir nicht doch energischer gegen den | |
Klimawandel vorgehen? Die Bilder aus der Türkei und Griechenland, aus | |
Rheinland-Pfalz und NRW spielen, so zynisch es klingt, eher Annalena | |
Baerbock in die Karten. | |
Braucht es also eine Veränderung in der Kampagne? Raus aus dem Schlafwagen, | |
um mal mit Markus Söder zu sprechen? | |
Für die verbleibenden 46 Tage gilt: Keine Mobilisierung ohne Polarisierung. | |
Die Kampagnen müssen den Kontrast zu den politischen Kontrahenten | |
rausarbeiten. Kommunikativ bedeutet das: Löse niemals ein Problem, das | |
keiner hat. Oder im Umkehrschluss: Verkaufe das Problem, das du löst, und | |
nicht die Lösung. | |
Und welches Problem, das Armin Laschet exklusiv lösen könnte, würden Sie | |
verkaufen? | |
Umfragen zeigen, dass sich fast jeder darüber bewusst ist, dass Deutschland | |
nach 16 Jahren Angela Merkel einen Aufbruch benötigt. Die Frage ist, wie | |
dieser gestaltet werden soll. Laschet wird das Argument machen, dass die | |
Zukunftsprobleme mit Maß und Mitte angegangen werden müssen und nicht mit | |
radikalen Positionen. | |
11 Aug 2021 | |
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