# taz.de -- EuGH-Urteil zur Balkanroute: Das Dublin-Abkommen gilt | |
> Der EuGH hat über die Einreise von Flüchtlingen auf der Balkanroute | |
> geurteilt. Slowenien und Ungarn werden wohl Geflüchtete aufnehmen müssen. | |
Bild: Zeltlager in Kroatien (2015) | |
LUXEMBURG epd/dpa | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat einen zentralen | |
Punkt der EU-Asylgesetzgebung geklärt, der indirekt auch die Situation | |
zahlreicher Flüchtlinge in Deutschland betrifft. Die Luxemburger Richter | |
urteilten am Mittwoch, dass ein Grenzübertritt auch dann „illegal“ sein | |
könne, wenn ein EU-Staat die Einreise aus humanitären Gründen und in einer | |
außergewöhnlichen Situation gestattet. Folglich gilt auch dann das Prinzip | |
der Dublin-III-Verordnung, wonach Menschen in dem EU-Staat Asyl beantragen | |
müssen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten haben. (AZ: C-490/16 und | |
C-646/16). | |
Der EuGH hatte es mit einem Syrer und zwei afghanischen Familien zu tun. | |
Sie waren 2015 und 2016 aus ihrer Heimat geflohen und zogen über die | |
sogenannte Westbalkanroute nach Mitteleuropa. Dabei passierten sie jeweils | |
den EU-Staat Kroatien, wo die Behörden selbst die Beförderung zur Grenze | |
zum benachbarten EU-Staat Slowenien organisierten. Der Syrer stellte | |
anschließend in Slowenien einen Asylantrag, die Afghanen schafften es bis | |
nach Österreich und taten dies dort. Slowenien und Österreich wollen sie | |
aber jeweils zurück nach Kroatien abschieben. | |
Im Prozess ging es um den Begriff der „illegalen Einreise“. Denn der | |
Dublin-Grundsatz des Ersteinreiselandes gilt nur, wenn jemand dort | |
„illegal“ eingereist ist. Das bestritten die Schutzsuchenden. Der Afghane | |
etwa argumentierte, dass das Verhalten der Kroaten, die ihm ja sogar bei | |
seiner Reise geholfen hatten, so zu verstehen sei, dass er legal eingereist | |
sei. Ähnliches machten die Afghanen in Österreich geltend. | |
Die EuGH-Richter sahen die Einreise nach Kroatien trotzdem als „illegal“ | |
an. Sie verwiesen unter anderem auf den Zweck der Dublin-Verordnung. Denn | |
würde die Einreise durch die Erlaubnis legal, würde dies den betreffenden | |
Staat – hier Kroatien – ja gerade von seiner Verantwortung für die | |
Asylprüfung entbinden. | |
Das Urteil betrifft indirekt auch Deutschland, das grundsätzlich in | |
derselben Situation ist wie Österreich und Slowenien. Auch in Deutschland | |
sind damals zahlreiche Migranten eingereist, die auf der Balkanroute | |
zunächst andere EU-Staaten passiert haben. | |
## Wohl keine Extrawurst Ungarn und Slowakei | |
Ungarn und die Slowakei haben vor dem EuGH dagegen geklagt, dass sie | |
Geflüchtete aus Italien und Griechenland aufnehmen. Sie werden aber wohl | |
mit ihrer Klage scheitern. | |
Ungarn und die Slowakei müssen sich nach Einschätzung eines wichtigen | |
Gutachters am Europäischen Gerichtshof an der Umverteilung von Flüchtlingen | |
innerhalb der EU beteiligen. Generalanwalt Yves Bot empfahl am Mittwoch, | |
die Klagen der beiden Länder abzulehnen. Meistens folgen die Luxemburger | |
Richter der Empfehlung ihres Gutachters. Das mit Spannung erwartete Urteil | |
dazu könnte ab September fallen (Rechtssachen C-643/15 und C-647/15). | |
Die Regierungen in Budapest und Bratislava klagen gegen den Beschluss vom | |
September 2015 zur Umverteilung von bis zu 120.000 Flüchtlingen. Sie waren | |
damals ebenso wie Tschechien und Rumänien im Kreis der EU-Staaten | |
überstimmt worden. | |
Gutachter Bot weist in seiner Stellungnahme nun die Argumente der Kläger | |
auf ganzer Linie zurück. Weder sei an der Rechtsgrundlage des Beschlusses | |
etwas auszusetzen, noch habe es Verfahrensfehler gegeben. Es habe keine | |
Verpflichtung für die EU-Staaten gegeben, den strittigen Beschluss | |
einstimmig zu fassen. | |
Auch inhaltlich verteidigt Bot die Entscheidung zur Flüchtlingsverteilung | |
in Europa. Angesichts des starken Andrangs auf dem Höhepunkt der | |
Flüchtlingskrise im Sommer 2015 sei die Übernahme von Migranten durch | |
andere Länder ein geeignetes Mittel zur Entlastung von Italien und | |
Griechenland gewesen. | |
Dass sich die Umverteilung in der Praxis nur bedingt als wirksames Mittel | |
zur Entlastung erwiesen habe, ist laut Bot nicht relevant. Zumal | |
ausgerechnet die Verweigerungshaltung der beiden Staaten dazu beigetragen | |
habe: „Die Argumentation der Kläger läuft im Grunde genommen darauf hinaus, | |
dass sie einen Vorteil daraus ziehen wollen, dass sie dem angefochtenen | |
Beschluss nicht nachgekommen sind“, schreibt der Jurist. „In der Tat haben | |
die Slowakische Republik und Ungarn durch die Missachtung ihrer | |
Umsiedlungsverpflichtungen dazu beigetragen, dass das in dem angefochtenen | |
Beschluss festgelegte Ziel von 120.000 Umsiedlungen auch heute noch längst | |
nicht erreicht ist.“ | |
26 Jul 2017 | |
## TAGS | |
EuGH | |
Dublin-System | |
Ungarn | |
Slowenien | |
Balkanroute | |
Schwerpunkt Flucht | |
Dublin III | |
Flüchtlinge | |
Griechenland | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Italien | |
Dublin-System | |
Martin Schulz | |
Schwerpunkt Flucht | |
Europäischer Gerichtshof | |
Bundessozialgericht | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Asylbewerber in Sachsen: Fantasie statt Duldung | |
Der Flüchtlingsrat Sachsen kritisiert fiktive Papiere, die für Asylbewerber | |
vergeben werden. Ihre Verfahren laufen in einem anderen Ankunftsland. | |
Deutsche Flüchtlingspolitik: Keine Ausweisungen nach Ungarn | |
Seit dem 11. April wurden keine Geflüchteten aus Deutschland zurück nach | |
Ungarn geschickt, teilt die Bundesregierung mit. Das soll vorerst auch so | |
bleiben. | |
Dublin-Rückführung wieder möglich: Zurück nach Griechenland | |
Deutschland will 392 Geflüchtete wieder nach Griechenland schicken. Das | |
dortige Asylverfahren ist jedoch weiterhin mangelhaft. | |
Deutsche Asylpolitik: Was, wenn sie mich auch abholen? | |
Trotz des Krieges behält Afghanistan seinen Status als sicheres | |
Herkunftsland. Unser Autor begleitet Freunde, die vor der Abschiebung | |
stehen. | |
Flüchtlinge in der EU: BAMF schiebt wieder nach Italien ab | |
Wegen Mängeln im Asylsystem wurden seit Ende 2014 Flüchtlingsfamilien nicht | |
nach Italien zurückgeschickt. Jetzt beendet das Flüchtlingsamt die Praxis. | |
Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Zu schwach für eine Lösung | |
Die EU kommt bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht voran. Die | |
Mitgliedsstaaten verhalten sich egoistisch. Dabei wäre Solidarität dringend | |
nötig. | |
Flüchtlinge als Wahlkampfthema: Ein gefährliches Experiment | |
Die Flüchtlingspolitik landet durch SPD-Kanzlerkandidat Schulz mitten im | |
Wahlkampf. Wer profitiert? Antworten auf die wichtigsten Fragen. | |
Situation der Flüchtlinge auf Lesbos: Der Unmut der Wartenden wächst | |
Trotz begrenzter Fluchtwege bleiben die griechischen Inseln ein begehrtes | |
Ziel. Doch das, was sie dort erwartet, treibt viele in die Verzweiflung. | |
EuGH-Urteil zu humanitären Visa: Kein Recht auf legale Einreise | |
Haben Flüchtlinge aus Kriegsländern das Recht auf ein humanitäres Visum für | |
die EU? Der EuGH hat nun eine Antwort gegeben. | |
Kommentar Hartz IV für EU-Bürger: Dann eben ohne Stütze | |
Vertauschte Rollen: Der EuGH schützt die Interessen der Mitgliedsstaaten, | |
das Bundessozialgericht setzt sich für zugewanderte EU-Bürger ein. | |
Flüchtlinge in Europa: Kontingente zur Abstimmung | |
Ungarn wird über die EU-Flüchtlingskontingente ein Referendum abhalten. Ein | |
Datum nannte Ministerpräsident Viktor Orban bisher nicht. |